Das Abi ist bestanden, der Entschluss zu studieren gefallen. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Zeit. Für mich stand damals fest, dass ich in meiner Heimatstadt an der Universität zu Köln studieren will. Selbstverständlich streben manche auch eine Ausbildung, den direkten Einstieg ins Berufsleben, ein FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr), Reisen oder ein duales Studium an. In jedem Fall kommt ein ganzer Berg an Hürden auf einen zu, die einen Rattenschwanz an unerwarteten und beinahe überfallähnlich zu organisierenden Dingen mit sich ziehen.
„Alltägliche Ausgaben wie Strom und Internet klopfen an die Tür“
Wer sich dazu entscheidet zu studieren, muss sich erst mal einen Platz an einer Uni suchen. Außerdem muss sich um einen Studierendenjob und meist BAföG (Bundesaubildungsförderungsgesetz) gekümmert werden. Weiterhin wollen die meisten ausziehen. Die Eltern können bei Einigem helfen, sind allerdings auch nicht allwissend und die Schule bereitet einen noch weniger vor. Zumindest meiner Erfahrung nach.
BAföG ist ein Roman an Dokumenten der, auch mit Hilfe, Knoten im Hirn verursacht. Bei der Wohnungssuche gibt es ein fundamentales Problem: Eine passende, relativ preiswerte Wohnung oder WG in annehmbarer Lage zu finden, deren Zustand in Ordnung ist. Einerseits gibt es häufig nicht genug Wohnraum für alle Wohnungssuchenden. Andererseits ist das Angebot meist entmutigend, nicht sonderlich einladend und hilflos überteuert. Nur, wie finden Studierende ein Mittelding? Ein kleiner Crashkurs für soon-to-be-Absolvent*innen wäre hier von Vorteil.
Wenn annehmbarer Wohnraum gefunden worden ist, wo und wie kann ich die*den Vermieter*in oder die WG kontaktieren? Wie formuliere ich das Anschreiben? Als ich damals meine erste Wohnung gesucht habe, musste ich in meinem bereits perfekt sein. Der Wohnungsmarkt heute ist hundert Mal schlimmer. Hier wäre das gemeinsame Formulieren eines solchen Anschreibens in der Schule von großer Hilfe – auch wenn zugegebenermaßen meist lange oder gar für immer auf die Antwort gewartet werden muss. Dennoch: Ein wenig Vorwarnung und Starthilfe für das nervenaufreibende, frustrierende und zeitaufwendige Unterfangen Wohnungssuche wäre nett.
Endlich eingezogen ist der Stress allerdings noch nicht vorbei. Alltägliche Ausgaben wie Strom und Internet klopfen an die Tür. In Studierendenwohnheimen ist beides bereits enthalten, sonst allerdings meist nicht. Auch hier wäre ein Handout und wenigstens eine Unterrichtsstunde zu ebendiesen Themen hilfreich. Denn woher soll ich wissen, welcher Stromanbieter im Preis-Leistungs-Verhältnis der Beste ist? Woher soll ich wissen, welcher Internetanbieter mir nicht das Geld aus der Tasche zieht, mir aber dennoch eine schnelle und gute Verbindung garantiert? Auch wäre es vorteilhaft zu wissen, dass die Einrichtung des Internets meist ein bis zwei Wochen dauert. Sonst sitzt mensch Däumchen drehend in der Küche und wartet darauf, dass das Internet endlich funktioniert. Eine Übersicht zu den Einwohnermeldeämtern der jeweiligen Stadt wäre auch hilfreich. Es ist kein Akt kurz Öffnungszeiten, Internet- und E-Mail-Adresse, wie auch die Telefonnummer zusammen zu suchen. Zumindest nicht, wenn es einmal für alle und auch zukünftige Jahrgänge aufgesetzt wird.
Die GEZ (Gebühren Einzugs Zentrale) ist etwas, von der garantiert niemand der*die noch nie von zu Hause ausgezogen ist, jemals gehört hat. Wenn ihr auszieht, werdet ihr. Irgendwann wird ganz ohne Vorbereitung ein Brief kommen, der mitteilt, dass mensch nun die Rundfunkgebühr zahlen muss. Das ist ein monatlicher Beitrag für Bildung, also öffentlich-rechtliche Medien. Sie ist zugegebenermaßen nicht unbedingt der beliebteste Verein. Von ihr überrumpelt zu werden macht sie allerdings auch nicht sympathischer.
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen und Ärgernisse, die durch absolut vermeidbare Unwissenheit, entstanden sind, lautet die Antwort: ja. Ich werde hier ein wenig in die Tiefe gehen, da das Krankenversicherungssystem um einiges komplizierter ist als Wohnungssuche, GEZ, BAföG oder Strom- und Internetanbieter.
