Wir brauchen Hochschule für alle!

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In welchen Formen können Studierende an der Universität zu Köln teilhaben? Mit welchem Blick begegnen sie dem Studienalltag digital und in Präsenz und auf welche Barrieren stoßen sie dabei? Hier zu sehen ist eine Facette vom Blick auf die Albertus Magnus Statue mit dem Hauptgebäude im Hintergrund. Foto: / .

Inklusion und Barrierefreiheit im Studium.

Im letzten Jahrzehnt haben die Studierendenwerke und Hochschulen Beratungsangebote geschaffen, Barrieren reduziert und Aktionspläne für die konkrete Umsetzung erarbeitet. Trotzdem gibt es noch zahlreiche Barrieren, die den Studienalltag erschweren. Denn Inklusion bedeutet, dass alle Menschen mit und ohne Behinderung ganz natürlich und selbstverständlich miteinander leben und dazugehören. Wenn alle Menschen an einer inklusiven Gesellschaft teilhaben können, dann ist es auch normal verschieden zu sein. Jede*r soll also akzeptiert werden, wie er*sie ist. Im Jahr 2006 trat das Übereinkommen über die Rechte für Menschen mit Behinderungen der Vereinten Nationen in Kraft und gilt seit 2009 auch in Deutschland. Die UN-Behindertenrechtskonvention konkretisiert die universellen Menschenrechte für Menschen mit Behinderungen und fordert Selbstbestimmung, Teilhabe und Gleichstellung. Auch die deutschen Hochschulen sind dazu verpflichtet, die Werte und Ziele der Konvention in die Tat umzusetzen. Inklusion an Hochschulen beinhaltet, dass allen Studierenden der Zugang zur Bildung gewährt und niemand aufgrund einer Behinderung oder Beeinträchtigung benachteiligt wird.

Studieren mit Beeinträchtigung

Laut der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks haben elf Prozent der Studierenden in Deutschland eine oder mehrere Beeinträchtigungen, die das Studium erschweren. Besonders studienerschwerend sind psychische Erkrankungen (53 Prozent), chronisch-somatische Erkrankungen (20 Prozent), Teilleistungsstörungen (etwa Legasthenie), andere länger andauernde Beeinträchtigungen (beispielsweise Tumorerkrankungen oder die Autismus-Spektrum-Störung) sowie Hör-, Sprech- und Sehbeeinträchtigungen. Es handelt sich also um eine sehr heterogene Gruppe mit individuellen Bedürfnissen und Herausforderungen. Zudem unterbrechen Studierende mit Behinderung häufiger ihr Studium oder wechseln die Hochschule beziehungsweise das Studienfach. Oftmals benötigen sie auch mehr Zeit für einen Abschluss als Studierende ohne Beeinträchtigung.

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Inklusion an der Uni Köln

Die Universität zu Köln hat einen eigenen Aktionsplan für Inklusion erarbeitet, der im Zeitraum von 2020 bis 2024 umgesetzt werden soll. Darin werden Handlungsziele und Maßnahmen für die tatsächliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention konkretisiert. Das Servicezentrum Inklusion (SZI) sowie das autonome Referat Studieren ohne Schranken (SOS-Referat) des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) bilden zwei der zentralen Anlaufstellen für das Studium mit Behinderung an der Uni Köln. Das Servicezentrum Inklusion ist ein Angebot der Zentralen Studienberatung und des Beauftragten für Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung. Hier werden zahlreiche Beratungs- und Serviceangebote bereitgestellt, um die Studierenden zu unterstützen. Es gibt zum Beispiel einen Service für Literaturumsetzung, Unterstützung bei der Beantragung eines Nachteilsausgleichs und weitere Hilfsmittel und Maßnahmen, die den Studienalltag erleichtern. Darüber hinaus hilft das Servicezentrum Inklusion auch bei der Studien- und Lernorganisation und bietet eine psychologische Beratung an. „Viele Lösungen sind sehr individuell und unser Anliegen ist es, die Studierenden nicht allein zu lassen und in diesem Dickicht an Unterstützungsmöglichkeiten auch das richtige Angebot zu finden“, betont Frieder Schumann vom Servicezentrum Inklusion. Seit 2018 unterstützt das SOS-Referat Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen an der Uni Köln. Das Referat besteht nur aus Studierenden, vertritt die Interessen von Studierenden mit Beeinträchtigungen und engagiert sich für deren Rechte. Ihr Hauptanliegen ist es, die nötigen Informationen bereitzustellen und die Barrierefreiheit zu verbessern.

