Sprüche auf Schildern aus Pappkartons schmücken die Straßen, in pink gesprayte Zitate bemalen den Asphalt und überall sind Stimmen zu hören, die laut Änderungen fordern. So erlebten viele Kölner*innen ihre Stadt am vergangenen Montag. Und unter ihnen bin ich: Eine Frau, die noch ihren Platz in dem ganzen Gewusel finden muss. Nicht nur auf den chaotischen Kölner Straßen, sondern auch im Feminismus an sich. Denn so leicht ist es nicht sich als Frau Feministin zu nennen, auch wenn ich doch eigentlich müsste, oder? Immerhin geht es hier um meine Rechte, meinen Körper, meine Ungleichbehandlung in der männer-dominierten Welt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, und so wage ich mein ganz persönliches Abenteuer und mache mich auf den Weg zum feministischen Kampftag. Ob ich hier meine Antworten bekomme und meinen persönlichen Weg zum Feminismus finde? Das weiß ich zu Beginn meiner Reise noch nicht. Doch wie sich bald herausstellen wird, ist die Reise vielleicht sogar noch interessanter als das Ziel selbst.
Meine erste Station ist das Barthonia Forum in Ehrenfeld, wo eine ROSA-Aktion zum Thema „Sexismus hat System“ stattfindet. Als ich dort ankomme, hat die Veranstaltung bereits angefangen. Eine der Aktivistinnen der SAV (Sozialistische Alternative) hält eine Rede. Es geht um Frauen und das Berufsleben und, dass Frauen trotz gleicher Qualifikation nach wie vor weniger Gehalt bekämen als Männer. Eine Tatsache, welche mir selber als Frau peinlicherweise nicht bewusst war und mich so umso mehr Stirnrunzeln lässt. Als ich mich neugierig umgucke und in Richtung Infotisch laufe, sehe ich eine Sprayschablone am Boden mit dem Spruch „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark!“. Ein Zitat von Rosa Luxemburg. Kaum habe ich den Spruch der Schablone durchgelesen, spricht mich eine der Aktivist*innen an und versorgt mich gleich mit Informationen zur SAV die heute hier die ROSA-Aktion veranstaltet, um den Menschen verständlich zu machen, dass Sexismus kein Problem des Einzelnen, sondern integriert in das System ist. Die Aktivist*in am Stand lädt mich direkt zu einer Info-Veranstaltung am 11. März ein, bei welcher es um Frauen im Berufsleben geht. In der unmittelbaren Nähe befindet sich eine große Pinnwand, auf welcher Besucher*innen schreiben können, warum sie heute hier sind. Eine interessante Idee, die direkt meine Aufmerksamkeit gewinnt und mich nachdenklich stimmt. Es ist erschreckend zu lesen: „Weil ich mit 19 schon zwei Mal vergewaltigt wurde“ oder „Wir sind nicht alle hier, die Ermordeten fehlen“. Nicht alle sind so drastisch, mit einigen kann ich mich aber sogar identifizieren. So muss ich schmunzeln, aber auch schwer durchatmen als ich lese: „Weil ich es satt bin, aufgrund meines Geschlechts nicht ernst genommen zu werden“. Wie wahr, wie wahr.
Als ich mich der nächsten Rede widme, geht es um die Problematik, dass nach wie vor zu wenig Frauen in Führungspositionen vertreten seien und dass es doch schon sehr traurig sei, dass wir nach wie vor eine Frauenquote bräuchten. Außerdem weist die Redner*in darauf hin, dass es zahlreiche weibliche Lehrende, aber fast ausschließlich männliche Schulleitende gebe. Gleichzeitig ist es nur ein Beispiel von vielen. Die Stimmung ist positiv, heiter und ich spüre Zusammenhalt und Support. Interessant finde ich außerdem die Reden, in denen die Aktivist*innen von Erfahrungen vom Alltag von Pfleger*innen erzählen und auf strukturelle Geschlechter-Ungleichheiten hinweisen. Dabei motivieren sie die Zuschauer*innen mit Demo-Sprüchen wie: „Wir kämpfen gegen Sexismus jeden Tag, und das ist eine Realität.“
