Raus aus dem Käfig der Männlichkeit

Yves (links) und Jonathan (rechts).
Yves (li.) und Jonathan (re.) konnten den Storytellers-Wettbewerb für sich entscheiden. Foto: privat..

Auch Männer haben Gefühle, das wissen wir nicht erst seitdem Herbert Grönemeyer sie besungen hat. Genau dieser Thematik widmen sich nun zwei Studenten aus Babelsberg mit ihrer Serie Softies.

Girls, Sex and the City, Lipstick Jungle oder auch Pretty Little Liars – diese Serien eint nicht nur ihr englischer Titel, sondern auch, dass sie den Alltag sowie die Gefühlswelt von Frauen beleuchten. Pendants, die genau solche Geschichten aus der Perspektive von männlichen Protagonisten erzählen, gibt es hingegen kaum. Serien und Filme zeigen überwiegend ein bestimmtes Bild von Männern und Männlichkeit. Ob nun James Bond, Barney Stinson aus HIMYM oder Charlie Harper aus Two and a half Men, all diese Figuren ähneln sich in gewisser Weise. Sie sind natürlich attraktiv, schlagfertig und beruflich erfolgreich. Dank ihres immensen Selbstbewusstseins kann (zumindest scheinbar) keine Frau ihnen widerstehen. Gefühle von Unsicherheit oder Unzulänglichkeit kennen sie nicht. Eine Serie, die sich allerdings in authentischer Weise mit der alltäglichen Lebens- und Gefühlswelt von Männern auseinandersetzt, fehlt bislang. Diese Lücke wollen nun zwei junge Studenten aus Berlin schließen. Ich treffe Yves Guillaume und Jonathan Westphal via Zoom, um mit ihnen über ihr Serienprojekt Softies zu sprechen, das im Vorjahr den Storytellers-Wettbewerb von RTL+ gewinnen konnte und nun kurz vor der Realisierung steht. Während unserer 45-minütigen Unterhaltung haben wir reichlich Gesprächsstoff: Wir sprechen natürlich über das Studium an der Filmuniversität Babelsberg, den gemeinsamen Schreibprozess von Softies, Männlichkeit im 21. Jahrhundert und die beiden verraten mir, worauf sie sich in den nächsten Monaten besonders freuen.

Der Weg an die Filmuniversität

Wir starten das Gespräch mit der Frage, wie die beiden eigentlich zu ihrem Studienfach Drehbuch und Dramaturgie an der Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg gekommen sind. Beide sind nicht direkt nach der Schule an die Uni weitergezogen, sondern sammelten erst mal eine Reihe verschiedener Erfahrungen. Yves erzählt, dass er schon im Teenager-Alter vom Medium Film begeistert war. „Mir war schon so mit 14 klar, dass ich etwas mit Film machen möchte. Ich habe damals sehr viele Filme geguckt, sogar mehr als Serien. Ursprünglich wollte ich Regisseur werden, wusste aber nie so wirklich, wie ich da hinkomme.“  Schließlich begann er ein Medienmanagment-Studium. Durch einen Austausch mit einer Filmuniversität in Frankreich festigte sich dann der Entschluss, Regisseur zu werden, und Yves begann parallel zu seinem Job als Fernsehjournalist ein Regie-Studium in Berlin. Er merkte dann jedoch, dass das noch nicht ganz das Richtige für ihn war. Die Lektüre eines Buchs zum Thema Drehbuch-Schreiben war für ihn eine Art Schlüsselmoment: „Das hat meine ganze Wahrnehmung verändert, weil ich gemerkt habe, dass das Schreiben von Drehbüchern ebenso wie die Regiearbeit eine Kunst und auch ein Handwerk ist, das man lernen muss.“ Jonathan stieß auf seine Leidenschaft für das Schreiben, als er begann, Texte für eigene Auftritte zu schreiben: „Meinen Zugang zum Schreiben habe ich vor allem durch die Stand-up-Comedy entdeckt. Ich habe da viel auf kleinen Berliner Bühnen gemacht und gelernt, wie man solche Texte schreibt. Ich konnte mich da sehr jung schon viel ausprobieren, das war sehr cool.“

Auch wenn die Wahl der Uni sowohl für Jonathan als auch für Yves eher eine zufällige war, erwies sie sich im Nachhinein aber als goldrichtig. Denn beide fühlen sich nicht nur sehr wohl an der Filmuniversität, sondern schätzen vor allem, dass sie einander in Babelsberg kennengelernt haben. Gemeinsam beschäftigen sie sich natürlich begeistert mit Filmen, Serien und den dazugehörigen Drehbüchern, aber sie haben sich auch darüber hinaus im privaten Bereich gegenseitig positiv beeinflusst, wie sie mir verraten.