Barrierefreiheit in der Online-Lehre

In den letzten drei Semestern fielen einige Barrieren weg, weil die Studierenden nicht mehr zur Universität kommen konnten. Für viele Studierende ermöglichen der Wegfall der Anwesenheitspflicht und der erweiterte Zugang zu digitalen Lehrmaterialien und Online-Aufzeichnungen von Lehrveranstaltungen mehr zeitliche Flexibilität. Insgesamt können auch mehr Hilfsmittel eingesetzt werden. Allerdings hat Zoom auch neue Barrieren geschaffen. Zum Beispiel erzeugen die eingeschränkten Organisations- und Wahrnehmungsmöglichkeiten in der Online-Lehre höhere Anstrengung oder Stress für Menschen, die Probleme mit der Aufmerksamkeitsfokussierung haben. Auch Personen mit Hör- oder Sehbeeinträchtigungen sind mit neuen Herausforderungen und Barrieren konfrontiert, denn oftmals werden Kameras im Zoom-Meeting nicht eingeschaltet oder der Inhalt einer geteilten Bildschirmpräsentation kann nicht wahrgenommen werden.

„In den letzten drei Semestern fielen einige Barrieren weg. Allerdings hat Zoom auch neue Barrieren geschaffen.“

Teilweise wurden für diese neu entstandenen Barrieren bereits Lösungen gefunden. Zum Beispiel haben Studierende mit einer Hörbeeinträchtigung das Recht auf eine Schrift- und Gebärdensprachdolmetschung oder sie können automatische Untertitel verwenden. Zudem hilft es, wenn die Dozierenden ihre Veranstaltungen gut planen und verständlich durchführen, um mehr Übersichtlichkeit und Klarheit zu gewährleisten. Letztendlich geht es immer darum, dass der Zugang zur Lehre und zu den Prüfungen barrierefrei ermöglicht wird, was oftmals sehr individuelle Lösungen erfordert. Ansonsten haben das SOS-Referat und das Servicezentrum Inklusion im vergangenen Jahr beispielsweise ein online Peer-to-Peer-Beratungsangebot eingerichtet, um die Studierenden während der Online-Lehre bei der Gestaltung ihres Studiums zu unterstützen. Darüber hinaus wandten sich viele Studierende an die psychologische Beratung des Servicezentrum Inklusion, weil sie durch die Pandemie sozial isoliert und psychisch belastet waren. Nachdem zunehmend längere Wartezeiten entstanden sind, hat die Uni Köln entsprechend reagiert und die Beratung personell erweitert.

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Und in Zukunft?

„Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es das SOS-Referat weiterhin gibt und sich jemand darum kümmert, dass das Wissen und die Informationsdichte bewahrt bleiben“, meint Moritz Raykowski vom SOS-Referat. „In der Praxis gibt es noch sehr viele Studierende, die vor Dozierenden stehen, die sich querstellen und den Raum nicht wechseln oder keine Materialien herausgeben. Wenn du individuelle Leute fragst, dann gibt es da noch einige Probleme, weil es sich um individuelle Fragen handelt und die konkrete Situation für die Betroffenen immer härter ist. Die wirkliche Herausforderung bei der Umsetzung ist es, zu begreifen, dass Inklusion nicht die eine Universallösung ist, sondern sehr facettenreich und individuell. Ich wünsche mir, dass ich irgendwann lese, dass der Aktionsplan Inklusion wirklich Ende 2024 realisiert wurde. Wenn die guten Dinge, die man jetzt will, auch angegangen werden und nicht nur leere Versprechungen sind, dann gehen wir in eine gute Richtung. Das ist schon viel wert.”

„Inklusion ist nicht die eine Universallösung, sondern sehr facettenreich und individuell.“

Auch Frieder Schumann sieht noch viele Möglichkeiten, um den Studienalltag inklusiver und barrierefreier zu gestalten: „In meiner Wunschvorstellung sollten sich alle Hochschulangestellten mit Universal Design und den unterschiedlichen Ressourcen und Bedarfen der Studierenden beschäftigen und gut kommunizieren. Ich würde mir wünschen, dass alle mit anpacken und dass alle Lehrende und Studierende mit offeneren Augen durch die Welt gehen. Sie müssen noch stärker dafür sensibilisiert werden, dass nicht alle Menschen gleichermaßen teilhaben können. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die Uni Köln auf allen Ebenen berücksichtigt, dass Menschen nicht diskriminiert werden, dass sie keine Barrieren in den Weg gestellt bekommen und dass diese Barrieren weiter abgebaut werden.” Das notwendige Bewusstsein für Inklusion ist also inzwischen in den deutschen Hochschulen angekommen und im letzten Jahrzehnt wurden viele wirksame Maßnahmen durchgesetzt. Trotzdem bleibt noch großes Handlungspotenzial bestehen, um in Zukunft die Hochschulen für alle gleichermaßen zugänglich zu machen.

Literaturumsetzung: Digitalisierte Literatur wird barrierefrei aufbereitet, damit diese auch von einem Screenreader gelesen werden kann und somit auch für Menschen mit einer Sehbehinderung zugänglich ist.
Universal Design: Gestaltung von Produkten und Umgebungen, die von allen Menschen im größtmöglichen Umfang genutzt werden können, ohne dass eine Anpassung notwendig ist.

Wegweiser Inklusion Uni Köln
Aktionsplan Inklusion Uni Köln
21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks
Datenerhebung “beeinträchtigt studieren – best2”

Von Eileen Michalski

Beitrag erstellt am: 30.01.2022 um 10:00 Uhr
Letzte Änderung am: 30.01.2022 um 10:00 Uhr