Die umstrittene Thematik der Sprachnachrichten – Fluch oder Segen?

Eine Liste von Sprachnachrichten in einem Messenger.
Sprachnachrichten kommen bei den Empfänger*innen unterschiedlich gut an. Foto: Tobias Schröer.

Beim Thema Sprachnachrichten scheiden sich die Geister. Eine Spurensuche im eigenen Freundeskreis.

„Sorry, dass ich erst jetzt antworte, deine Nachricht ist nach unten gerutscht in meinen Chats“. Das ist die Antwort einer Freundin bei WhatsApp, nachdem ich drei Wochen nichts von ihr gehört habe. Der Grund für die zwischenzeitliche Funkstille ist, dass ich ihr zuvor eine Sprachnachricht geschickt habe. Sie hatte vorher wohl wenig Lust oder Zeit, diese abzuhören.

So oder so ähnlich kennen wir das doch alle, oder etwa nicht? Nach Tagen oder Wochen erhält man eine solche Nachricht auf WhatsApp von einem Freund oder einer Freundin, nachdem man selbst schon völlig vergessen hat, diese Sprachnachricht überhaupt gesendet zu haben und jetzt die Antwort darauf natürlich läääääängst überfällig und irrelevant ist. „Wow super, Danke! Jetzt brauche ich deine Meinung oder Info dazu auch nicht mehr“, denkt man sich dann. Kein seltenes Phänomen und doch entsteht immer mehr der Eindruck, dass Sprachnachrichten langsam aber sicher das gute alte Telefonat ersetzen. „Warum?“ stellt sich da die Frage. Im ersten Moment erscheint das Procedere doch wesentlich umständlicher als einfach mal eben „durchzuklingen“.

Verlernen die Menschen zunehmend, in einen Dialog zu treten? Oder steht zeitliche Flexibilität mittlerweile über Allem und es ist zu viel verlangt, eine sofortige oder zeitnahe Antwort zu erwarten? Fragen über Fragen die zu diesem Thema aufkommen.

Thematik auch in Comedy präsent

Auch die Veranstaltung der 1Live Comedy Nacht thematisierte dieses Phänomen. Comedian Nico Stank erzählte, dass sich seine Freundinnen gegenseitig Sprachnachrichten über 35 Minuten (!!!) schicken und sich im Vorfeld sogar Notizen anlegen, was alles in der Sprachnachricht untergebracht werden soll.

Er hält so etwas schon viel mehr für einen Podcast als für eine Sprachnachricht. Womit er nicht ganz Unrecht hat, denn es gibt tatsächlich Podcasts von dieser Länge. Dies ist aber kein Einzelfall, denn guckt man sich die Kommentare an, wird schnell klar, dass es wohl sehr viele Leute gibt, für die eine Sprachnachricht dieser Länge nichts Ungewöhnliches ist und man findet Statements wie: „nur 35 Minuten? – Anfänger!“, „alles ist mir lieber als telefonieren!“ oder „35 Minuten ist doch nichts und Notizen müssen sein!“.

Die Meinungen spalten sich aber gewaltig. Andere sagen: „alles, was über zwei Minuten geht, höre ich mir gar nicht erst an“, „mein Freund ist schon bei länger als 20 Sekunden genervt“.

Ergebnisse aus dem eigenen Freundeskreis

Ich wollte der Sache auf den Grund gehen und habe deshalb in meinem eigenen Freundeskreis nachgefragt, ob sie Sprachnachrichten nervig finden, ob sie selbst gerne welche versenden und von welcher durchschnittlichen Länge ihre eigenen sind.

