Als die Universität aufgrund der Corona-Pandemie von der Präsenzlehre gänzlich auf digitale Lehrformen umstellen musste, schloss auch der Kiosk im Philosophikum. In dieser Zeit habe ich oft an Kiosk-Inhaber Bariş gedacht und gehofft, dass er mit der Rückkehr auf den Campus auch die Türen seines Geschäftes wieder öffnen kann. Und so ist es!
Daher ist es höchste Zeit, mal wieder im Kiosk vorbeizusehen und mit Bariş zu sprechen. Wie hat er die letzten zwei Jahre erlebt? Was motiviert ihn ganz grundsätzlich bei seiner Arbeit und ist er sich der Bedeutung bewusst, die er für die Studierenden der Philosophischen Fakultät hat?
Bariş begrüßt mich herzlich und wir starten das Gespräch entspannt im Schatten eines Sonnenschirms vor seinem Kiosk. Der gemeinsame Kaffee entfällt heute aufgrund der hohen Temperaturen, aber an Gesprächsstoff mangelt es nicht. Zu Beginn erzählt Bariş mir von seinen beruflichen Anfängen im Kiosk. Der Kiosk ist ein vertrauter Ort für ihn, wie er mir zu Beginn unseres Gespräches verrät: „Ich hab hier schon als Teenager mit einem Nebenjob angefangen.“ Im August 2015 übernahm er schließlich das Geschäft von seinem Vorgänger. Seinem Job ist er schon immer mit großer Begeisterung nachgegangen, aber in der Coronazeit hat Bariş noch mal besonders deutlich gemerkt, was ihm seine Arbeit an der Universität bedeutet. Er liebt die Flexibilität und die Kommunikationsmöglichkeiten, die ihm sein Job ermöglicht. „Ich bin einfach gerne unter Leuten und brauche eine gewisse Freiheit“, erklärt er mir. Seinen Arbeitsalltag weitestgehend selbst zu gestalten, ein studentisches Aushilfs-Team zu leiten und die Möglichkeit, Familie und Arbeit in Einklang bringen – all das schätzt Baris bei seiner Arbeit im Kiosk sehr. Nach Beendigung seines Studiums des Wirtschaftsrechts in Köln wusste er schnell, dass ein Job mit einem typischen Büroalltag nichts für ihn ist. Einen Job ohne den direkten Austausch mit anderen Menschen kann sich Bariş kaum vorstellen. Zudem genießt er ganz grundsätzlich die Atmosphäre, die in Köln herrscht: „Deine Herkunft ist hier egal, welcher Religion du angehörst ist auch nicht wichtig. Ob konservativ oder Normalo, das spielt keine Rolle und das ist das Gute. Jede Jeck ist zwar anders, aber hier ist es dann doch so, dass alle gleich sind. Es gibt keine Vorurteile. Und das zieht sich auch durch alle Generationen, das bekommt man hier irgendwie beigebracht.“
Bariş liebt an seinem Job auch, dass er vielfältig und abwechslungsreich ist. Denn es kommt nicht selten vor, dass Bariş seinen Kund*innen nicht nur Kaffee und Schokolade anbietet, sondern auch sein offenes Ohr. Viele Kund*innen erzählen Bariş aus ihrem Leben, man sieht sich häufig regelmäßig. Dies sei auch eine Besonderheit des Standortes an der Uni, erklärt mir Bariş, denn ein Studium ist eben nicht in wenigen Wochen abgeschlossen. Die Beziehung zur Kundschaft sei zudem nicht so anonym wie an anderen Standorten: „In einem Kiosk außerhalb der Uni hat man ein paar Stammkunden, die man täglich sieht, aber vor allem viel Laufkundschaft. Hier baut man zu vielen Personen eine individuelle Bindung auf.“
Viele Gespräche mit Kund*innen sind ihm noch nachhaltig im Gedächtnis geblieben. So erzählt er mir von einer Kundin, der er beim Betreten seines Kiosks sofort ansah, dass es ihr nicht gut ging. Er sprach die junge Frau an, woraufhin sie ihm bedrückt von ihrer Beziehungskrise berichtete. Bariş bot der Kundin in Ruhe ein Getränk an und nahm sich die Zeit, ihren Sorgen zuzuhören. Und schließlich gab es ein Happy End für die junge Frau, verrät Bariş mir lächelnd: „Tatsächlich kam die Dame dann ein paar Wochen später mit ihrem Freund noch mal zu mir, und es war wieder alles in Ordnung!“ Es sind genau solche Momente, die ihm zeigen, wo sein berufliches Herz schlägt.
