Blind studieren

Mehr von den Leitlinien – wie hier vor dem Studierenden Service Center – für Menschen mit Sehschwächen würden den Alltag enorm erleichtern. Foto: Mariann Schneider.

Wie barrierefrei ist die Uni?

Stellen wir uns einmal gemeinsam etwas vor: Wir stehen auf dem Albertus-Magnus-Platz und haben die Augen geschlossen. Wie würdet ihr ins Phil Café finden? Oder in einen Hörsaal im Hörsaalgebäude? Für Maja (Name von der Redaktion geändert), Studentin an der Philosophischen Fakultät, sind diese Fragen alltäglich. Sie hat nur noch weniger als 5% ihrer Sehkraft und gilt damit als blind. Im Gespräch hat sie mir erzählt, wie sie sich trotz und mit ihrer Beeinträchtigung an der Universität zurechtfindet und was sie sich für die Weiterentwicklung der Barrierefreiheit wünscht.

Mensa Zülpicher Straße

Wir treffen uns vor der Mensa an der Zülpicher Straße. Maja hat mich eingeladen, mir ihren Unialltag als blinde Studentin zu zeigen. Kaum haben wir die Mensa betreten, zeigt sich das erste Problem: Am Boden gibt es keine Leitlinien. Diese sind das Blindenleitsystem, das sich am Boden befinden und das mit einem Taststock die Richtung angibt. Für Maya bedeutet dies, dass sie sich Wege auswendig merken, oder von einer sehenden Person geführt werden muss.

Die nächste Hürde ist die digitale Anzeige der Essensausgabe. Wer sie nicht selber lesen kann, findet keine Möglichkeit, sie sich vorlesen zu lassen. Welche Gerichte wo zu finden sind, muss Maja sich also von einer sehenden Person erklären lassen. Eine mögliche Lösung wäre hier eine automatische Ansage, die sich per Knopf bedienen lässt, wie es bei einigen Bahnstationen mittlerweile üblich ist.

Dozierende

Auf dem Weg zum Philosophikum erzählt Maja von den Hürden, die sich ihr während der Lehrveranstaltungen stellen. Zu Beginn des Studiums hat sie einen Nachteilsausgleich ausgefüllt, in dem verschiedene Hilfestellungen festgelegt sind, die ihr den Studienalltag erleichtern sollen. Eine dieser Hilfestellungen ist, dass Dozierende ihr die Power Points einige Tage vor der Veranstaltung zukommen lassen müssen. So hat Maja genügend Zeit, sich die Folien von einer Software vorlesen zu lassen. Leider funktioniert das nicht immer: „Von den acht Veranstaltungen, die ich dieses Semester habe, machen das zwei Dozierende nie. Die sind der Meinung, ich solle das über die Assistenzstelle machen lassen. Aber dafür sind die eigentlich nicht zuständig.“

Häufig muss Maja die Dozierenden immer wieder darauf hinweisen, ihr die Materialien zeitig zu schicken. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. „Manchmal habe ich auch keinen Nerv mehr, denen immer zu schreiben. Dadurch breche ich manchmal auch Seminare dann komplett ab.“ Aber: es gibt auch Positivbeispiele. Viele Dozierende, so sagt sie, würden ihr alles zeitig zur Verfügung stellen und ihr zusätzliche Hilfe anbieten, wenn sie sie benötigt. Auch in Klausuren bekäme sie mehr Zeit oder könne Teile der Prüfungen mündlich ablegen. Aber dass sie ihr Recht auf Unterstützung ständig neu einfordern müsse, macht Maja trotzdem wütend.

Der Campus und seine Gebäude

„Auf dem Albertus Magnus Platz finden sich zwar vereinzelt Leitlinien, diese enden aber kurz vor den Gebäudeeingängen. In den Gebäuden selbst fehlen sie vollständig.“

Bisher hatte Maja ihre Unterrichte nur im Philosophikum, dem Hauptgebäude und dem Hörsaalgebäude. Ähnlich wie bei der Mensa an der Zülpicher Straße ist hier noch Luft nach oben. Auf dem Albertus-Magnus-Platz finden sich zwar vereinzelt Leitlinien, diese enden aber kurz vor den Gebäudeeingängen. In den Gebäuden selbst fehlen sie vollständig. Das Gleiche gilt für Wegweiser und Raumbeschriftungen: An den meisten Stellen sind sie nur in einfachen Buchstaben, aber nicht in Braille-Schrift zu finden.

Auch hier sind Begleitpersonen also oft unabdingbar, um Unterrichtsräume zu finden. Auch dadurch kann Maja Lehrveranstaltungen oft nicht besuchen: „Wenn ich bis 17.30 Uhr Unterricht habe und dann um 17.45 Uhr den nächsten, dann habe ich oft eine Assistenz, die mich begleiten soll. Wenn diese aber schon mal ausfällt, dann schaffe ich den Weg allein nicht schnell genug.“ Wie Frieder Schumann vom Servicezentrum Inklusion erklärt, hat die fehlende Barrierefreiheit mehrere Hintergründe: „An der Uni Köln gibt es einen Leitfaden für barrierefreies Bauen. Aber der gilt nur für Neubauten. Überwiegend gibt es denkmalgeschützte Altbauten an der Hochschule. Auch Architektur orientiert sich oftmals zuerst an Ästhetik und dann irgendwann an Fragen der Barrierefreiheit.“

Uni Köln – Eine inklusive Uni?

Die drei Stunden, die ich mit Maja auf dem Campus verbringen durfte, haben das Verbesserungspotenzial der Uni in Sachen Barrierefreiheit deutlich gemacht. Größtenteils fehlende Leitlinien, Beschilderungen, die nicht ertastbar sind und Anzeigen, die nicht sprechen können, sind nicht mit Denkmalschutz oder ästhetischen Bauwünschen zu rechtfertigen. Denn was sollte an der Uni wichtiger sein, die Inklusion aller Studierenden oder Ästhetizismus? Dabei ist ein Handeln der Verantwortlichen genauso wichtig wie die Mithilfe der Kommiliton*innen. Da wo die Barrierefreiheit versagt, können wir durch Hilfsbereitschaft für mehr Inklusion sorgen. Denn wie Frieder Schumann es im Gespräch feststellte: „Barrierenabbau für behinderte Menschen ist kein nice-to-have, sondern ein need!“

Von Alice Fatzaun

Beitrag erstellt am: 14.05.2022 um 10:19 Uhr
Letzte Änderung am: 14.05.2024 um 10:34 Uhr