Kurz vor Schluss

Eingang der Stadtbibliothek Köln
Sanierungsbedürftig: Das aktuelle Gebäude der Stadtbibliothek Köln.  Foto: Jakob Buurman / .

Ein Plädoyer für die Stadtbibliothek Köln.

Wenn Studierende davon sprechen, in die „Bib“ zu gehen, meinen sie damit zumeist die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB); doch gibt es auch eine andere große Bibliothek, die sich mit dem täuschend ähnlichen Namen „Stadtbibliothek Köln“ schmückt – Stadtbib statt Bib. Etwas versteckt befindet sich letztere in der zweiten Häuserreihe direkt am Neumarkt und ist von dort binnen Minuten erreichbar. Auf fünf Stockwerken beherbergt der von außen wenig einladend wirkende Betonklotz nach eigenen Angaben über 850 000 Medien, darunter aber nicht nur Bücher. Auch DVDs und Blu-Rays, Noten zu vielen Musikstücken, Hörspiel- und Musik-CDs, Mangas und Comics finden in den Regalen ihren Platz.

Vom Aussterben bedroht

Was in keiner Diskussion über Bücher und Konsorten fehlen darf, ist das unablässig beschworene Damoklesschwert vom anstehenden oder bereits existierenden Aussterben der Printmedien. Kritiker*innen behaupten schon lange, man dürfe sich gar nicht wundern, dass im sogenannten digitalen Zeitalter jährlich weniger Menschen zur Zeitung oder Zeitschrift aus Papier greifen würden oder dass viele – zusätzlich durch die COVID-19-Pandemie gebeutelte – Buchläden ihre Türen schließen mussten. Denn die dahinterstehenden Institutionen, das heißt Verlagshäuser, Lokalzeitungen oder eben Bibliotheken, würden sich entweder gar nicht oder zumindest nicht ausreichend darum bemühen, sich der neuen Nachfrage anzupassen. Zu konservativ, zu starr, zu wenig zukunftsfähig seien sie – und damit also selbst schuld am eigenen Untergang. Nur noch vergeblich bemühte Bewahrer*innen der Kultur von gestern und Finanzspritzen aus Steuergeldern würden das sinkende Schiff Print noch vor dem Kentern bewahren.

Für viele Einrichtungen mögen diese Urteile wohl auch zutreffend sein – nicht aber für die Stadtbibliothek Köln. Zu Unrecht leidet sie unter dem Ruf ihrer Verwandten.

Schöne neue Welt

Dass sich die Stadtbibliothek Köln nämlich inhaltlich auf einem Stand aus der Zeit Prä-Internet ausruht, kann man ihr wirklich nicht vorwerfen; und auch die Vielfalt der Angebote geht nicht nur über Bücher und CDs hinaus, sondern erschließt auch ganz eigene Felder außerhalb des Verleihwesens.

Das gesamte Sortiment der Zentralbibliothek sowie aller neun externen Stadtteilbibliotheken sind samt Information darüber, ob das Medium verliehen ist oder nicht, erfasst und kann in Merklisten gesammelt oder gegen eine Gebühr von 1 € reserviert werden. Das allein wäre noch nichts weiter Besonderes, wenn es nicht auch das große Digitalangebot gäbe.

E-Books und Hörbücher können jederzeit per App (Onleihe) auf dem Handy digital „ausgeliehen“ werden, indem eine Frist von bis zu 21 Tagen abläuft, in welcher der Artikel konsumiert werden kann. Unter den in der App aufgeführten E-Medien stehen dabei durchaus auch beliebte Titel wie beispielsweise die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling oder eine große Auswahl an Stephen-King-Romanen.

Sehr eingefleischte Filmfans mögen auch am Online-Sortiment der Plattform filmfriend ihren Gefallen finden – die Auswahl renommierter Inhalte ist hier jedoch deutlich eingeschränkter.

Aber auch im Bereich Social Media ist die @stbibkoeln, wie sie sich auf Instagram nennt, nicht untätig. Über fünftausend Follower verfolgen die mehrmals wöchentlich erscheinenden Beiträge in der App. Neben Buchtipps für Groß und Klein wird hier vor allem auf zweierlei aufmerksam gemacht: die demnächst stattfindenden Veranstaltungen und den sogenannten Makerspace.

Stricken, Taschennähen, Auftritte verschiedenster Künstler*innen und vieles mehr zählt zu den häufig kostenlosen Angeboten, die die Stadtbibliothek organisiert. Dabei wechselt die Art der Veranstaltung ähnlich oft wie der Ort, an dem sie stattfindet. So können etwa in Chorweiler Traumfänger gebastelt werden und in Porz wird Handlettering betrieben. Informationen über das Was, Wann und Wo der Aktionen werden rechtzeitig über die Website, Social Media und durch Aushänge im Gebäude bekanntgegeben.

Bücherregal in der Stadtbibliothek Köln
Bücher ohne Ende: Maximal 25 Medien darf ein*e Erwachsene*r gleichzeitig entleihen.  Foto: Jakob Buurman / .

