Ein neues Zuhause?

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Ob als Reise, temporärer Aufenthalt oder als Weg in eine neue Heimat, es gibt viele Gründe seine gewohnte Welt hinter sich zu lassen. Rousy Mendoza, Joana Niloufar Sanei (die Redakteurin) und Negin Yaghouti. Fotos: privat / Collage: Lucas Lorenz. Foto: / .

Was bewegt Menschen dazu, ihr Heimatland zu verlassen?

In nur wenigen Tagen ist es bei mir so weit: Ich breche in mein sechsmonatiges Auslandssemester auf. Denn wie sagt ein altes Sprichwort? Alle Wege führen nach Rom. Ich für meinen Teil bin mir meiner Beweggründe bewusst, denn ich möchte neue Kulturen kennenlernen, eine gewisse Eigenständigkeit entwickeln und ein Abenteuer erleben. Aber was bewegt andere Menschen eigentlich zum Aufbruch? Wieso verlassen viele ihr Heimatland und beginnen ein neues Leben woanders?

Deshalb habe ich diese Fragen drei unterschiedlichen Menschen mit drei unterschiedlichen Geschichten gestellt und erhielt drei ganz unterschiedliche Antworten…

Portrait
Negin Yaghouti ist im Alter von 23 Jahren mit ihrem Freund nach New York gezogen und lebte dort zehn Jahre. Foto: privat.

Hallo Negin, danke für deine Zeit! Zehn Jahre nach New York ziehen und dass in deinem Alter ist natürlich ziemlich mutig. Was waren deine Beweggründe?

Negin: Meine Gründe waren eigentlich die klassischen von vielen jungen Menschen. Das Abenteuer und der American Dream. Ich erhoffte mir bessere Arbeitsmöglichkeiten und wollte unbedingt etwas Neues ausprobieren. Für die Standortentscheidung hat all das natürlich eine große Rolle gespielt, ebenso wie der Aspekt, dass New York auf dem Lebenslauf einen ziemlich guten Eindruck macht. Doch ich bin nicht einfach auf gut Glück hingefahren. Vorher habe ich erstmal ein zweimonatiges Praktikum vor Ort gemacht, um zu schauen, ob mir das Leben dort auch wirklich gefällt. Denn die eigenen Vorstellungen und das, was man in den Medien sieht, unterscheiden sich oftmals sehr von der Realität.

Wie schnell hast du dich denn eingelebt?

Aller Anfang ist natürlich schwer. Denn auch wenn ich schon mal vor Ort gewesen war und auch wenn das Einleben echt fix ging, war es am Anfang eine ziemliche Herausforderung, einen Job und eine Wohnung zu finden. Das brauchte ziemliches Durchhaltevermögen!

Wurde dir das Einleben denn auch durch sprachliche Probleme erschwert?

Nein, die hatte ich zum Glück gar nicht. Ich hatte bereits in der Schule Englisch und lebte während meines Studiums in England und. Vor Ort hatte ich somit keinerlei Probleme!

Gab es irgendwelche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede, die dir besonders aufgefallen sind?

Sehr vieles! Ich denke jedoch, der auffälligste Unterschied war die Bürokratie. Der Papierkram ließ sich dort viel schneller erledigen als hier, ebenso kam man viel schneller an Dokumente, sei es ein Ausweis oder ein Führerschein.

Würdest du es nach deinen gesammelten Empfehlungen weiterempfehlen? Und welche Tipps würdest du Menschen mitgeben, die dasselbe machen wollen?

Es war eine Hammerzeit und die Erfahrung war großartig. Ich empfehle jedem, für einige Zeit mal in einem anderen Land zu leben. Die Erfahrungen, die man macht und das, was man für einen mitnimmt, das ist wirklich unbezahlbar. Jedoch lege ich allen, die etwas ähnliches machen wollen, einiges ans Herz: Zum einen würde ich empfehlen, sich den Ort schon mal angeschaut zu haben oder ihn besser sogar noch zu kennen. Für einige Jahre in ein Land beziehungsweise in eine Stadt zu ziehen, in der man noch nie gewesen war, kann natürlich sehr gut klappen, ich denke aber, dass der Einstieg enorm dadurch erleichtert wird, zumindest mal dort gewesen zu sein. Das gleiche gilt für die Sprache. Einige Grundkenntnisse zu haben, erleichtert garantiert den Einstieg. Zum anderen würde ich euch empfehlen, vor Ort eine Ansprechperson zu haben, die euch gerade zu Beginn unterstützt. Gerade wenn es um die Bürokratie geht, können sonst sehr schnell wichtige Dinge übersehen werden. Wenn ihr keine Person privat kennt, dann wendet euch am besten an eine Organisation. Nicht zuletzt: gerade in Städten wie New York solltet ihr dringend einiges an Rücklagen besitzen. Oftmals kann es ziemlich schnell ziemlich teuer werden.

