Suchmaschinen sind in unserem Alltag allgegenwärtig. Jede*r nutzt nahezu täglich Suchmaschinen – ob unterwegs auf dem Handy, auf der Arbeit am Computer oder zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten beim Abendessen. Gesucht werden ganz verschiedene Informationen wie Restaurants in der Nähe, der Weg zu den Kund*innen, die aktuellsten Nachrichten, Wissen, medizinische Fragestellungen oder Ratschläge für den Beruf oder das Privatleben. Das Suchen als Tätigkeit ist mittlerweile unsichtbar. Suchmaschinen sind fester Bestandteil der Infrastruktur, die jeden umgibt. Dabei bleibt unbemerkt, welchen starken Einfluss die Suchmaschinen auf das eigene Leben, aber auch auf das Leben der Gesellschaft haben und diese mitformen. Dies ist umso bedenklicher, da die Interessen, Werte und Weltvorstellungen der Suchmaschinenanbieter von denen der Nutzer*innen divergieren.
Die Nutzung einer Suchmaschine hat sehr konkrete physikalische und materielle Auswirkungen, obwohl sie in der Regel im Internet genutzt wird und digital ist. Dies umfasst die Auswahl der Suchmaschine, die Formulierung der Suchanfrage, die Infrastruktur und Algorithmen der Suchmaschine und die Präsentation der Ergebnisse. Außerdem wählen Nutzer*innen zuletzt ein konkretes Ergebnis. Die Auswahl der Suchmaschine ist in der Regel unterbewusst. Von den Geräten, die zum Suchen genutzt werden, wird ein Suchmaschinenanbieter bevorzugt: die Standardsuchmaschine im Browser, oder es gibt keine Wahl wie bei Suchmaschinen in Anwendungen. Es wurde herausgefunden, dass die Entscheidung Google zu öffnen meistens unreflektiert stattfindet. Dass googeln ein Synonym für Suchen geworden ist, hebt diese Unsichtbarkeit hervor.
Nach dem Öffnen der Suchmaschine müssen Nutzer*innen ihre Suchanfrage formulieren. Hierbei gibt es nach den ersten Zeichen oder Worten Vorschläge für die Formulierung des Search Queries (englisch fachsprachlich für die Suchanfrage). Neben dem suggestiven Einfluss gibt es aber auch sogenannte Blacklists. Das sind Listen, die verbotene Suchinhalte beinhalten, und diese Suchen werden teilweise gefiltert oder zumindest in den USA mit richterlichem Beschluss an Behörden gemeldet. Die Suchmaschinenanbieter als private Unternehmen entscheiden in diesem Zusammenhang, welche Informationen gefunden werden können oder nicht. Daher haben Suchmaschinen soziale Verantwortung. Google hat zum Beispiel Einfluss auf den politischen Diskurs. Im Israel-Palästina Kontext waren zwei verschiedene Begriffe mit sehr unterschiedlichen politischen Meinungen und Narrativen im Umlauf. Die Google-Bildersuche mit dem von Palästina geprägten Begriff „apartheid wall“ ergab Bilder einer massiven Wand, während der israelische Begriff „security fence“ einen harmlos aussehenden, teils eingerissenen Zaun zeigte, obwohl die beiden Begriffe sich auf dasselbe Bauwerk beziehen.
Die Rückgabe der Ergebnisse erfolgt in der Regel in Form einer Liste. Dies suggeriert, dass die Ergebnisse absteigend nach ihrer Relevanz zurückgegeben wurden. Die Suchalgorithmen basieren auf dem „Wisdom-of-the-Crowds“ Prinzip und werten Quellen als relevanter, die häufiger besucht und verlinkt werden. Außerdem können Informationsanbieter im Internet mithilfe von Search Engine Optimisation (englisch fachsprachlich für Verbesserung der Webseite für Suchmaschinen) oder durch Werbeanzeigen bei den Suchmaschinen ihre Position in den Ergebnissen verbessern. Da die Nutzer*innen kognitiv mit den Millionen und Milliarden an Ergebnissen überfordert wären, schneiden viele Suchmaschinen auch die Ergebnisse ab und geben nur einen Ausschnitt zurück. Nutzer*innen nehmen überwiegend nur die ersten Ergebnisse wahr und verstehen aufgrund der Komplexität die Zusammenstellung der Ergebnisse nicht. In derSortierung und Aufbereitung von Informationen machen Suchmaschinen bei der Rückgabe daher redaktionelle Arbeit, aber – im Gegensatz zu Journalist*innen oder Bibliothekar*innen – übernehmen sie keine redaktionelle Verantwortung.
Die überwiegend kommerziellen Suchmaschinen entstanden in einem Technik-euphorischen Klima der Innovation und Privatisierung. Sie manifestieren das sozio-politische Klima mit und sind ausschließlich auf Geld-, Macht- und Einflussmaximierung fokussiert. Dabei klassifizieren sie Informationen, Personen und die Beziehungen in der Welt. Sie zielen auf eine vollständige Auffindbarkeit und Verwendbarkeit der Informationen in der Welt ab. Durch die Kommerzialisierung und die Omnipräsenz der Suche ist „Gefunden-werden“ heutzutage ein Wettkampf, der kleinere (Informations-)Anbieter aus dem Markt drängt. Nutzer*innen werden als unmündig behandelt und können schwer Einfluss auf die Auswahl der Ergebnisse nehmen, da die Suchmaschinenanbieter versuchen, das Suchen unsichtbar und geheim zu halten. Das heißt, dass Nutzer*innen nicht merken sollen, dass sie suchen, wie sie suchen und wie die Ergebnisse zustande kommen.
Die Gestaltung und Algorithmen der Suchmaschine beeinflussen stark, welche Informationen gefunden und somit wahrgenommen werden. Jedoch ist kein Klassifikationssystem vollständig oder natürlich. Ein natürliches Klassifikationssystem müsste eine Struktur haben, die sich aus der Natur der Dinge selbst ergibt und nicht durch menschliche Konstruktion entstanden ist. Google ist nicht transparent, während es zugleich Standards setzt, technologische Infrastruktur festlegt und eine Klassifikation der modernen Welt vornimmt.
Jemand, der die von Google gesetzten Standards ablehnt, ist ausgeschlossen aus der digitalen Welt. Als Restaurant ist es zum Beispiel wichtig, von potenziellen Kunden gefunden zu werden. Aufgrund der Omnipräsenz und Dominanz von Google sind sie, um bestehen zu können, gezwungen, auf Google präsent zu sein. Google legt aber ganz genau fest, wie ein Restaurant aufgeführt ist. Außerdem behält Google sich vor Einträge zu sperren oder gar nicht erst freizugeben.
Für Nutzer*innen ist eine Suchmaschine der Einstiegspunkt, also das Tor zum Internet. Die Auswahl einer Suchmaschine beeinflusst somit unseren Blick in die Welt.
Von Anaïs Siebers
Beitrag erstellt am: 22.11.2024 um 07:59 Uhr
Letzte Änderung am: 22.11.2024 um 07:59 Uhr
Über Anaïs Siebers
… promoviert in Philosophie und hat einen Hintergrund in Informatik und Cognitive Science. Sie interessiert sich für Mensch-Maschine-Interaktion, künstliche Intelligenz, Kognition und Wissen. Auch Sprachen, Kulturen und die kleinen Eigenheiten, die jede von ihnen so besonders machen, faszinieren sie. In ihrer Freizeit malt sie gerne und probiert dabei oft neue Techniken und Motive aus.