Das Kaffeehaus Treibgut ist ein schmales, aber ungewöhnlich langes Café direkt am Südbahnhof. Normalerweise kehren hier Student*innen und junge Erwachsene zum Kaffeetrinken, Kuchenessen, Reden und Arbeiten ein, – nicht aber am 12. Januar 2023 um 19 Uhr. Denn statt Espresso und Flat-White steht an diesem Abend Literatur auf dem Speiseplan: Das Schreibkollektiv [in klammern] hat zur Lesung geladen. Ab 18.30 Uhr sei Einlass, wurde über den Instagram-Kanal der Gruppe verlautbart, doch schon um 18.40 Uhr sind sämtliche Stühle, Sessel und Sofas besetzt. Sogar Hocker, Schränke und Sitzbänke werden aus allen Winkeln herbeigeschafft, um den vielen Literaturinteressierten Platz zu geben, die zu dieser bereits vierten Lesung des im Oktober 2021 entstandenen Kollektivs durch den Kölner Nieselregen gezogen sind.
Das Schreibkollektiv [in klammern] ist ein aus der Initiative einiger Studierenden entstandenes Projekt des Masterstudiengangs Theorien und Praktiken professionellen Schreibens, die sich regelmäßig treffen, Texte lesen, besprechen – und Lesungen geben.
„Unter kräftigem Applaus endet knapp zwei Stunden nach Einlass das literarische Marshmallowgrillen um die Tischlampe.“
Während noch kurz vor knapp bestellte Ingwertees ausgegeben werden und auch die letzten Besucher und Besucherinnen – mitunter auf dem Fußboden – Platz finden, richtet sich der Blick nach vorne: dorthin, wo die Schriftsteller und Schriftstellerinnen auf einem gemütlichen grünen Sofa und Sesseln sitzen und ihre Mikros testen. Dann kehrt Ruhe ein, das Licht wird gedimmt, draußen sind nur noch gedämpft Regenprasseln und vorbeifahrende Züge zu hören.
Allein vorne bei den Autor*innen leuchtet eine einzelne kleine Tischlampe wie ein Lagerfeuer, um das man sich sammelt, um Geschichten zu hören. Vorgetragen werden sowohl Kurzgeschichten, aber auch Gedichte, passend zum gewählten Thema dieser Lesung: Stadt.
Von der Einöde des Dorfes und dem Reiz der Großstadt, von geliebten Geschäften, von Seoul und Rom, von bedrohlichen Heimwegen und von wiederkehrenden Gesichtern erzählen die sieben Autor*innen, nur kurz unterbrochen durch eine fünfzehnminütige Verschnaufpause, in der sich das bis dahin Gehörte in Ruhe setzen kann und man alle – am Institut für deutsche Sprache und Literatur I gedruckten – Texte des Abends zum Nach- und Mitlesen gegen eine Spende erwerben kann. Gebunden, getackert oder geklebt sind die Werke der Autor*innen jedoch nicht, stattdessen: Blätter in Büroklammern.
Unter kräftigem Applaus endet knapp zwei Stunden nach Einlass das literarische Marshmallowgrillen um die Tischlampe und das Raumlicht im Kaffeehaus Treibgut wird wieder entzündet. Langsam leeren sich die dicht besetzten Reihen und verlieren sich im noch immer anhaltenden Nieselregen Kölns, dessen Stadtstatus soeben erörtert wurde.
Und noch auf dem Nachhauseweg, beim Anblick der städtischen Straßenbahnen und Betonbauten, klingen die Sätze aus der Lesung in den Ohren wider: „alles so schön geordnet, so sorgfältig erbaut, so solide alles aus Glas, Metall, Beton und Teer, alles so gut konstruiert, nur manchmal Verletzlichkeit sichtbar zwischen den schnörkeligen Stuck-Altbauten“ (aus 20 Quadratmeter von Amy Pearl Douglas, Schriftstellerin bei [in klammern]).
Weitere Informationen über [in klammern] sowie Termine für anstehende Lesungen findet ihr auf Instagram und der Website.
Von Jakob Buurman
Beitrag erstellt am: 23.04.2023 um 06:00 Uhr
Letzte Änderung am: 23.04.2023 um 06:00 Uhr
Über Jakob Buurman
… trifft man vorrangig in Museen, Theatern, Kinos und Bibliotheken – um einige Videofilme zurückzubringen. Ist das nicht der Fall, studiert er Deutsche Sprache & Literatur zusammen mit Medienkulturwissenschaft und trinkt dabei ausschließlich losen Earl Grey.