Kölner Sehnsuchtsorte: Die Stadt hinter dem Trubel

Person sitzt draußen vor einem improvisierten Tisch
Diego ist Teil des „Urban Gardening“ Projektes in Köln. Foto: Lea Brüggemann.

Ob ein antiker Buchladen, urbaner Garten oder ein gemütliches Café. Hier sind drei Orte zum Entspannen, für die ihr nicht weit fahren müsst.

Kennt ihr das auch? Es ist wieder einmal so viel los, Unistress, dann noch arbeiten und das Wetter spielt auch nicht so richtig mit. In solchen Momenten sehnen wir uns nach Urlaub oder einfach einer kleinen Auszeit irgendwo, wo es schön ist. Ich bin für euch auf die Suche gegangen und möchte euch drei Sehnsuchtsorte in Köln vorstellen, an denen ihr für ein paar Stunden den Alltag vergessen und frisch erholt und mit neuer Energie wieder in euren Tag starten könnt.

Abtauchen in andere Welten

„Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt“, hat der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges mal gesagt und führt uns damit zu unserem ersten Ort: einem kleinen Buchladen in Sülz, Weyertal. Der Holzboden knarzt, als ich durch die offene Tür in das Antiquariat von Ulrich Doege trete. Sobald befinde ich mich in einem Meer von Büchern, die teils in deckenhohen Regalen stehen oder kreuz und quer auf dem Boden gestapelt sind. „Im Laden meines Nachbarn ist es aufgeräumter!“, höre ich eine freundliche Stimme hinter einem Bücherberg sagen.

Der siebzigjährige Antiquar hat den Laden vor 20 Jahren eröffnet, nachdem er eine alte Bibliothek im gehobenen Kölner Stadtteil Marienburg aufgekauft hat. Ich stöbere weiter durch die Regale, bis ich in einem zweiten Raum stehe, in dem das Bücherchaos nicht mehr zu leugnen ist. Mein Blick fällt auf eine in die Jahre gekommene Ausgabe von James Joyce‘ Ulysses. Während ich mich umschaue, entdecke ich noch einige weitere Klassiker der deutschen und englischsprachigen Literatur. Tatsächlich deckt der heutige Bestand Teilgebiete der Germanistik, Philosophie, Kunst und Fotografie ab. Seine Bücher bekommt Ulrich Doege größtenteils aus Hausauflösungen.

Raum mit vielen Büchern
Ein unverkennbares Flair eines Antiquariats. Foto: Lea Brüggemann.

Auch während ich mich im Laden aufhalte, erhält er einen entsprechenden Anruf. „Es ist nicht schwer, an Bücher zu kommen, aber seitdem die Universität geschlossen hat, ist es schwer, sie loszuwerden“, erfahre ich kurz darauf. Denn zu seiner Hauptkundschaft gehören Studierende und Dozierende der nahe gelegenen Universität. Antiquariate wie diese gibt es kaum noch in Köln. Während es damals um die 80 waren, lassen sich heute nur noch knapp 20 dieser Läden zählen. „Das liegt an den hohen Mietpreisen in der Stadt“, erklärt Doege, „ich habe Glück, dass meine Vermieterin mit den Preisen sogar nach unten geht!“, lacht er. Der kleine Laden wirkt so gemütlich mit dem Dielenboden, den schönen Fensterrahmen und den alten Holzregalen. Hier könnte ich mich stundenlang zwischen den Bücherreihen verlieren. Irgendwann schaffe ich es, mich doch loszureißen und verlasse das Antiquariat mit einem Exemplar von Jane Austens Mansfield Park.

Antiquariat im Weyertal
Adresse: Weyertal 17, 50937 Köln-Sülz
Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 12:00 Uhr bis 18 Uhr; Sa. 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr
Erreichbar über die 9 Haltestelle Weyertal
Webseite: http://www.ulrich-doege.de/

Stay calm and keep gardening

Auf der anderen Seite des Rheins zwischen Konzert- und Industriehallen existiert eine kleine Oase in der Stadt. „Ich möchte einen Ort schaffen, der lebendig ist, an dem Menschen, Pflanzen und Insekten zusammen leben können und der gleichzeitig Raum für Freiheit und Kreativität schafft!“, Diego sitzt vor mir und gestikuliert – während er spricht – leidenschaftlich mit seinen Händen. Wir befinden uns im Carlsgarten vor dem Schauspiel Köln in Mühlheim. Der Garten wurde 2013 mithilfe von mehreren freiwilligen Helfer*innen errichtet. Es handelt sich hierbei um ein Urban Gardening Projekt, bei welchem Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, Pflanzen und Kräuter mitten in der Stadt anzubauen.

In den zahlreichen Hochbeeten finde ich Küchenkräuter, Gemüse, Heilpflanzen und sogar Färbepflanzen. Jedes Beet ist mit einem kleinen Schild beschriftet, welches Informationen über die jeweiligen Pflanzen bereitstellt oder Rezeptvorschläge präsentiert. Zwischen den Beeten stehen Bänke und Tische aus Paletten, die zum Verweilen einladen und von den Mitarbeiter*innen dort selbst gebaut worden sind. „Einmal im Monat organisieren wir ein Gartenfest, bei dem wir alle um den alten Pizzaofen herumsitzen und selbst gemachte Pizza essen“, erzählt der gebürtige Argentinier. Diego ist gelernter Kräuterpädagoge und gibt hin und wieder Workshops zu der Wirkung von verschiedenen Kräutern. Außerdem gibt es die Möglichkeit, die natürlichen Farben der Färbepflanzen in einem Kunstworkshop auf Papier oder Textilien auszuprobieren.