Eine inspirierende Joggingrunde

Über den Weg von der Idee zum Drehbuch möchte ich natürlich unbedingt mehr wissen. Wie so oft im Leben kam die Idee zur Serie eher zufällig und war nicht das Ergebnis gezielter Überlegungen. Im Frühjahr 2023 war Yves mit einem Freund joggen. Währenddessen unterhielten sie sich über emotionale Themen. Danach fiel ihm auf, wie selten er solche Gespräche mit männlichen Freunden führt. Gleichzeitig fragt er sich: Warum gibt es zu dieser Thematik eigentlich keine Serie? Wieder zu Hause angekommen, kontaktierte er Jonathan und teilte seine Gedanken mit ihm. Dieser fand die Thematik ebenfalls spannend und gemeinsam begannen die beiden, ihr Serienkonzept zu entwickeln. Schnell waren sie sich dann auch sicher, dass sie mit dieser Idee beim Storytellers-Wettbewerb von RTL + teilnehmen wollen. Jonathan verrät über den Schreibprozess: „Wir waren uns relativ schnell einig, dass das unsere Storytellers-Serie sein soll. Problem war nur: Wir waren schon etwas spät dran! Es waren noch so zwei bis drei Monate bis zur Abgabe. Wir haben uns dann mehrmals die Woche getroffen und erst mal nur an den Figuren gearbeitet.“ Die Handlung haben die beiden in der Anfangsphase erst mal weniger stark fokussiert. Yves ergänzt dazu: „Wir hatten zwei Schwerpunkte, der eine lag klar auf den Figuren. Als Autoren sind wir fasziniert von Menschen, uns interessieren spannende Figuren, manchmal vielleicht sogar mehr als der Plot. Der zweite Schwerpunkt war das Thema Männlichkeit. Es geht um junge Männer, die versuchen, vieles besser zu machen, die sich mit Feminismus auseinandersetzen und auch versuchen, über ihre Gefühle zu reden. Gleichzeitig merken sie aber auch, wie schwierig das zum Teil ist. Wir wollten zeigen, dass viele ihrer Probleme mit einem problematischen Verständnis von Männlichkeit zusammenhängen.“

Nach und nach entwickelten die beiden gemeinsam vier Figuren, von denen nun drei tatsächlich die Protagonisten ihrer Serie geworden sind. Handlungsort von Softies ist eine deutsche Großstadt. Diese Tatsache war kein Zufall, wie Jonathan erklärt: „Wir haben geguckt, wo ist dieses Thema noch selten bearbeitet, wo ist es besonders spannend? So kamen wir dann auf die Großstadt, auf unser eigenes Umfeld. Da denkt man häufig, man wäre schon viel weiter. Klischees von toxischer Männlichkeit im Holzfällerhemd auf dem Land hat man vielleicht schon häufiger gesehen und das ist auch sehr leicht durchschaubar. Aber zu sehen, wie junge Männer in der Großstadt immer noch in einem Käfig von Männlichkeit stecken und nicht über ihre Gefühle sprechen können, das war für uns sehr reizvoll.“

Yves und Jonathan war es bei der Entwicklung ihres Serienkonzepts zudem wichtig, eine gewisse Normalität zu zeigen und Probleme sowie Situationen zu behandeln, mit denen sich männliche Zuschauende identifizieren können. Yves führt dazu aus: „Wir zeigen Probleme, die viele junge Männer haben, diese Probleme wurden bisher in Serien und Filmen nur nicht so in den Fokus gestellt. Häufig geht es da entweder um das Aufklären von Kriminalfällen oder darum, super erfolgreich zu sein. Aber es geht nie um Fragen wie, hey, ich habe Probleme mit meiner Freundin. Als Jugendlicher hätte ich gerne Serien gesehen, die auch solche Themen zeigen.

Männer und Männlichkeit werden in den Medien häufig leider sehr undifferenziert und eindimensional dargestellt, somit fehlen natürlich auch Vorbilder, die zeigen, dass Männlichkeit viel mehr umfasst als uns Barney Stinson und Dwayne Johnson glauben machen wollen. Jonathan führt in diesem Zusammenhang aus: „Häufig wird durch die Medien suggeriert, dass du nur ein Mann bist, wenn du funktionierst und etwas leistest. Du musst deine Männlichkeit eigentlich den ganzen Tag unter Beweis stellen. Da fehlen dann einfach manchmal die Vorbilder, die zeigen, dass es auch anders geht.“

Serien, die sich mit dem Thema Dating und Männer beschäftigen, bleiben meist oberflächlich, eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Gefühlen bleiben aus, emotionale Ambivalenzen der Protagonisten werden eigentlich immer vollständig ausgeklammert. Dabei ist genau das ein wichtiger Aspekt, in dem auch ein großes Potenzial für vielschichtige Figuren liegt. Jonathan fasst diese Thematik sehr treffend in einem Satz zusammen: „Du merkst gar nicht, was du brauchst, weil du nur denkst, was du sein musst. Du merkst gar nicht, was du eigentlich fühlst, weil du nur denkst: Ich muss doch der Typ sein.“ Dieser Satz bleibt mir auch nach unserem Gespräch im Gedächtnis und ich denke, dass er in unserer digitalen Hochleistungsgesellschaft auch für Frauen Gültigkeit hat.