Sich zu Anfang des Studiums nicht über die verschiedenen Krankenversicherungssysteme klar zu sein kann große Komplikationen und Hürden mit sich bringen. Der Grund dafür: zwei vollkommen unterschiedlich funktionierenden Krankenversicherungssysteme. Das Problem: der Wechsel von A nach B. Denn der ist während des Studiums nicht möglich. Zumindest nicht von der Privaten in die Gesetzliche. Der Grund dafür ist eine Krankenversicherungsbefreiung, die mensch als privat Versicherte*r bei der Immatrikulation unterschreiben muss. Die Frage ist nun natürlich: Warum sollte mensch sich für sein Studium nicht privat versichern lassen?
„Warum sollte mensch sich für sein Studium nicht privat versichern lassen?“
Die beiden Systeme unterscheiden sich fundamental in ihrem Prinzip. Die Gesetzliche funktioniert nach einem Solidaritätsprinzip. Sie ist verpflichtet jede*n aufzunehmen. Der monatliche Beitrag bleibt anschließend, trotz Alter oder Vorerkrankungen, bis ans Lebensende mehr oder weniger gleich. Bei der Privaten hingegen muss mensch einen Antrag stellen, der aufgrund von Alter und Vorerkrankungen abgelehnt werden kann. Bis 25 ist die Private bei Beamten als Eltern zugegebenermaßen vorteilhaft, anschließend nicht mehr. Bis 30 gibt es noch die etwas günstigere studentische Privatversicherung. Anschließend gilt mensch als voll privat versichert – und das ist teuer.
Mit dem Alter steigt der Preis weiter und ab 55 geht wechseln ohne Anwalt oder gewiefte Hintertür endgültig nicht mehr. Die Ausnahme: Studierende*r wird verbeamtet, ergo Lehrer*in, Arzt*Ärztin oder Anwalt*Anwältin. Die einzigen Möglichkeiten während des Studiums zu wechseln: bis drei Monate nach der Immatrikulation, bei einer Exmatrikulation von mindestens einem Monat oder bei der Aufnahme eines Teilzeit/Vollzeitjobs, für den mensch gesetzlich pflichtversichert wird. Bei dessen Kündigung rutscht mensch allerdings ohne Hintertür automatisch wieder zurück in die Private. Daher lasst euch gesagt sein: Wenn ihr nicht gerade aus einer Beamtenfamilie kommt und selbst verbeamtet werden möchtet, überlegt es euch dreimal, ob ihr euer Studium privat versichert anstreben möchtet.
Kann die Gesellschaft uns besser auf unseren Weg in die Eigenständigkeit und das, was damit einhergeht, vorbereiten? Meines Erachtens nach, ja. In der Schule sollte es für Absolvent*innen einen Pflichtkurs geben, in dem grundlegende Dinge für den Weg in die Eigenständigkeit angesprochen und besprochen werden. Absolvent*innen müssen sich bereits bevor es ernst wird mit Themen wie Wohnungssuche, Kalt- und Warmmiete, sowie Nebenkosten auseinandersetzen. Auch sollte gemeinsam geübt werden, wie ein Anschreiben formuliert wird. Absolvent*innen sollten lernen, worauf sie bei der Suche nach einem guten Strom- und Internetanbieter achten müssen und sich rechtzeitig um beides kümmern. Auch wäre vorteilhaft anzusprechen, was eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung ist, was die GEZ will und was eine Schufa Auskunft ist. Die Krankenversicherungssysteme müssen in der Schule ebenfalls dringend einfach und verständlich besprochen werden – vor allem für über die Familie privat Versicherte.
Zu guter Letzt müssen Lehrer*innen mit ihren Schüler*innen, sowie Eltern mit ihren Kindern anfangen über die monatlichen Kosten zu sprechen, die auch Lebensmittel, Hygieneartikel, Unibücher, die Freizeit und vieles mehr beinhalten. Sie sollten bereits während der Schule ein Gefühl für Geld und wie viel was kostet/kosten sollte vermittelt bekommen. Aktuell entlässt unser Schulsystem frisch gebackene Absolvent*innen vollkommen planlos in die Welt hinaus, ohne sie im Mindesten auf die Probleme, Hürden und das eigenständige Leben vorzubereiten.
Von Katrin Steinhausen
Beitrag erstellt am: 19.06.2022 um 10:00 Uhr
Letzte Änderung am: 19.06.2022 um 10:00 Uhr
Über Katrin Steinhausen
… ist eine leicht verrückte Labertasche voller Energie. Wenn sie nicht gerade in ihrer geliebten Heimat Köln ist, reist sie als Weltentdeckerin umher und macht die Welt zu ihrem Zuhause. Sie tanzt leidenschaftlich gerne auf Latino-Rhythmen und fühlt sich in anderen Sprachen und Mentalitäten am wohlsten. Auch wird sie hinter der Kamera zum Paparazzo und denkt sich in ihrer Freizeit Geschichten aus, die sie auch gerne zu Papier bringt. Der Journalismus hat sie schon immer begeistert und bietet ihr die Möglichkeit zu hinterfragen, zu berichten und ihr wichtige Themen anzusprechen.