Kuba und seine Touristen – eine Hassliebe

Bild von einem Gebäude
Havanna. Foto: Vera Kleinken

Das Land der Oldtimer, verkümmerten Häuser, des Sozialismus, der Musik, des Salsas, der charmanten KubanerInnen, Hemingways. Wirklich?

Drei Wochen habe ich das Land bereist, und auch wenn einige Klischees über das schöne Kuba stimmen, ist nicht alles Mojito und Buena Vista Social Club.

Touristen und KubanerInnen

Die KubanerInnen schätzen die Touristen sehr, die sich ihre karibische Insel ansehen. Oder besser gesagt: deren Geld. Auf dieses sind sie nämlich angewiesen und versuchen auf jegliche Art und Weise, dreist oder kreativ, freundlich oder grob, an die Touristenwährung zu gelangen. Auch wenn dieses Verhalten nervtötend ist und das ständige Handeln anstrengend, bedeutet es aber auch, dass Kriminalität gegenüber Touristen die absolute Ausnahme darstellt. Denn ohne Touristen ginge es den meisten noch schlechter, als es ihnen ohnehin schon geht. „Ich möchte es mir auch einfach mal leisten können mit meiner Familie für ein Wochenende an den Strand zu fahren. Dort, wo auch die Touristen Urlaub machen“, erzählte mir einmal ein Mann, der unter der Woche Vollzeit arbeitet und am Wochenende versucht als Taxifahrer für Touristen Geld zu verdienen. Denn das, was er bei seiner Arbeit unter der Woche verdient, reicht gerade für das Allernötigste. Sich mal etwas gönnen können die meisten KubanerInnen nicht.

Der Sozialismus

Die Unzufriedenheit der KubanerInnen ist erschreckend. Das sozialistische Land bestätigt jedes Vorurteil, das ich an den Kommunismus habe. Schlecht gefüllte Supermärkte, falls man sie denn überhaupt so nennen kann, Propaganda-Plakate auf den Straßen, keine Variation im Essen. Kein Wunder also, dass die KubanerInnen unglücklich sind. Sie arbeiten fünf Tage die Woche und egal welche Berufe sie ausführen, sie bekommen ein mickriges Gehalt. Trotzdem scheint sich keiner gegen die Regierung auszusprechen, was auch an der allgegenwärtigen Propaganda liegen mag. Plakate verkünden das Wohl, das der Sozialismus im Volk verbreitet hat und Siegessprüche und Zitate der Volkshelden zieren etliche Wände. Am häufigsten lese ich „Hasta la Victoria siempre“, Ches berühmte Kampfansage. Es fühlt sich so an, als lebe Kuba immer noch in Zeiten der Revolution.

Blick in eine Straßenflucht
Straßenszene in Havanna. Foto: Vera Kleinken

Reisen in Kuba

Abgesehen von der ernüchternden Lebenssituation der KubanerInnen, die auch Touristen beeinflusst, ist Kuba ein unglaublich interessantes, landschaftlich wunderschönes und kulturell reiches Land. Auch alleinreisend ist es leicht, die Insel zu erkunden. Allerdings ist es sehr viel schwieriger andere Reisende kennenzulernen, als in anderen Ländern, da es keine Hostels auf Kuba gibt. Nur Hotels und Privatunterkünfte bei kubanischen Familien. Diese „casas particulares“ geben aber einen wunderbaren Einblick in das Familienleben der hilfsbereiten KubanerInnen und, da die meisten Vermieter auch Essen servieren, in die kubanische Esskultur.

Kubanische Speisen

Diese lässt leider sehr zu wünschen übrig. Zwar sind die Gerichte schmackhaft, jedoch sehr eintönig. Neben Fisch oder Fleisch gibt es immer – und mit immer meine ich immer — Reis, Bohnen, Wurzelgemüse und einen Salat, der aus Gurken, Tomaten und Avocado besteht. Wer sich zwischendurch einen Snack kaufen möchte hat auch keine große Auswahl: Es gibt Sandwichs mit Käse, Schinken, oder auch Käse und Schinken sowie kleine Pizzen, die nicht viel mit der italienischen Pizza zu tun haben, die wir kennen. Cocktails mixen können die KubanerInnen aber gut, wenn man sie darauf aufmerksam macht, dass man nur ein „poquito“ Rum haben möchte. Wenn nicht, können die Cocktails auch mal zu drei viertel aus Alkohol und ein viertel aus den restlichen Zutaten bestehen.

La Música

Vielleicht ist die Trinkgewohnheit der KubanerInnen der Grund, warum deren Hüftschwung beim Salsa viel ansprechender aussieht, als bei den vielen Touristen, die sich auch am Tanzen versuchen. Vielleicht haben die KubanerInnen die Musik aber auch einfach im Blut – was ich für sehr glaubhaft halte. Mein Neid und meine Begeisterung wurden immer größer, als ich KubanerInnen beim Tanzen beobachtete. Ohnehin ist die Musik wirklich das, was Kuba ausmacht. Alle Erwartungen meinerseits wurden erfüllt und übertroffen. In jeder Bar wird Live- Musik gespielt, nicht nur abends, sondern oft auch nachmittags. Die KubanerInnen beherrschen ihre Instrumente und den Rhythmus, als hätten sie sich von klein auf ausschließlich Salsa-Klängen hingegeben.

Straße in Kuba
Trinidad. Foto: Vera Kleinken

„Schnell hin, bevor die Amis kommen!“

Von der allgemeinen Erwartung, Hoffnung, zuweilen auch Angst der Öffnung Kubas gegenüber dem Westen und vor allem der USA spürt man nicht viel. Amerikanische Einflüsse sind noch nicht vorhanden, abgesehen davon, dass die Botschaft eröffnet wurde. Amerikanische Reisende scheint es auch noch nicht zu geben – zumindest sind es Ausnahmen. WLAN gibt es immer noch nicht – nur Hotspots auf den Hauptplätzen der Städte. Dies stellt schon eine riesige Entwicklung dar, welche die KubanerInnen sehr glücklich macht. Deutlich wird das an den Massen der auf ihre Bildschirme starrenden Menschen. Trotzdem wird noch einige Zeit vergehen, bis sich die schwierige Lebenssituation der KubanerInnen verändern und sich die Supermärkte füllen werden. Vielleicht erst, wenn das Ende des Castro-Regimes gekommen ist. Vielleicht schon früher. Aber bis dahin wird weiter getanzt, getrunken, über die Hitze geklagt und Politik als Gesprächsthema vermieden.

Von Vera Kleinken

Beitrag erstellt am: 07.07.2016 um 09:44 Uhr
Letzte Änderung am: 17.11.2019 um 02:37 Uhr