Wenn wir im Alltag „digital“ sagen, dann meinen wir damit in der Regel nur das Gegenteil von analog: Eine JPEG-Datei statt einer Fotografie, ein E-Book statt eines Buches; also alles, was irgendwann einmal fotografiert beziehungsweise gescannt und „online“ zur Verfügung gestellt wurde. „Digitalisieren ist aber mehr als scannen“, sagt Christiane Hoffrath, Dezernentin für Historische Bestände und Sammlungen, Bestandserhaltung und Digitalisierung an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln. Für sie ist bei der Digitalisierung von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen nicht nur das Ergebnis des Scanvorgangs wichtig, sondern auch die dazugehörigen Daten der Objekte, weswegen auch die vorausgehende Datenüberprüfung einer umfassenden Organisation und Planung bedarf: So ist in der Regel zunächst einmal die Rechtslage zu überprüfen, bevor ein Buch beziehungsweise Dokument digitalisiert und online gestellt werden darf. Denn ist es zu diesem Zeitpunkt jünger als 70 Jahre alt, muss die Erlaubnis der Urheber*innen eingeholt werden, ehe das geistige Eigentum als digitale Kopie veröffentlicht werden darf.
„Digitalisieren ist mehr als scannen.“
Christiane Hoffrath
Darüber hinaus sind viele Digitalisierungsvorhaben in (Forschungs-)Projekte eingebunden, sodass im Vorfeld der Planung die technischen, räumlichen sowie personellen Ressourcen durch das Projektmanagement überprüft werden müssen. Allerdings gäbe es auch Fälle, in denen diese Kriterien zwar erfüllt wären, die Dokumente aber dennoch nicht digitalisiert werden könnten: Wenn etwa ein Buch physische Mängel aufweist oder zu eng gebunden ist, sodass das Scannen an sich nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund betrachtet, handelt es sich bei der sogenannten „Digitalisierung“ um einen sehr zeit- und kostenintensiven Prozess, bei dem Aspekte der Sammlung, Bearbeitung und Konservierung von Daten sowie des Datenschutzes stets mitgedacht werden müssen.
Mit dem Umstieg auf neue Übertragungstechniken in den 90er Jahren begannen auch die ersten digitalen Arbeitsprozesse an der Universität zu Köln, sodass die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB) auf eine fast zwanzigjährige Erfahrungsgeschichte in puncto technischer Fortschritt blicken kann. Zu Beginn der Digitalisierung stand ausschließlich das Bild als Endprodukt im Fokus der Bemühungen; 2015 wurde sodann das Dezernat „Historische Bestände und Sammlungen, Bestandserhaltung und Digitalisierung“errichtet, wodurch ein völlig neu strukturierter Digitalisierungsprozess entwickelt wurde, das seitdem an der Erhaltung, Digitalisierung und Präsentation der historischen Bestände und Sammlungen der Universitäts- und Stadtbibliothek arbeitet. Digitalisierung spielt aber auch im Bereich der Langzeitarchivierung und des Forschungsdatenmanagements eine große Rolle, weswegen das Digitalisierungszentrum der USB zugleich in die Forschung und Lehre der Universität eingebunden ist, wodurch sie letztlich auch im Auftrag der jeweiligen Institute agiert beziehungsweise mit ihnen kooperiert. Aktuell laufen in der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln im Bereich der Sammlungen mehrere solcher Digitalisierungsprojekte wie zum Beispiel das Jesuitenprojekt in Kooperation mit dem Historischen Institut. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, die seit 1544 bestehende Kölner Jesuitenbibliothek als Sammlung virtuell wiederherzustellen und nutzbar zu machen. Des Weiteren besteht auch eine Kooperation mit dem Institut für Altertumskunde, welche im Rahmen eines Drittmittelprojektes an der Digitalisierung von über 10.000 antiken Münzen arbeitet, die das Institut für Altertumskunde beherbergt.
Die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln habe ihren digitalen Output in den letzten vier Jahren verdoppelt, was für eine sehr gute Datenerschließungsbilanz sprechen würde. Nichtsdestotrotz gäbe es an manchen Stellen noch Nachholbedarf: Wie an vielen anderen deutschen Universitäten herrsche auch an der Kölner Universität kein einheitliches Vorgehen in diesem Bereich, da die Digitalisierungsprojekte keinem zentralisierten Verfahren unterliegen würden. Dieser Aspekt betrifft allerdings nicht nur die Bibliotheken, denn wie die Corona-Pandemie zeigt, liegen deutsche Schulen und Krankenhäuser im digitalen Transformationsprozess international verglichen ebenfalls noch sehr weit hinten. Deswegen müssen dringend einheitliche Qualitätsstandards eingeführt und digitale Infrastrukturen weiter ausgebaut werden.
Die Digitalisierung bringt viele Chancen mit sich, hat aber auch Nachteile: Positiv ist vor allem, so Christiane Hoffrath, dass Daten und Informationen jederzeit frei verfügbar wären, wodurch Arbeiten, Forschen, Lehren und Lernen zeit- und ortsunabhängiger würden. Dieser Aspekt hat nicht nur den Vorteil, dass Arbeitsprozesse zukünftig flexibler gestaltet werden können. Gerade im Forschungsbereich bedeutet dies, dass Texte und Dokumente plötzlich in einem viel größeren Umfang angeboten, verglichen und überprüft werden können, wovon nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch Studierende profitieren. Somit entstehen, durch die ständige Verfügbarkeit von Medien und Aktualisierung von Arbeitsergebnissen, auch stets neue Projekte, wodurch sich die Wissenschaften zunehmend verdichten und vernetzen.
Allerdings bringt die Digitalisierung auch Nachteile mit sich, meint Christiane Hoffrath: So weist sie an erster Stelle darauf hin, dass digitale Inhalte leichter verloren gehen würden , weswegen sie auch weniger „nachhaltig“ wären. Weil das Tempo der Produktion und des Konsums von digitalen Medien häufig schneller sei als die Archivierung dieser Informationen, gäbe es vor allem in puncto Nach-Nutzbarkeit und Langzeitarchivierung von digitalen Medien noch einige Lücken. Darüber hinaus macht Christiane Hoffrath darauf aufmerksam, dass Digitalisate eben keine Originale, sondern Kopien sind, womit wieder Nachteile einhergingen: Somit können digitale Medien gestohlen, zerstört oder in großen Massen verfälscht und verbreitet werden, weswegen bei digitalen Transformationsprozessen auch immer Aspekte von Datenschutz und Datensicherheit mitgedacht werden müssen. Nichtsdestotrotz bringen digitale Arbeits-, Lehr- und Lernformen viele Vorteile mit sich, sodass die Kölner Universität inklusive der Kooperationspartner ihre digitalen Angebote immer weiter ausbauen und verbessern möchten. Damit würden sie nicht nur ihrem Anspruch als Exzellenzuniversität gerecht werden, sondern würden auch für ihre Mitarbeiter*innen und Studierenden die bestmöglichen Arbeitsbedingungen schaffen.
Von Asya Alacaoğlu
Beitrag erstellt am: 22.04.2021 um 09:56 Uhr
Letzte Änderung am: 23.04.2021 um 21:57 Uhr