Fachkräftemangel und endlose Jobsuche – wie geht das zusammen?

Ein Mensch sitzt verzweifelt vor seinem Laptop und hat die Hände über den Kopf zusammengeschlagen.
Den langen und frustrierenden Prozess der Jobsuche kennen wir alle. Foto: lukasbieri / Pixabay.

Arbeitslosigkeit ist ein alter Hut. Die überall herrschende Suche nach Personal sollte das Problem doch eigentlich lösen. Trotzdem scheint eine gute Stelle mit angemessener Bezahlung zu finden, schwieriger denn je.

An jeder zweiten Ecke heißt es „Mitarbeiter*innen gesucht!“, „Offene Stelle als…“, „Suchen dringend nach Unterstützung“. Auch in den Medien ist Fachkräftemangel Thema. Ob in der Gastronomie, der Tourismus- und Eventbranche, dem Krankenhaus, handwerklichen Berufen, der Schule oder dem sozialen Bereich. Es ist überall dasselbe. Es fehlen Fachkräfte. Für uns Studierende eigentlich ideal. Fachkräftemangel könnte schließlich bedeuten, dass der Weg in einen vernünftigen Job mit gutem Gehalt nicht so steinig ist wie sonst. Dürfte mensch zumindest meinen. Wer die Lauscher aufstellt und sich zu den „richtigen“ Jobs mal umhört, bemerkt aber schnell: So einfach ist es dann doch nicht. „Bewirb dich ganz einfach per WhatsApp“, „schnelle Entscheidungswege“, „Schick uns einfach deinen Lebenslauf mit einem kurzen informellen Schreiben“. Habt ihr so was auch schon mal gelesen? Tja und dann muss mensch doch durch gefühlt tausend Reifen springen, mehrere Interviews absolvieren und tausend Aufgaben erledigen, bis dann schlussendlich doch eine Absage kommt. Eine Studie des Personaldienstleister- und Personalvermittlungs-Unternehmens Robert Half belegt, dass der*die Einzelne nicht ganz allein mit dieser Meinung dasteht.

Alles nur Einbildung?

Die deutschlandweite Arbeitnehmer*innenstudie, durchgeführt im November 2021, vom Unternehmen Robert Half, bestätigt, dass 60% der Menschen es heute als schwieriger empfinden einen geeigneten Job zu finden als früher, wie zum Beispiel vor der Pandemie. Die am häufigsten genannten Ursachen für die erschwerte Jobsuche sind weniger freie Stellen, ein langwieriger Bewerbungsprozess und schlechtere Rahmenbedingungen. Diese äußern sich in weniger Urlaubstagen, befristeten Arbeitsverträgen und weniger Zusatzleistungen. Außerdem haben sich laut den Arbeitnehmer*innen die Anforderungen seitens der Unternehmen geändert.

Besonders schwierig empfinden Jüngere beziehungsweise Berufseinsteiger*innen zwischen 18 und 24 die Jobsuche. Dafür sind sie grundsätzlich, genauso wie die Älteren, zufriedener in ihrem Job. Jüngere Arbeitnehmer* innen zum Beispiel orientieren sich an einer angemessenen Bezahlung und flexiblen Arbeitszeiten. Bedeutet: Die Prioritäten haben sich schlicht verändert. So würden einige der Jüngeren wie auch Älteren auf einen Teil ihres Lohns verzichten, um zufriedener im Job zu sein. Auch die zeitliche Flexibilität ist heute wichtig. Sogar wichtiger als das Gehalt. Eine ausgewogene Work-Life-Balance und örtliche Flexibilität sind gefragt. Hinzu kommt neu gewonnener Mut zum Karrierewechsel.

Überraschenderweise ist die aktive Jobsuche sogar bei unzufriedenen Arbeitnehmer*innen eher verhalten. Viele behalten lieber gewisse Vorzüge ihres Jobs – auch wenn unliebsam. Durch die Pandemie herrscht eine allgemeine Furcht vor Arbeitslosigkeit. Daher bleibt mensch dann doch lieber bei der sicheren Stelle, statt einen möglicherweise missglückenden Jobwechsel zu riskieren. Ein paar bemühen sich nicht mal um eine andere Stelle. Ist es also vielleicht doch nur ein Gefühl?