Schließlich kommen wir auf die harte Zeit zu sprechen, in der Bariş seinen Kiosk aufgrund der Pandemie schließen musste. Von heute auf morgen brachen seine Einnahmen weg, die laufenden Kosten jedoch blieben. Die Uni stundete die Miete für das Ladenlokal im Philosophikum, was eine wichtige finanzielle Entlastung für ihn bedeutete. Nach sieben Monaten erhielt Bariş auch staatliche Überbrückungshilfen. Vorübergehend nahm er einen Job in der Filiale einer großen Einzelhandelskette an. Die Tätigkeit dort verdeutlichte ihm aber umso mehr, dass der Kiosk für ihn mehr als ein bloßer Job ist und er sich beruflich dort sieht. Bariş hielt diese schwierige Zeit durch, versuchte sich selbst aufzubauen: „Ich hab mir gesagt, das ist nicht für die Ewigkeit. Du kriegst das hin.“ Der Traum, wieder in seinen Kiosk an der Uni zurückkehren zu können hat ihn besonders angetrieben. Trotz all der Sorgen und Nöte hat Bariş es geschafft, nicht in ein Schwarz-Weiß Denken zu verfallen: „Es gibt immer Pro- und Kontra, also immer zwei Seiten.“ Bariş bewahrt sich trotz allem seine Positivität und Zuversichtlichkeit, und ich habe das Gefühl, dass ein bisschen davon während des Gesprächs auch auf mich übergeht. Auch schöne Erlebnisse an der Uni haben ihm geholfen, sich immer wieder zu motivieren. So erzählt Bariş mir von einem Arbeitstag im Sommer, als eine neue Bierlieferung eintraf und er spontan mit ein paar Stammkunden einen entspannten Abend verlebte.
Aber nicht nur Bariş hat gemerkt, was ihm sein Job an der Uni bedeutet, er hat in der Coronazeit auch gemerkt, was er und sein Kiosk den Studierenden sowie den Beschäftigten der Uni Köln bedeutet. Eine Gruppe Studierender, darunter ein Stammkunde von Bariş, riefen zu Beginn der Pandemie eine Petition ins Leben, um ihn finanziell zu unterstützen. Diese Aktion verdeutlichte Bariş, dass er ein wichtiger Teil des universitären Lebens ist und von den Menschen an der Universität geschätzt wird: „Vorher dachte ich mir, ich bin einer von vielen. Aber es ist sehr schön zu merken dass man anerkannt wird und gerne hier gesehen wird. Nach dieser Aktion ist mir das erst so richtig bewusst geworden.“
Gegen Ende des Gespräches frage ich Bariş, was er sich für die Zukunft wünschen würde. Über die Antwort muss er nicht lange nachdenken: „Zunächst würde ich mir wünschen, dass die Uni nicht erneut schließen muss, dann wären wir wieder in Not. Mein zweitgrößter Wunsch wäre, dass dieser Platz hier vor dem Kiosk wieder so wie früher wird oder zumindest begehbar.“ Vor den Bauarbeiten für den Fahrradkeller kamen auf dem Platz vor seinem Ladenlokal viele Menschen zusammen, im Sommer fanden Konzerte statt. Bariş wünscht sich, dass die Baustelle fertig gestellt und der Platz wieder ein Ort des Beisammenseins wird. Und ich bin mir sicher, damit ist er nicht alleine.
Von Mariann Schneider
Beitrag erstellt am: 16.06.2022 um 10:06 Uhr
Letzte Änderung am: 17.06.2022 um 18:41 Uhr
Über Mariann Schneider
... studiert im Master Medienwissenschaft und Medienrecht. In ihrer Freizeit ist sie gerne im Kino oder in einem der zahlreichen Cafes in Köln. Genau so gerne flaniert sie durch den Stadtwald oder liest ein gutes Buch auf dem Balkon, am liebsten von Agatha Christie.