Vielen Dank für deine Zeit Negin!

Während Negin ganz freiwillig in ein anderes Land gezogen ist, hatte mein nächster Gesprächspartner nicht das Privileg, sich dazu aktiv zu entscheiden. George Kianoush ist in jungen Jahren wegen dem Krieg aus Syrien geflohen.

Danke, dass du mit uns darüber sprichst. Dein Beweggrund ist natürlich traurig. Du bist aus dem Krieg in Syrien geflohen. Inwiefern hat dies deine Ankunft und das Einleben beeinflusst?

George: Das Einleben war sehr schwer. Doch wir mussten leider gehen. Wir versuchten unseren Alltag inmitten von Explosionen und Krieg zu leben, doch es verging kein Tag, an dem man sich nicht fürchten musste und wir hatten große Angst um uns und unsere Familie. Wir lebten in der Stadt, in der der Krieg begann, deswegen kannten wir kaum noch was anderes. Deshalb hatten wir keine andere Wahl als unser altes Leben zurückzulassen. Die Not zur Flucht machte das Einleben viel schwieriger, da wir keine Zeit hatten, uns auf das Leben hier vorzubereiten. In Syrien hatte ich viele Freunde, doch hier kannte ich keinen und natürlich kam da auch noch die Sprachbarriere hinzu, denn ich konnte noch kein Deutsch.

Am Anfang wollte ich am liebsten zurück nach Syrien. Die Sprache war aber der Schlüssel. Die ersten zwei Jahre waren die schlimmsten, denn selbst in der Schule waren die Leute sehr ungewohnt und ich war dazu noch eher älter. Doch als ich die Sprache besser gelernt habe, kamen die Freunde dann hinzu und das Leben hier begann schöner zu werden. Den Freunden folgten dann auch bessere Noten und ich fühlte mich immer wohler hier. Jetzt habe ich mein Abitur, studiere und fühle mich in Deutschland sehr wohl. Das Land hat mir eine neue Chance und ein neues zu Hause gegeben und ich bin mehr als dankbar deswegen.

Das freut mich zu hören! Sind dir denn viele Unterschiede aufgefallen, sowohl gesellschaftlich als auch kulturell?

Hier habe ich keine Angst zu sterben! Und keine Angst um meine Familie! Man kann es auch gesellschaftlich nicht vergleichen, denn eigentlich ist alles anders: das Schulsystem, die Menschen… Daher musste ich mich an alles neu gewöhnen. So habe ich auch viele Teile von mir in Syrien zurückgelassen…

Vielen Dank für deine Zeit George!

Portrait
Auch Rousy Mendoza ist im letzten Jahr im Alter von 18 Jahren nach Deutschland aufgebrochen. Sie ist in El Salvador aufgewachsen und studiert nun an der Universität zu Köln. Foto: privat.

Danke für das Gespräch! Wieso hast du dich für Deutschland entschieden?

Rousy: Die Qualität der Bildung ist in Lateinamerika nicht so gut. Zudem ist das Leben dort insgesamt teurer als hier, denn wenn ich in Amerika die beste Bildung erlangen möchte, muss ich in die USA. Da sind die Universitätskosten allerdings extrem hoch! Es gibt noch eine gute Universität in Mexiko, doch ich fand, dass es El Savador zu sehr ähnelt. Und auch da sind die Lebensunterhaltungskosten sehr hoch. Insgesamt bezahle ich hier sogar weniger zum Leben, denn in Lateinamerika fallen noch Dinge wie die Finanzierung eines Autos an, da öffentliche Verkehrsmittel zu gefährlich sind. Dazu müsste ich die hohen Universitätskosten bezahlen, die hier fast umsonst sind. Du bist deswegen auch auf die finanzielle Hilfe deiner Familie angewiesen. Viele haben diese Hilfe nicht und gehen deshalb ins Ausland, um sich dies selbst finanzieren zu können. Denn dort kannst du nicht arbeiten gehen und damit deine Universität bezahlen, denn was du verdienst ist zu wenig. Das alles waren Gründe, warum ich nach Europa wollte.
Für Deutschland habe ich mich dann entschieden, weil ich in El Salvador auf eine deutsche Schule gegangen bin und dementsprechend schon Deutsch sprechen konnte.