Wem das immer noch zu viel vorgeschriebenes Programm ist, wird sich im Makerspace der Stadtbibliothek wohlfühlen: Unter dem Begriff Makerspace versammeln sich unter anderem mehrere 3D-Drucker, eine VR-Brille sowie eine Art Tonstudio zum Aufzeichnen von Podcasts – teilweise bedarf es aber auch im Makerspace der Aufsicht eines Sachkundigen – wer weiß schon auf Anhieb, wie man einen 3D-Drucker bedient? Mithilfe des Makerspace werden also selbst neueste Medien der breiten Masse zum Ausprobieren zur Verfügung gestellt – verstaubte Karteikästen sucht man hier vergeblich.

Wir sind das Volk

Das großzügige Bereitstellen von Medien liegt schon in der Geschichte der Stadtbibliothek verborgen, die im Jahre 1890 von den Kölnern und Kölnerinnen selbst finanziert wurde und somit von den Bürger*innen für die Bürger*innen gedacht war. Dieser Geist des Öffentlichmachens sämtlicher Medien ist aber auch heute noch ein durchaus aktueller, wenn man ihn aus nachhaltigkeitsbezogener, demokratiestiftender und kapitalismuskritischer Sichtweise betrachtet. 

Denn wer in der Bibliothek ein Buch ausleiht, das dann aus Zeitmangel oder Missfallen doch nicht mit Freude gelesen wird, der schützt die Wälder vor unnötiger Abholzung, spart mögliche Emissionen durch Transportwege ein und schont den Geldbeutel. Am Ende nützt nämlich das ungelesene, unnötig produzierte und Staub sammelnde Printmedium niemandem etwas – höchstens vielleicht dem Verlag.

Aber auch die Person, die das Buch mit Freude gelesen und ausgelesen zurückgegeben hat, kann sich über dieselben klima- und ressourcenschonenden Vorteile freuen und sich nach der Rückgabe schließlich immer noch das Buch für das eigene Regalbrett anschaffen.

Bevor man aber überhaupt ein einziges Blatt aus der Stadtbibliothek ausleihen kann, benötigt man eines: einen Bibliotheksausweis. Dieser ist aber zum Glück für jede*n unter einundzwanzig Jahren gänzlich kostenlos und für ältere Studierende betragen die Kosten pro Jahr fünfzehn Euro. Zum Vergleich: Selbst das reduzierte Amazon-Prime-Student-Angebot von vierunddreißig Euro pro Jahr kann damit nicht mithalten.

Im Gegenzug erhält man dafür in der Stadtbibliothek Zugang zu mehr Wissen als man sich in einem ganzen Leben aneignen könnte – und bei den Filmen muss man sich hier zum Glück meistens keine Sorgen machen, dass er nicht „bei prime“ oder nur gegen eine weitere Gebühr anschaubar ist; nur verliehen kann das gewünschte Objekt sein. Bei dem Angebot eines ganzen Stockwerks voller dicht an dicht gereihter DVDs wird es aber wohl nicht weiter schwierig sein, eine Alternative zu finden.

„Vor allem eines sollte sich ändern: das Gebäude.“

Luft nach oben

Dass das ganze System aber trotz aller Bemühungen noch nicht perfekt ist, hat auch die Stadtbibliothek selbst erkannt. Vor allem eines sollte sich ändern: das Gebäude. Veraltet ist es, bietet kaum Platz zur Zusammenarbeit oder zum gemeinsamen Lernen, auch die Barrierefreiheit ist nicht überall ohne Einschränkung gegeben. Nach einer lang geführten Debatte über einen möglichen Abriss des gesamten Gebäudes sieht es jetzt so aus, als hätten die Einwände der über zehntausend Unterstützer einer Petition zum Erhalt und zur Sanierung des schon bestehenden Gebäudes der Zentralbibliothek triumphiert: Voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres 2024 sollen die Bauarbeiten für das überarbeitete Gebäude – samt eigenem Bibliothekscafé – beginnen und bis 2027 andauern. In der Zwischenzeit soll der Bestand in ein Übergangsobjekt in der Hohe Straße umziehen.

Insofern ist dieses Jahr möglicherweise die letzte Chance, die „alte“ Stadtbibliothek zu erleben, bevor das dreijährige Warten beginnt – hoffentlich mit einem guten Ausgang; denn die zeitgemäßen und bemühten Ansätze, die die Stadtbibliothek schon jetzt zeigt, hätten es mehr als verdient, sich in einem den eigenen Ansprüchen gerecht werdenden Gebäude voll zu entfalten.

Öffnungszeiten der Zentralbibliothek am Neumarkt:
Montag, Mittwoch, Freitag: 10 bis 18 Uhr
Dienstag und Donnerstag: 10 bis 20 Uhr
Samstag: 10 bis 15 Uhr
Sonntag: 13 bis 18 Uhr

Auswahl an Online-Portalen:
Für verschiedene Filme: koeln.filmfriend.de
Für Aufzeichnungen von Theaterstücken, Ballett, klassischer Musik: www.medici.tv
Für E-Books, digitale Magazine und Zeitungen und E-Audios: www.onleihe.de/koeln
Für E-Books und Hörbücher: koeln.overdrive.com

Von Jakob Buurman

Beitrag erstellt am: 04.10.2023 um 07:38 Uhr
Letzte Änderung am: 06.05.2024 um 07:59 Uhr

… trifft man vorrangig in Museen, Theatern, Kinos und Bibliotheken – um einige Videofilme zurückzubringen. Ist das nicht der Fall, studiert er Deutsche Sprache & Literatur zusammen mit Medienkulturwissenschaft und trinkt dabei ausschließlich losen Earl Grey.