Abenteuer Rassismus

Unser Autor Alex Miko wurde selbst Opfer von Rassismus bei seinem Praktikum bei der Stadt Köln. Foto: RoonzNL / Pixabay.

Ein Erfahrungsbericht.

Ich wollte eigentlich einen Artikel über mein Verwaltungspraktikum im Rahmen meines Jurastudiums beim Einwohnerwesen der Stadt Köln schreiben. Doch dann ereilte mich ein Ereignis, welches ungleich besser für einen Artikel geeignet ist, da es mich sehr viel persönlicher betrifft. Ich wurde Opfer eines rassistischen Angriffs.

Der Vorfall

Im September 2023 war ich an einem Montagmorgen um 7.30 Uhr auf dem Weg zu meinem Praktikum in Köln Kalk. Als ich in die Bahn einstieg, wurde ich von einer Frau rassistisch beleidigt. Grund- und zusammenhanglos beschimpfte sie mich als „Kanacke“ und meinte, ich solle dahin zurück gehen, wo ich hergekommen sei. Obwohl es in mir bereits brodelte, versuchte ich ruhig und sachlich zu bleiben, was jedoch nichts half. Rasch mischten sich auch andere Fahrgäste ein, was ein schönes Zeichen von Zivilcourage war, das ich sehr zu schätzen wusste. Doch die Frau beleidigte daraufhin wild die anderen Fahrgäste, die sich einmischten mit teils derben Worten. Die Fahrt war mittlerweile auch beendet und wir alle kletterten die Stufen aus der Straßenbahnhaltestelle empor. Auf die Frage eines Fahrgastes, warum sie denn so rassistisch sei, antwortete die Frau lediglich: „Ich bin halt Rassistin, na und?!“

Oben angekommen verlief sich die Menge und die Frau stürmte ebenfalls davon, nachdem sie mich noch weitere Male beleidigt hatte. Verwundert musste ich der Frau folgen, da sie offenbar denselben Arbeitsweg hatte.

Und siehe da, sie verschwand kurz vor meiner eigenen Dienststelle im Kalk-Karree der Stadt Köln mit einem Mitarbeiter*innenausweis durch den Mitarbeitereingang. Völlig entsetzt fragte ich einen Mann, der vor der Tür eine Zigarette rauchte, ob die Frau, die hier gerade reinkam, hier arbeiten würde. Dieser bejahte das und nannte mir sogar ihren Nachnamen.

Die Strafanzeige

Bereits in der Straßenbahn überlegte ich, ob ich Anzeige erstatten sollte. Den Gedanken verwarf ich jedoch rasch, da eine Anzeige gegen Unbekannt nur wenig Aussicht auf Erfolg haben würde. Doch mit der Arbeitsstelle und dem Nachnamen der Frau, sah ich realistische Chancen, dass etwas erreicht werden konnte. Zudem verstörte mich der Gedanke, was eine bekennende Rassistin in ihrer Tätigkeit bei der Stadtverwaltung anrichten könnte.

Ich rief die Polizei an, die mir zusicherte, dass ein Streifenwagen unterwegs sei. Ich traf beim Warten auf zwei Männer aus der Straßenbahn, die alles beobachtet hatten und sich bereit erklärten, als Zeugen auszusagen. Nach dreißig Minuten war jedoch immer noch keine Polizei zu sehen und auf Nachfrage erfuhr ich, dass das wohl auch noch dauern könne. Also ging ich zuerst zu meinem Praktikum, um nach der Arbeit bei der Dienststelle der Polizei persönlich vorzusprechen.

Dort nahm eine junge Kriminalkommissaranwärterin mein Anliegen relativ empathisch auf.

Die Stadt Köln

Ich meldete den Vorfall natürlich meiner Ansprechpartnerin , die mir im Rahmen des Praktikums zugewiesen wurde. Diese wusste nicht so recht, was denn getan werden könnte und meinte schließlich, ich solle die Integrationsbeauftragte der Stadt Köln kontaktieren. Nachdem meine Ansprechpartnerin mit ihrer Vorgesetzten Rücksprache gehalten habe, meinte sie, hier könne mir nicht weitergeholfen werden.