Garten in einer Großstadt
Der Carlsgarten ist einer von 18 Urban Gardening Projekten in Köln. Foto: Lea Brüggemann.

Für mich ist der Carlsgarten wie eine bunte Mischung aus Pflanzen und kleinen Kunstwerken. So hängen dort zum Beispiel gebastelte Laternen in Form von Schmetterlingen von einer aus Ästen gebauten Kuppel. Auf der einen Seite schirmen dunkelblau gestrichene, aufeinandergestapelte Container die Sicht zur Straße ab und bilden gleichzeitig eine Art Brücke. Von dieser habe ich eine schöne Aussicht auf den Platz. Von dem Geländer bis hin zur Backsteinwand des Schauspielgebäudes baumeln liebevoll aufgehängte Lichterketten mit dicken Glühbirnen über den gesamten Garten. Der Carlsgarten ist jederzeit und für jede*n geöffnet. Die Menschen kommen an den Platz zum Lesen, Meditieren, Gärtnern oder einfach um eine Pause zu machen. „Gerade die Zeit während der Krise hat gezeigt, wie notwendig solche Orte der Entspannung sind, an denen wir einfach nur sein können.“ Diego hat erlebt, dass Menschen in seinem Umfeld durch das Wegbrechen ihres Arbeitsalltags in schwere Krisen gerutscht sind und betont, wie wichtig es ist, das  Leben so zu nehmen, wie es kommt. Der Carlsgarten ist in seiner vielfältigen, lockeren Atmosphäre und Nähe zur Natur, fernab vom geregelten Alltag, ein wahrer Sehnsuchtsort in der Stadt!

Carlsgarten
Adresse: Schanzenstr. 6-20, 51063 Köln-Mülheim
Erreichbar über den Bus 104 oder 150, Haltestelle Schanzenstr./ Schauspielhaus | Linie 4, Haltestelle Keupstr.
Webseite: http://www.carlsgarten.koeln/

Zwischen Bambus und französischen Croissants

Émilie hat sich ihren Traum erfüllt. Ein kleines französisches Café, das ganz so ist wie sie selbst. Freundlich, authentisch und … französisch. „Natürlich hatte ich viel Unterstützung von meiner Familie, mein Bruder war es auch, der mich dazu ermutigte, mein eigenes Café zu eröffnen“, strahlt die 31-Jährige. Von außen ziert der Schriftzug Chante Cocotte das breite Fenster. Dies bedeutet so viel wie: „Sing weiter Huhn, ich bin nicht interessiert!“ Eine Redewendung aus ihrer Heimatstadt Sète, die oft gebraucht wird, wenn sich jemand nicht schert.

Kleine Tische im Innenhof
Der nette Innenhof lädt zum Verweilen ein. Foto: Émilie Donès.

Ich gehe an der Vordertür vorbei und gelange durch den schmalen Hausflur in den gemütlichen Hinterhof mit bunten Bistrotischen und Stühlen, die sich die Inhaberin alle auf Flohmärkten in Frankreich zusammengesucht hat. Es fühlt sich tatsächlich an, als hätte ich soeben Köln verlassen und wäre stattdessen auf einer Terrasse irgendwo in Südfrankreich. Der Wind raschelt in den Bambussträuchern und es duftet nach frischen Croissants und Kaffee. Die junge Französin kam für ein Masterpraktikum nach Köln und blieb der Liebe wegen in der Stadt. Nachdem sie zunächst einige Zeit in einem Café in Ehrenfeld gejobbt hatte, entschied sie sich dazu, ihr ganz eigenes Café zu eröffnen. Da ihr Bruder in Frankreich schon einmal ein Bistro geführt hat, kannte sie die Abläufe bereits.

Ein Blick auf die Speisekarte zeigt ein paar wenige ausgewählte französische Leckereien. Émilie erklärt: „Ich möchte es gerne einfach halten und mich auf wenige Gerichte konzentrieren und diese gut machen.“ Bis auf die Croissants, die sie extra aus Frankreich bestellt, backt und kocht sie alle Speisen selbst. Ihre Kaffeebohnen erhält sie von der Kölner Kaffeerösterei Schamong. Das Café ist der perfekte Ort, um sich ein paar Stunden nach Frankreich weg zu träumen und sich anschließend erholt und gesättigt wieder an die Arbeit zu machen. Émilie hat sich ihren Traum erfüllt und etwas gewagt, wonach sich viele nur sehnen. So gesehen ist das Café sowieso ein echter Sehnsuchtsort!

Chante Cocotte
Adresse: Sülzburgstraße 96, 50937 Köln
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr; Dienstag geschlossen
Erreichbar über die Linie 16,18 Arnulfstr. oder Linie 13 Berrenrather Str.
Webseite: https://www.instagram.com/chantecocottecafe/

Auch wenn ihr denkt, ihr kennt bereits jede Ecke in der Stadt, lohnt es sich auf Entdeckungstour zu gehen und die Augen und Ohren offen zu halten. Ich bin mir sicher, dass es für jede*n noch etwas Neues zu entdecken gibt. Und wer weiß, vielleicht findet ihr somit noch eure ganz persönlichen Sehnsuchtsorte in der Stadt. (Wenn ihr sie nicht bereits gefunden habt).

Von Lea Brüggemann

Beitrag erstellt am: 30.03.2022 um 14:16 Uhr
Letzte Änderung am: 30.03.2022 um 14:16 Uhr