Ich musste feststellen, dass hier die Meinungen sehr stark auseinander gingen. Vorab ist zu sagen, dass die Meisten angaben, zwar Sprachnachrichten jeglicher Länge abzuhören, grundsätzlich fanden aber alle ab 1,5 bis 2 Minuten zu lange, anstrengend oder hatten dann erstmal keine Lust, darauf zu antworten. Eine meiner Freundinnen fasste es zusammen unter der Regel: Je länger eine Nachricht ist, desto eher speichert man sie unter „später anhören“. Und dadurch kann sie dann natürlich auch mal in Vergessenheit geraten. Dies fand ich einen ziemlich einleuchtenden Erklärungsansatz.

Eine andere Freundin gab an, dass sie Sprachnachrichten nie senden würde und es auch hasst, welche zu erhalten, während eine Freundin einen ähnlichen Umgang damit hat: Alles über 3 Minuten würde sie auf doppelter Geschwindigkeit anhören und sie selbst würde welche versenden, wenn sie entweder „zu faul zum Schreiben“ oder etwas „super spannendes“ passiert sei, was einer ausführlichen Erklärung bedarf.

Der Großteil gab jedoch an, dass sie selbst gerne Sprachnachrichten verfassen. Das Aufnehmen empfinden die meisten folglich als praktisch, diejenigen, die diese abhören müssen, scheinen tendenziell eher davon genervt zu sein. Andere differenzieren dabei personenbezogen, nicht jeder erhält von ihnen eine Sprachnachricht.

Sprachnachrichten = Typsache?

Daraus resultierend kann man zusammenfassend die These aufstellen, dass man „der Typ“ für Sprachnachrichten sein muss. Es ist wohl letztendlich Geschmacksache: Die einen finden es super praktisch, die anderen sind klare Gegner und nutzen es überhaupt nicht. Auch das Empfinden, wann eine Sprachnachricht als unangemessen lang gilt und welche Länge völlig legitim ist, unterliegt einzig der subjektiven Wahrnehmung.

Außerdem verdeutlichen die Ergebnisse, dass diese Art der Kommunikation vor allem in eine Richtung wohl gerne genutzt wird: nämlich in die der Aufnahme. Das Abhören scheint dabei die undankbarere Position zu sein. Ebenfalls nicht außer Acht zu lassen, ist dabei der Aspekt der Charakters beziehungsweise des Selbstbewusstseins. Extrovertierte, selbstsichere Personen haben wohl weniger ein Problem damit, in das Mikrofon des Handys zu sprechen als introvertierte oder eher schüchterne Menschen. Dies wurde mir anhand der Antworten und den damit einhergehenden Charakterzügen der Person verdeutlicht.

Ob es sich bei Sprachnachrichten um Fluch oder Segen handelt, empfindet folglich jeder sehr subjektiv und unterschiedlich. Die Frage ist also nicht eindeutig zu beantworten und es gilt diesbezüglich verschiedene Faktoren im Hinterkopf zu behalten.

Die zukünftigen Entwicklungen dahingehend bleiben folglich spannend. Wird es irgendwann gar keine Telefonate mehr geben, weil es als „frech“ eingestuft werden wird, ernsthaft eine sofortige Antwort zu verlangen, mit der Begründung, dass man ja wohl selbst entscheiden dürfe, wann man antworten möchte? Oder wird man irgendwann zurück zum Ursprung kehren und sich einfach wieder anrufen, weil die Erkenntnis, dass dieses umständliche Unterfangen vom Menschen hausgemacht war, zu Tage tritt.

Ich für meinen Teil werde Sprachnachrichten weiterhin zum Wiederholen von Inhalten für die Uni nutzen, denn, dass man die Inhalte einer Sprachnachricht immer wieder erneut abspielen kann, empfinde ich dabei als den größten Vorteil und lasse mir deshalb gerne mittels ihnen Stoff aus der Uni erklären. Möchte ich jedoch dringend eine Auskunft, werde ich meine Freunde weiterhin mit Anrufen nerven. Ob es ihnen passt oder nicht …;)  

Von Sophie Knorr

Beitrag erstellt am: 07.06.2024 um 09:10 Uhr
Letzte Änderung am: 07.06.2024 um 09:10 Uhr