Knapp 50.000 Studierende zählt die Universität zu Köln und jedes Jahr im Dezember stehen die Hochschulwahlen an. Dort wird nicht nur das Studierendenparlament (StuPa) gewählt, sondern auch Vetreter*innen der Studierenden in anderen Gremien der Universität wie dem Senat, der Gleichstellungskomission, der Fakultätsvertretung oder dem Fakultätsrat, der Engeren Fakultät und dem SHK (Studentische Hilfskraft)-Rat der jeweiligen Fakultät. Ganz schön viele Stimmen und damit viele Wahlzettel, die bei den Hochschulwahlen ausgefüllt werden. Zwischen dem 5. und 9. Dezember 2022 fanden die letzten Hochschulwahlen statt. Mit dabei auch Carolina Grgic und Lisa Karsten, beide sind bei den Wahlen zum ersten Mal angetreten und haben direkt den Einzug in das Studierendenparlament geschafft.
„Ich glaube, dass ich ein sehr politischer Mensch bin“, erzählt Carolina Grgic über sich. Die 20-Jährige hat zwar bislang keine politischen Erfahrungen gesammelt, engagiert sich aber ehrenamtlich. „Im Rahmen der Ersti-Woche gab es eine Infoveranstaltung zur Hochschulpolitik und Gremien und das hat mein Interesse geweckt“, schildert Carolina, die als Erstsemestlerin ins Parlament gewählt wurde. Nachdem sie eine der Parlamentssitzungen als Zuschauerin verfolgt hat, fiel der Entschluss zur Mitgestaltung an der Hochschulpolitik. Die Wahl der Hochschulgruppe fiel dabei auf Die Unabhängigen. „Ich habe mich bewusst für eine Hochschulgruppe entschieden, die nicht direkt oder indirekt Verbindungen zu Parteien außerhalb der Hochschulpoltik besitzt, wie beispielsweise die Jusos oder die LHG (Liberale Hochschulgruppe)“, begründet die Studentin der Sozialwissenschaften ihre Wahl. Außerdem bündeln Die Unabhängigen eine Vielzahl an politischen Meinungen, die sie in ihrer Filterblase nicht habe und dies als Bereicherung versteht.
„Die Wahl in das StuPa ist eine tolle Belohnung für den langen und intensiven Wahlkampf gewesen.“
Carolina Grgic
Im Gespräch wird schnell deutlich mit welcher Motivation und Leidenschaft sie sich auf das Engagement im Studierendenparlament freut. Hinzu kommt die Erwartung und auch die Hoffnung in der Hochschulpolitik etwas verändern zu können sowie in einen Austausch mit den Studierenden fakultätsübergreifend zu gelangen. Sehr stolz sei sie gewesen, als sie erfahren habe, in das Parlament gewählt worden zu sein, erzählt Carolina Grgic. „Die Erwartung nach so einem langen und intensivem Wahlkampf über eine Woche war auf der anderen Seite auch sehr groß, sodass die Wahl in das StuPa eine tolle Belohnung für die Arbeit ist“, erzählt sie. Auch kleinere Selbstzweifel beschäftigen die Studentin: Ist sie als unerfahrene Erstsemestlerin im Studierendenparlament wirklich richtig aufgehoben? Doch diese Zweifel verfliegen schnell, die Motivation sei überhaupt das Wichtigste, haben ihr die Fraktionsfreund*innen erzählt. Und vielleicht kann es auch helfen mit Unbedarftheit an die Projekte und Debatten im Studierendenparlament heranzugehen.