Die Integrationsbeauftragte verwies mich lediglich an den Integrationsrat der Stadt Köln, dem ich noch im September schrieb und von dem ich bis heute (Stand April 2024) keinerlei Rückmeldung erhalten habe.

Ich wandte mich auch an externe Beratungsstellen, wie das Antidiskriminierungsbüro der Caritas. Dort wurde ich wirklich enorm empathisch und freundlich empfangen und beraten. Meine zuständige Beraterin, Lara Nicolaysen, hat sich wirklich durch viel Engagement und Umsichtigkeit hervorgetan. Jedoch sind die Möglichkeiten solcher Stellen auch begrenzt, da diese letztlich nur auffordern und nicht auch einfordern können.

Ich schrieb auch der AGG-Beauftragten der Stadt Köln (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Doch der „Vorfall“ sei „nicht vom Schutz des AGG erfasst“. Aber die Stadt Köln weist darauf hin, dass solches Verhalten „keineswegs [ge]billigt“ werde. Was das jedoch konkret bedeuten sollte, weiß offenbar niemand.

Die Stadtverwaltung der Stadt Köln und auch die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, die im Juli 2023 noch eine Anti-Rassismus-Auszeichnung erhalten hat, meldeten sich bis heute (Stand April 2024) nicht bei mir zurück.

Die Pressestelle der Stadt Köln verweist auf die finanzielle Förderung von externen Beratungsstellen (wie beispielsweise die der Caritas), sowie auf ein zum Großteil freiwilliges Angebot an Fortbildungen für Mitarbeitende der Stadt Köln zum Thema Diversität. Außerdem sei für das Jahr 2024 innerhalb der Stadtverwaltung eine Erfassung und Beratung von Diskriminierungsfällen geplant. Weitere Fragen wollte die Pressestelle nicht beantwortet.

Eine Stelle der Stadt Köln war sogar der Auffassung, dass meine Behauptungen „mit Blick auf die Straftatbestände der §§ 164, 145d 186 StGB strafrechtliche Relevanz beinhalten“ und erwog, es „zur weiteren Bearbeitung an die zuständige Staatsanwaltschaft“ weiterzuleiten.

Für alle die, die keine Rechtswissenschaften studieren: man warf mir vor, ich hätte eine „Falsche Verdächtigung“ geäußert, um das „Vortäuschen einer Straftat“ zu ermöglichen, mit dem Ziel der „Üblen Nachrede“. Nachdem ich dieser Stelle mitgeteilt hatte, dass bereits ein Verfahren läuft und ich auch Zeugen benennen kann, hieß es lediglich, dass dem nachgegangen werde. Eine Entschuldigung blieb aus.

Die Polizei

Die polizeilichen Ermittlungen verliefen für mein persönliches Empfinden sehr langsam und schleppend. Die Polizei war keineswegs um einen transparenten Prozess bemüht und hat auf Rückfragen erst sehr zögerlich und dann überhaupt nicht mehr reagiert. Ich solle doch bitte „zur Kenntnis“ nehmen, dass „weitere Anfragen […] nicht mehr beantwortet werde[n]“.

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde verlief völlig ungehört im Sande.

Durch den Ratschlag der Caritas habe ich mich mit einem der Zeugen eigenständig zusammen gesetzt und ein Gedächtnisprotokoll, welches als schriftliche Zeugenaussage fungieren kann, niedergeschrieben, da die Polizei nach über einem Monat nicht einmal die Zeugen kontaktiert hatte.

Weiterhin gibt es am Tatort, der Haltestelle Kalk Post, seit 2022 eine stationäre Videobeobachtung der Kölner Polizei. Es erfolgt eine Überwachung „durch speziell geschulte Mitarbeitende der Polizei Köln rund um die Uhr“. Bedauerlicherweise war die Anlage zum Tatzeitpunkt nicht aktiv. Auf Fragen dazu wurde weder durch die zuständige Sachbearbeitung, noch durch die Pressestelle geantwortet.