Die zweite Veranstaltung, an der ich teilnehme, ist die Demonstration des antirassistischen und internationalen Blocks am Wiener Platz. Bereits als ich mit der Bahn ankomme, sehe ich, dass der Wiener Platz voll ist. Wesentlich voller als das Barthonia Forum in Ehrenfeld. Ich sehe Flaggen – vermutlich der einzelnen Organisationen – und viele Schilder. Die Atmosphäre empfinde ich als gelöster, offener, fröhlicher und allumfassender. Ich fühle mich schlicht wohler hier. Kaum stehe ich auf „meinem Platz“, fängt eine Frau an zu singen. Es verbreitet gute Laune und macht Stimmung. Es folgen mehrere Reden von verschiedenen Organisationen. Es geht um physische Gewalt gegen Frauen und den viel zu oft fehlenden Respekt gegenüber ihnen: „Mein Körper gehört mir, mir ganz allein!“, sagt sie Uns wird die Geschichte einer Türkin erzählt, die Opfer häuslicher Gewalt wurde und trotzdem ohne ihre Kinder in die Türkei abgeschoben wurde. Auch bewegt mich der spanische Beitrag einer Mexikanerin. Der Begriff Feminicidio (übersetzt: Feminizid) bleibt ganz besonders hängen. Es bedeutet das Töten von Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts. In einer anderen Rede geht es um die die physischen wie auch psychischen Auswirkungen von Sexismus. Hier vor allem um verbalen Sexismus, Alltagssexismus und traumatische Erfahrungen. Die Rede konzentriert sich auf den intersektionalen Rahmen des Zusammenspiels von Sexismus und Rassismus. Die Redner*innen fordern: „Fragt euch! Wo bin ich marginalisiert? Wo privilegiert? Was kann ich tun?“ Ich nicke nur, fühle mich am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Zum Abschluss gibt es ein wenig Rap von zwei Aktivist*innen an dessen Ende der ganze Platz mitmacht und anschließend laut jubelt und klatscht. Die Stimmung ist einfach großartig und gibt unglaublich viel Kraft. Schließlich mache ich mich auf den Weg zur Abschlusskundgebung am Rudolfplatz, wäre aber gerne noch gebelieben. Ich verlasse die Demonstration tief bewegt und wissend, dass sich etwas in mir verändert hat.
Am Rudolfplatz angekommen, bekommt direkt die große Menschenmenge meine Aufmerksamkeit. Die ersten Worte der Aktivist*in am Mikrofon klingen zunächst wie eine Dankesrede. Hierbei wird nicht nur erklärt, dass die Beiträge auch auf Englisch und Türkisch übersetzt werden, sondern auch, dass die Männer gerne willkommen sind, die Frauen aber bitte aus den hinteren Reihen unterstützen. Was ich davon halte, weiß ich noch nicht. Dass die Reden allerdings auch auf Türkisch übersetzt werden, finde ich klasse. So wird die immerhin zweitgrößte Populationsgruppe in Köln anerkannt und räumt ihr einen Platz ein. Schließlich beginnen die Reden der einzelnen Gruppen, inklusive musikalischer Acts zwischendurch. Es gleicht ein wenig einer klassischen Demonstration. Jede*r Redner*in hat ein eigenes Thema, das mal mehr und mal weniger mit dem der anderen Redner*innen interferiert. Immerhin geht es um das alles umfassende Thema Sexismus. Mal versteht mensch alles, mal kaum etwas. Im Großen und Ganzen ist allerdings doch vergleichsweise viel zu verstehen. Als der Platz immer voller wird, werden wir von den Organisator*innen immer wieder gebeten auf den Abstand zwischen einander zu achten. Ein bisschen Musik, zu der wir uns alle bewegen, während die Polizei zwischen den Leuten durchgeht, um uns auseinander zu treiben, lockert die Stimmung wieder ein wenig auf und erinnert daran, warum wir eigentlich hier sind: Um für unser Recht zu kämpfen: „My body, my choice!“, wie ein Plakat vor mir treffend aussagt. Irgendwann beschließe ich, für heute genug Eindrücke mitgenommen zu haben. Außerdem ist mir unglaublich kalt. Durch eine Mitstreiterin erfahre ich später, dass die Kundgebung wie geplant bis zum Ende durchgezogen werden konnte. Ein Happy End also für den Internationalen Frauentag in Köln. Mein Fazit des 8. März, dem Internationalen Frauentag, ist, dass er unglaublich bereichernd und stärkend war, und mich wachgerüttelt hat. Denn ich muss zugeben, ich war noch nie aktiv beim 8. März dabei. Der heutige Tag hat mir aber gezeigt, ich werde bei jedem kommenden dabei sein.
Von Katrin Steinhausen
Beitrag erstellt am: 14.03.2021 um 20:47 Uhr
Letzte Änderung am: 15.03.2021 um 09:25 Uhr
Über Katrin Steinhausen
… ist eine leicht verrückte Labertasche voller Energie. Wenn sie nicht gerade in ihrer geliebten Heimat Köln ist, reist sie als Weltentdeckerin umher und macht die Welt zu ihrem Zuhause. Sie tanzt leidenschaftlich gerne auf Latino-Rhythmen und fühlt sich in anderen Sprachen und Mentalitäten am wohlsten. Auch wird sie hinter der Kamera zum Paparazzo und denkt sich in ihrer Freizeit Geschichten aus, die sie auch gerne zu Papier bringt. Der Journalismus hat sie schon immer begeistert und bietet ihr die Möglichkeit zu hinterfragen, zu berichten und ihr wichtige Themen anzusprechen.