Deutlich mehr politische Erfahrung hat Lisa Karsten von der Juso-HSG (Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD Hochschulgruppe) gesammelt. Die 21-Jährige trat mit 16 Jahren in die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ein und studiert im Master Politikwissenschaften. „Es sind aber keine vorherigen politischen Erfahrungen nötig, um sich in der Hochschulpolitik engagieren zu können“, bekräftigt sie gleich am Anfang des Gesprächs. Seit Oktober 2022 ist sie richtig bei der Juso-HSG aktiv und war direkt in die Vorbereitungen für den Wahlkampf involviert. Dazu gab es in vielen der Hochschulgruppen Informationen und Workshops zu den Wahlen und der Struktur des AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss), damit die Kandidat*innen das Thema Hochschulwahlen erklären konnten. „Die Resonanz in der Wahlwoche ist sehr gemischt“, berichtet Lisa, „wenige Studierende nehmen überhaupt wahr, dass die Hochschulwahlen stattfinden.“
„Wenige Studierende nehmen überhaupt wahr, dass die Hochschulwahlen stattfinden.“
Lisa Karsten
Das zeigt auch die Wahlbeteiligung. Nur 8,5% der Studierenden nahmen an den Wahlen zum Studierendenparlament teil. Dies ist zwar mehr als vor einem Jahr (7,7%), im Jahr vor der Pandemie lag die Wahlbeteiligung bei 12,7%. „Vielen ist gar nicht bewusst, welche Entscheidungen das StuPa beziehungsweise der AStA treffen kann und wofür der AStA verantwortlich ist“, fasst die Studierende ein Kernproblem zusammen. Für ihre Zeit im Parlament hat sich die Masterstudentin einige Schwerpunkte ausgesucht. Neben der Schaffung von mehr Lernplätzen und der Verbesserung der Lehre an der Universität zu Köln ist ihr auch eines besonders wichtig: Die Universität zu einem sozial gerechteren Ort zu machen, an dem sich alle sicher und wohl fühlen können. Dabei erzählt die Studentin unter anderem von dem Projekt Edelgard, einem Präventionsprojekt, welches auch an der Universität zu Köln Anlaufstellen für Opfer sexualisierter Gewalt bietet.
Es sind ernste Themen, die im Studierendenparlament auf der Tagesordnung stehen, und doch schätzt Lisa Karsten die lockere Atmosphäre im StuPa, als sie im Vorfeld die Sitzungen besucht hat. Ob sie da schon ahnte, dass sie etwas später nicht nur im Parlament sitzen würde, sondern sogar mit im Präsidium, welches das Parlament nach außen vertritt und die Sitzungen organisiert? Umso mehr habe sie sich gefreut, als sie erfuhr in das Parlament gewählt worden zu sein. „Schade war nur, dass die Juso HSG einen Sitz im StuPa verloren hat“, ordnet Lisa Karsten das Ergebnis der Hochschulgruppe ein. In der konstituierenden Sitzung wurde sie zur zweiten Sprecherin des Studierendenparlaments gewählt und ist somit Mitglied des Präsidiums. Dieses besteht aus drei Sprecher*innen und leitet, vor- und nachbereitet die Sitzungen.
Erstmal wird sie künftig die Protokolle verfassen, Lisa freut sich aber schon darauf zukünftig auch mal die Redeleitung zu übernehmen und die Debatten im StuPa zu moderieren. Hürden gibt es natürlich auch für die Masterstudentin mit ihrer vielzähligen Erfahrung in der Politik. Zum Beispiel die vielen Abkürzungen im Tagesgeschäft. „Aber wir sind nicht allein und wir unterstützen uns in der Fraktion gegenseitig“, sagt die Studentin und beschreibt ein Bild einer kollegialen Zusammenarbeit innerhalb der Hochschulgruppen, was auch Carolina Grgic bestätigt.
Beide betonen, wie wichtig es ihnen ist die Hochschulpolitik nahbarer zu machen und sich für studentische Belange einzusetzen: Als ein Beispiel nennen sie, die Forderung, dass die Konditionen des Semstertickets dem neuen 49€-Ticket angepasst werden – sowohl preislich als der Geltungsbereich. Die Wege dorthin können aber unterschiedlich sein: Während Carolina Grgic mit den Unabhängigen in der Opposition sitzt und die Arbeit des AStA kontrollieren wird, gehört Lisa Karsten der Koalition aus campus:grün, Juso HSG und Linke Liste SDS (Sozialistischer Demokratischer Studierendenverband) an, welche ähnlich wie in der Bundespolitik die Regierungskoalition die politische Arbeit gestaltet.