Ich persönlich habe die Möglichkeit genutzt, weil ich etwas anders machen und selbstständig in Europa leben wollte. Ich selbst bin zwar nicht auf finanzielle Mittel für meine Bildung angewiesen, aber die Bildungsmöglichkeiten waren für mich nicht gut genug und zu traditionell.

Wie schnell hast du dich eingelebt? Und hattest du dennoch einige Sprachbarrieren?

Ich habe mich zwar sehr schnell eingelebt und auch sprachliche Hürden habe ich durch meine Vorkenntnisse keine. Aber ein bisschen an meinen Sprachkenntnissen zweifle ich hin und wieder doch. Deutsch finde ich sehr schwer. Im Alltag war es für mich zuerst schwierig mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurecht zu finden, doch dank dem Handy hatte ich den Dreh schneller aus. Die größte Schwierigkeit ist aber das selbstständige allein Leben ohne die Familie, die einen hilft und zur Seite steht. Da ich sowieso ein familiärer Mensch bin, fehlt mir meine Familie sehr und habe dementsprechend oft Heimweh. Der Verlust der engen Bindung mit meiner Familie ist das größte Opfer.

Jetzt wo du dich hier ein wenig eingelebt hast – was würdest du sagen, sind die größten Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Es gibt eigentlich keine Gemeinsamkeiten. Die einzige Gemeinsamkeit sind meine Freunde. Denn weil ich in eine deutsche Schule gegangen bin, sind viele meiner Schulfreunde auch hier. Alles andere ist aber total anders. Wie ich von A nach B komme, was ich esse, der Geschmack vom Obst, die Banken, das Einkaufen… Ich würde weder sagen, dass es besser, noch das es schlechter ist, es ist einfach anders.

Würdest du denn im Nachhinein anderen empfehlen, allein in einem anderen Land zu wohnen?
Auf jeden Fall! Ich würde jedem empfehlen, in ein anderes Land zu gehen und zu studieren. Für mich ist das ein „Must“. Es macht dich selbstständig und öffnet dir die Augen für eine neue Perspektive des Lebens! Ich denke, man kann nicht wissen, ob man für immer in seinem Heimatland wohnen bleiben möchte, wenn man noch nie woanders gelebt hat. Ich wohne zum Beispiel hier und weiß, Deutschland ist noch nicht das Land für mich. Ich möchte hier gerne meinen Bachelor machen und die Erfahrung sammeln, aber gerne würde ich meinen Master in einem anderen Land machen. Ich mag Deutschland und ich denke, es war eine gute Entscheidung für mein Leben, aber ich möchte gerne nochmal woanders wohnen. Ich weiß aber für mich, dass ich am Ende doch wieder sehr gerne in Lateinamerika leben möchte.

Vielen Dank für deine Zeit Rousy!

Es gibt ganz unterschiedliche Beweggründe, die Menschen dazu bringen, ihr Heimatland zu verlassen. Doch eins haben sie alle gemeinsam: Der Aufbruch, trotz einiger Opfer und Routinen, bringt stets ein gewisses Abenteuer mit sich!

Von Joana Niloufar Sanei

Beitrag erstellt am: 14.09.2022 um 16:22 Uhr
Letzte Änderung am: 14.09.2022 um 16:22 Uhr

Joana Niloufar Sanei

... studiert Germanistik und Philosophie auf Lehramt. Neben Deutsch interessiert sie sich auch sehr für andere Sprachen und versucht ein Teil von ihnen zu lernen wann immer es geht. Nach einem vollen Uni-Tag gibt es für sie nichts schöneres als einen ruhigen Lese- oder Netflixabend und ein kleines Treffen mit Freunden. Und auch einer guten Playlist kann sie nicht wiederstehen. Begeistert vom Schreiben war sie bereits von klein auf. Während sie früher gerne Kurzgeschichten schrieb, macht sie sich nun zur Aufgabe, durch den Journalismus den Lesern aktuelle und ihr wichtige Themen nahe zu bringen.