Wenn wir uns ernsthaft die Frage stellen und konkret über Sehnsucht nachdenken, weicht unser angeblich vollständiges und komplettes Verständnis des Begriffs schnell der Erkenntnis, dass er eigentlich viel zu abstrakt ist, um klar mit dem Finger auf ihn zeigen zu können. Laut Duden wird Sehnsucht wie folgt definiert: „inniges, schmerzliches Verlangen nach jemandem, etwas“. Ich muss gestehen, dass ich Sehnsucht nie mit etwas „Schmerzlichem“ verbunden habe. Zumindest früher nicht. Gleichzeitig zeigt die Definition des Duden, dass es sich um etwas nicht wirklich greifbares, sondern vielmehr um ein sehr starkes Gefühl handelt. Das wiederum trifft auch auf meine persönliche Empfindung von Sehnsucht zu. Was ich festhalten kann, ist, dass Sehnsucht etwas Abstraktes ist. Ein abstraktes Konzept, das individuell definierte Träume und Wünsche umfasst, die laut Definition schwer zu erfüllen sind.
Ich habe mich hingesetzt und mich auf meine persönlichen Sehnsüchte konzentriert, denn immerhin geht es hier um die individuellen und vermutlich teils auch geheimen Träume einer*s jeden. Als erstes ist mir aufgefallen, dass sich mein Verhältnis zu Sehnsucht verändert hat. Früher habe ich immer lächelnd und freudig auf etwas hingeträumt oder von etwas geträumt. Sehnsucht war etwas positives. Es war etwas, auf das ich hinarbeiten, auf das ich mich freuen, mir selber erfüllen oder einfach nur von träumen konnte. Zukunftsträume wie später eine eigene kleine Bibliothek zu besitzen oder die gesamte Welt bereist zu haben und am besten gleichzeitig einen tollen Job, der mir Spaß macht, und vier Kinder und ein lautes chaotisches Haus mit Haustieren zu haben. Natürlich realisierbar, dennoch nicht selbstverständlich erreichbar und leicht utopisch. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war häufig ein bestimmtes örtliches Ziel, ein gewisser Status oder auch das stumme Beten dabei, später genug Geld zu haben und sich keine Sorgen mehr um die Zukunft oder eventuell existierende Kinder zu machen.
Inzwischen haben sich meine Sehnsüchte natürlich ein wenig verändert. Oder nennen wir es mal so: Anderes ist in den Vordergrund gerückt. Das, wonach ich dieses Mal Sehnsucht hatte, hat mich beinahe ein wenig erschreckt. Auch habe ich festgestellt, dass mein Sehnen, Träumen und Wünschen gegenüber, nicht mehr positiv, sondern eher schmerzvoll geworden ist. Das liegt – zumindest teilweise – daran, dass meine Sehnsüchte sich einerseits verändert haben und gleichzeitig viel stärker sind als früher. Die Kernpunkte sind sehr viel profaner. Heute sehne ich mich nach Tanzen, Reisen im ganz grundsätzlichen Sinne, Freiheit in jeglicher Hinsicht und… im Grunde wieder ich sein zu dürfen. Bisher hatte ich immer Sehnsucht nach Dingen der Superlative, die toll wären, wenn sie in Erfüllung gingen, im Endeffekt aber relativ utopisch sind. Vor allem alles zusammen. Jetzt habe ich die schlichte und schmerzende Sehnsucht danach, wieder glücklich sein zu dürfen und einfach nur das tun zu können, worauf ich Lust habe. Selbstverständlich weiß ich, woran das liegt, denn ich bin mit Sicherheit nicht die Einzige, deren Sehnsüchte sich in den letzten anderthalb Jahren verändert haben. Dennoch stimmt es mich traurig. Gleichzeitig macht es mir bewusst, was Sehnsucht, echte Sehnsucht, eigentlich bedeutet. Wobei wir natürlich immer noch Luxusprobleme hier in Deutschland haben. Trotzdem finde ich erschreckend, dass Sehnsucht für mich nichts Schönes mehr ist. Ich liege nicht mehr lächelnd da und erträume mir eine utopische, perfekte Welt. Stattdessen ist die Sehnsucht etwas Schmerzvolles geworden. Gleichzeitig… ist sie das ja auch per Definition. Worüber beschwere ich mich also?
„Im Grunde hängt das doch von uns ab, oder?“
Wieder weg von meinen persönlichen Sehnsüchten und zurück zum Begriff selbst. Wie bereits gesagt, ist und bleibt Sehnsucht ein abstrakter Begriff. Es ist eine Art Wunsch, ein Bedürfnis nach etwas, das bei jedem sehr individuell und persönlich ausfällt, weil es um unsere Träume und unsere Wünsche geht, die zumindest teilweise unerfüllbare Sehnsüchte sind oder dazu werden. Auch ändern sich Sehnsüchte je nach Situation und Lebenslage. Natürlich gibt es grundlegende Sehnsüchte wie Liebe, Geld, Gesundheit, Glück, wonach sich vermutlich ein*e jede*r irgendwie auf seine ganz eigene Weise sehnt. Trotzdem ist es interessant, sich mal auf die Reise zu begeben und sich mit seinen eigenen Sehnsüchten auseinanderzusetzen, vielleicht sogar, ihnen Gehör zu schenken. Am Ende kann sich ein*e jede*r schließlich nur selbst glücklich machen. So könnten wir doch zumindest versuchen, eine Sehnsucht oder einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, denn im Grunde hängt das doch von uns ab, oder?
Von Katrin Steinhausen
Beitrag erstellt am: 16.04.2022 um 20:14 Uhr
Letzte Änderung am: 16.04.2022 um 20:14 Uhr
Über Katrin Steinhausen
… ist eine leicht verrückte Labertasche voller Energie. Wenn sie nicht gerade in ihrer geliebten Heimat Köln ist, reist sie als Weltentdeckerin umher und macht die Welt zu ihrem Zuhause. Sie tanzt leidenschaftlich gerne auf Latino-Rhythmen und fühlt sich in anderen Sprachen und Mentalitäten am wohlsten. Auch wird sie hinter der Kamera zum Paparazzo und denkt sich in ihrer Freizeit Geschichten aus, die sie auch gerne zu Papier bringt. Der Journalismus hat sie schon immer begeistert und bietet ihr die Möglichkeit zu hinterfragen, zu berichten und ihr wichtige Themen anzusprechen.