Ende Oktober wurde ich von der Polizei als Beschuldigter geladen, da die Frau ausgesagt habe, dass ich sie beleidigt haben soll. Ich ging zur Dienststelle und wiederholte im Prinzip die gleiche Aussage wie bereits vor über zwei Monaten. Aus dieser gehen die Abläufe deutlich hervor und ich stellte explizit klar, dass die Vorwürfe unwahr und haltlos seien.

Die Politik

Angesichts so vieler Rückschläge habe ich mich irgendwann hilfesuchend an die Linksfraktion gewandt. Hier muss ich einfach hervorheben, wie unfassbar menschlich, rücksichtsvoll und kompetent die Menschen auf mich und mein Anliegen eingingen und es ernst nahmen.

Andrea Kostolnik – übrigens eine ehemalige philtrat-Autorin – und die Fraktionsvorsitzende Güldane Tokyürek begleiteten mich und schrieben die Oberbürgermeisterin ebenfalls an.

Hier kam schließlich von der Oberbürgermeisterin kurz vor Redaktionsschluss noch eine Antwort, die sich jedoch nur aus Phrasen zusammensetzte, die von verschiedenen Stellen bereits verwendet wurden. Der Vorfall sei bedauernswert, jedoch müsse man den Ausgang eines eventuellen Verfahrens abwarten.

Fazit und Ausblick

Die Stadt Köln wirkt anscheinend mit einem solchen Vorfall schlichtweg überfordert. Es gibt keine Handlungsanweisungen oder konkrete Stellen innerhalb der Stadtverwaltung, die zuständig sind.

Es bedarf klarer Regelungen und Strukturen und es ist schockierend, dass eine so große Stadtverwaltung im Jahr 2024 noch nicht so weit zu sein scheint. Als ich einen Monat nach der Tat auf der Frankfurter Buchmesse war, gab es dort einen gewaltigen Stand, in roter Signalfarbe gehalten und von überall gut sichtbar, der als Antidiskriminierungsstelle diente. Warum bekommt die Stadt Köln das nicht hin?

Die menschliche Empathie hat bei der Stadt Köln durch vollkommene Abwesenheit geglänzt.

Auf der anderen Seite habe ich auch wirklich tolle Menschen kennen lernen dürfen, vor allem in der Politik und bei der Caritas.

Die Ermittlungen durch die Polizei sind beendet und die Staatsanwaltschaft Köln bearbeitet den Fall seit Dezember 2023. Wir kennen schließlich alle die Redewendung über die langsam mahlenden Mühlen der Justiz.

Und bis zu dem Zeitpunkt, an das Verfahren und eine wahrscheinliche Gerichtsverhandlung abgeschlossen sind, ist die Stadt Köln nicht gewillt, etwas zu unternehmen. Auch wenn das bedeutet, dass man eine Rassistin weiterhin in seiner Behörde beschäftigt.

Erstaunlich ist, dass es völlig anders aussehen würde, wenn die Frau mich nicht in der Bahn, sondern zehn Minuten später im Foyer des Gebäudes beleidigt hätte. Dann hätte das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz gegriffen und die Stadt Köln hätte sich bereits sofort mit der Angelegenheit auseinandersetzen müssen.

Und unabhängig von den direkten Konsequenzen für die Täterin wäre zumindest ein empathischer Umgang mit dem Opfer eine Selbstverständlichkeit, die auch andere Stellen hinbekommen.

Warum kriegt die Stadt Köln das nicht hin?

Von Alex Miko

Beitrag erstellt am: 01.05.2024 um 07:22 Uhr
Letzte Änderung am: 01.05.2024 um 07:22 Uhr

Über Alex Miko

... ist kreativ, begeisterungsfähig und überraschend. Er liebt den Winter und ist Patenonkel eines Ziegenbocks im Kölner Tierpark. Er kocht, backt, dekoriert und geht gerne einkaufen. Dafür mag er weder Fußball, noch Autos. Nebenbei studiert er noch Rechtswissenschaften.