Softies – von modernen und gesunden Männern

Schließlich kommen wir auf den Titel der Serie zu sprechen, Softies. Was verbirgt sich hinter diesem prägnantem Wort, sind moderne Männer Softies? Jonathan sagt dazu: „Bei uns geht es weniger um den ‚modernen‘, sondern eher um den gesunden Mann. Modern hat etwas Modisches, davon wollen wir eigentlich etwas wegkommen. In der Serie wollen wir ergründen: Was ist der moderne Mann hinter den Codes, den Songs, den Outfits? Unser Serientitel ist ironisch und unironisch zugleich. Softie ist für unsere Figuren immer noch ein Angstbild. Sie haben immer noch Angst, Softies zu sein, und sie sind es irgendwie. Vielleicht ist auch jeder Mann irgendwo ein Softie, das möchten sich viele nur nicht eingestehen. Ich denke, es geht auch ein Stück weit darum, den eigenen Softie zu akzeptieren, um gesund zu bleiben.“ Ein weiteres zentrales Thema in der Serie ist zudem das Thema Einsamkeit, vor allem bei jungen Männern. Über diesen Punkt waren sich Jonathan und Yves allerdings selbst erst mal gar nicht bewusst. Erst bei einem Pitch in der Uni fiel es den beiden auf: „Nachdem wird das Konzept vorgestellt hatten, meinte unser Dozent: Für mich sind die Protagonisten sehr einsame Figuren. Jonathan und ich mussten erst mal lachen, weil wir die Figuren ursprünglich nie so angelegt hatten“, berichtet Yves.

Ebenfalls erkenntnisreich für beide waren die Reaktionen ihres Umfelds auf den Serientitel. „Es gibt eine klare Grenze ab dem Alter 40. Alle Männer unter 40 sagen, genialer Titel, das ist eine richtig gute Idee. Alle Männer über 40 sagen, nee, das guckt sich doch keiner an! Man merkt richtig, dass es da noch richtig Angst vor dem Begriff gibt“, erzählt Jonathan schmunzelnd.

Drehstart im September

Abschließend verraten mir Jonathan und Yves noch, worauf sie sich in den nächsten Monaten besonders freuen. Zum einen ist es die Tatsache, dass die beiden ihre Vision von der Text- in die Bildform umsetzen können. Sie liefern nicht nur das Drehbuch und wirken bei der Besetzung mit, sondern sie werden auch die Regie übernehmen. „Es ist einfach toll, weil wir die Serie von der Grundidee bis zum Ende begleiten. Es ist selten, dass man den gesamten Prozess kreativ mitgestalten kann, und darauf freuen wir uns sehr“, berichtet Yves.

Außerdem freuen sich die beiden auf die Teamarbeit mit zahlreichen Kolleg*innen. „Wir arbeiten ganz eng mit unserem Produzenten, Eike Adler von der UFA, zusammen. Wir werden an seinen Entscheidungen beteiligt, und er ist ein toller Dramaturg für uns. Auch unsere Kamerafrau und unsere Szenografinnen haben schon total viel mit reingebracht. Das macht einfach viel Spaß“, beschreibt Jonathan die gemeinsame Arbeit an der Serie. Yves ergänzt dazu: „Jede*r darf sich einbringen, wir verfolgen einen kollaborativen Arbeitsstil und stellen uns die Zusammenarbeit wie eine Art Dialog vor. Wir interessieren uns sehr dafür, was die Kolleg*innen sehen.“ Beide empfinden die Perspektive und die Expertise des gesamten Teams als gewinnbringend.

Die Dreharbeiten beginnen im September, wann genau die Serie auf RTL+ zu sehen sein wird und wo die Premiere stattfinden wird, ist hingegen noch offen.

Was jedoch feststeht ist, dass Yves Guillaume und Jonathan Westphal mit Softies eine Serie schaffen wollen, die sich in authentischer Weise, aber auch mit einem humorvollen Augenzwinkern mit der Gefühlswelt von jungen Männern auseinandersetzen möchte. Es geht um zentrale Themen wie Beziehungen, nicht nur um die zu anderen Menschen, sondern auch zu sich selbst. Statt glatt polierter Vorzeigefiguren versuchen die beiden vielschichtige Protagonisten zu schaffen, die auch mit Widersprüchlichkeiten zu kämpfen haben. Und das ist sicherlich nicht nur für Männer sehenswert.

Von Mariann Schneider

Beitrag erstellt am: 08.08.2024 um 08:52 Uhr
Letzte Änderung am: 08.08.2024 um 09:09 Uhr

... studiert im Master Medienwissenschaft und Medienrecht. In ihrer Freizeit ist sie gerne im Kino oder in einem der zahlreichen Cafes in Köln. Genau so gerne flaniert sie durch den Stadtwald oder liest ein gutes Buch auf dem Balkon, am liebsten von Agatha Christie.