Dies ließ sich bereits auf der zweiten ordentlichen Sitzung des derzeitigen Studierendenparlaments erkennen, in der die Opposition die Vorhaben und Ziele der AStA-Vorsitzenden Johanna Weidmann und ihrem Team kritisch hinterfragte. „Etwas fordernd ist das für mich gewesen“, berichtet Carolina nach der zweiten Sitzung des Parlaments, in der die Studierenden bis kurz vor Mitternacht tagten. In den Debatten wird neben den politischen Standpunkten auch immer wieder auf vergangene Diskurse im Studierendenparlament zurückgegriffen, in denen die Vertreterin der Unabhängigen noch gar nicht im Parlament war. Das erfordert viel Hintergrundwissen, dass sie sich nach der Sitzung erfragen muss. Genau mithören musste auch Lisa Karsten, die in der Sitzung das Protokoll führte. „Ich versuche so viele Aussagen so wortgetreu wie möglich aufzuschreiben,“ beschreibt die Studentin ihre Aufgabe. Sich selbst aktiv an der Debatte mit Wortbeiträgen zu beteiligen ist wegen ihrer Aufgabe als Sprecherin schwierig, denn von Präsidiumsmitgliedern wird erwartet, dass sie sich bei der Ausübung ihrer Aufgaben unabhängig verhalten. Und trotzdem: „In manchen Momenten würde man aber selbstverständlich schon gerne mitklatschen,“ verrät sie.
Im Sommersemester 2023 wird dann das Studierendenparlament weitertagen. Lisa Karsten und Carolina Grgic werden wieder im Parlament sitzen und um das Wohl der Studierenden ringen. Doch auch in der vorlesungsfreien Zeit wird hinter den Kulissen viel gearbeitet. Carolina ist im Planungsteam einer Vollversammlung für die gesamte Studierendenschaft, die im nächsten Semester stattfinden soll. Daneben freut sie sich ganz besonders einen Antrag für die leichtere Befreiung von dem Semesterbeitrag für Studierende mit Kindern auf den Weg zu bringen.
Auch bei dem neu gewählten AStA steht ein volles Programm an. Ziele und Prioritäten müssen festgelegt werden, eine Einarbeitung muss stattfinden und es warten schon die ersten Sitzungen auf die Studierendenvertretung im AStA. Lisa Karsten freut sich besonders auf die weitere Arbeit im Präsidium und darauf, statt dem Protokoll auch einmal das Mikrofon für die Leitung des Parlamentes in die Hand zu nehmen. Mit viel Elan und Begeisterung geht es für beide Studentinnen in das nächste Kapitel des Studierendenparlaments.
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe, in der die beiden Abgeordneten des StuPa Carolina Grgic und Lisa Karsten in ihrem ersten Jahr als Mitglied des Parlaments begleitet werden. Den zweiten Teil findet ihr hier (https://philtrat-koeln.de/2024/01/24/zwischen-tatendrang-und-buerokratie-ein-jahr-im-studierendenparlament/).
Von Lucas Lorenz
Beitrag erstellt am: 05.05.2023 um 08:06 Uhr
Letzte Änderung am: 24.01.2024 um 08:55 Uhr
Über Lucas Lorenz
… fährt gerne mit dem Fahrrad durch das Bergische Land und probiert sich gerne an neuen Anstiegen aus. Regelmäßig fährt er auch zur Universität. Dort studiert er Geschichte und Medienkulturwissenschaften ohne sich viele Gedanken zu machen, wie seine Laufbahn danach aussieht.