Die andere Perspektive

Marlene Pöhlmann, Managing Director bei Robert Half, äußert sich klar. Laut ihr sei die Situation am Arbeitsmarkt trotz des anhaltenden Fachkräftemangels in einigen Branchen verschärft. Das Gefühl der Arbeitnehmer*innen und Arbeitsuchenden ergebe sich vermutlich aus der wirtschaftlichen Unsicherheit der Unternehmen die dementsprechend zu Maßnahmen wie befristeten Arbeitsverträgen und wenig Zusatzleistungen greifen müssten. Außerdem würden die Anforderungen an die Bewerber*innen, aufgrund der beschleunigten Digitalisierung und der zunehmenden Komplexität der Aufgaben, steigen.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) tritt einen Schritt zurück und widerlegt den Eindruck des vorherrschenden Fachkräftemangels. Sie „beobachtet in Deutschland keinen umfassenden Fachkräftemangel“. Sie bestätigt lediglich, dass „in einigen Regionen und Berufsfeldern Fachkräfte knapp“ sind. Die Nachfrage nach Personal habe wieder leicht abgenommen, was es schwieriger für Arbeitssuchende mache. Sie räumt ein, dass die Nachfrage für Personal und „der Bestand gemeldeter offener Stellen weiter auf hohem Niveau“ ist. Auch bestätigt sie, dass die „Unternehmen (..) bei der Einstellung neuen Personals derzeit etwas vorsichtiger“ seien. Die Bundesagentur für Arbeit kommt zu ähnlichen Ergebnissen wie Marlene Pöhlmann: die wirtschaftlichen und geopolitischen Bedingungen erhöhen die allgemeine Unsicherheit.

Okay, aber jetzt mal Klartext

Arbeitnehmer*innen sowie Arbeitgeber*innen scheinen nicht wirklich zufrieden zu sein. Es ist beinahe als redeten sie ein wenig aneinander vorbei. Wer hat recht, wer nicht? Es könnte die Vermutung aufgestellt werden: Beide. Der*die Arbeitnehmer*in beziehungsweise Arbeitsuchende muss sich auf gänzlich neue Fähigkeiten einstellen. Gleichzeitig will er*sie das Gute der Alten sowie das Gute der neuen Konditionen am Arbeitsplatz haben. Möglich ja, einfach allerdings nicht unbedingt. Auf der anderen Seite ist der*die Arbeitgeber* in, der*die gucken muss, wo er*sie bleibt und durch Corona einiges einstecken musste. Er*Sie kann nur schwer alte Sicherheiten versprechen, die die*der Arbeitssuchende allerdings verlangt.

Hinzu kommt, dass während das Bewerbungsverfahren einfacher geworden sein soll, die Arbeitgebenden selbst noch Newbies im neuen, „einfacheren“ Verfahren sind und daher noch dazulernen. Robert Half bestätigt, dass Stellenbeschreibungen mehr eine Art Wunschzettel des Unternehmens seien. Häufig wüssten die Firmen noch nicht konkret, was sie genau bräuchten oder wollten. Es ist also schwierig. Alle Beteiligten müssen sich auf die neue, veränderte und unsichere Situation einstellen. Nicht ideal, aber mit dem Finger auf jemanden zeigen, bringt auch nichts.

Was können wir festhalten?

Für Arbeitssuchende, Karrierewechsler*innen und Studierende, die bald oder bereits jetzt ihre Fühler am Arbeitsmarkt ausstrecken, ist eins ganz klar: Wer mithalten will, muss sich konstant weiterentwickeln. Egal ob es um die Weiterentwicklung im Persönlichen, im Onlinebereich oder der Fähigkeiten geht. Die Welt hat sich verändert und mensch muss sich den neuen Anforderungen anpassen. Zeitarbeitsverträge könnten als Chance gesehen werden, verschiedene Berufsbereiche und / oder Berufe kennenzulernen. So entwickelt mensch sich zum Allrounder. Arbeitgebende hingegen sollten das Bewerbungsverfahren tatsächlich schneller und einfacher gestalten und „Mindestanforderungen“ und „Nice to Haves“ voneinander trennen. So würden mit Sicherheit weniger Arbeitssuchende gleich das Handtuch werfen. Dennoch gilt: Wer es nicht einmal versucht, hat schon verloren. Denn: Wer nicht probiert der nicht gewinnt.

Von Katrin Steinhausen

Beitrag erstellt am: 19.05.2024 um 07:36 Uhr
Letzte Änderung am: 19.05.2024 um 07:36 Uhr

Portraitfoto junge Frau

… ist eine leicht verrückte Labertasche voller Energie. Wenn sie nicht gerade in ihrer geliebten Heimat Köln ist, reist sie als Weltentdeckerin umher und macht die Welt zu ihrem Zuhause. Sie tanzt leidenschaftlich gerne auf Latino-Rhythmen und fühlt sich in anderen Sprachen und Mentalitäten am wohlsten. Auch wird sie hinter der Kamera zum Paparazzo und denkt sich in ihrer Freizeit Geschichten aus, die sie auch gerne zu Papier bringt. Der Journalismus hat sie schon immer begeistert und bietet ihr die Möglichkeit zu hinterfragen, zu berichten und ihr wichtige Themen anzusprechen.