Aus Schwarz-Weiß wird Vierfarbig

Zwei Cover der philtrat
Links die Ausgabe 107 und rechts die Ausgabe 108 – erstmalig in Farbe. Foto: philtrat.

Eine der wohl einschneidendsten Entwicklungen der Redaktionsgeschichte der philtrat war die Layoutänderung von einer Schwarz-Weiß-Zeitung zu einem farbig gedruckten Magazin. Im Interview mit den beiden damaligen Chefredakteurinnen Alina Finke und Vera Kleinken erzählen die beiden über eine Zeit zwischen Kollaps und Neuanfang, die beide nachhaltig geprägt hat.

Wann habt ihr euch das letzte Mal an die philtrat erinnert?

Alina: Jedes Mal, wenn ein neuer Post auf Instagram von der philtrat kommt. Das freut mich immer sehr. Außerdem ist sie ein großer Bestandteil in meinem Lebenslauf: Bei jeder Bewerbung gebe ich etwas an, das ich aus der philtrat gelernt habe, da diese Zeit sehr lehrreich war und mich persönlich weiterentwickelt hat.

Vera: Dem kann ich nur zustimmen. Und als ich das letzte Mal mit Layout und Formatierung zu tun hatte, musste ich an die philtrat denken und an die interessante Zeit dort.

Wie seid ihr Teil der philtrat geworden?

Vera: Ich hatte so einen Moment, wo ich überlegt habe, was ich nach dem Studium machen möchte – das war im Jahr 2013. Journalismus konnte ich mir damals gut vorstellen und ich habe mich nach Angeboten an der Universität zu Köln umgeschaut. So bin ich zur philtrat gestoßen. Auf einem wöchentlichen Redaktionsmeeting habe ich die Leute dort kennengelernt und bin dann beigetreten. Nach einem halben Jahr in Spanien mit Erasmus bin ich danach, 2014, richtig aktiv geworden. Zu dieser Zeit waren nur noch wenige bei der philtrat aktiv, knapp zwei oder drei Leute haben die Redaktion damals noch am Leben gehalten und kurze Zeit später ist auch Alina dazugekommen. Es dauerte nicht sehr lange, bis wir dann die Chefredaktion übernommen haben.

Alina: Bei mir war es ähnlich, nur der berufliche Aspekt spielte bei mir eine unwichtigere Rolle. Ich hatte gerade etwas Zeit in meinem Studium und da ich gerne schrieb, habe ich mich auch informiert, was für mich interessant sein könnte. Zusammen mit einer Freundin, die nach der ersten Ausgabe ausgestiegen ist, bin ich Mitglied des damals kleinen Grüppchens geworden.

Die Tätigkeiten in der Chefredaktion habt ihr dann also sehr früh übernommen. War der Schritt freiwillig oder gab es keine andere Wahl?

Alina: Also eigentlich wollte ich erst mal zugucken, ein bisschen schreiben und ganz viel lernen. Letztendlich haben wir noch eine Ausgabe mit der alten Redaktion gemacht, in der wir alles gelernt haben, was für die Redaktionsarbeit essenziell ist, und sind von vorne bis hinten voll eingebunden worden. Dann wurden wir vor die Wahl gestellt, ob wir das weiter machen möchten oder nicht, da die Leute aus der alten Redaktion entweder keine Zeit mehr hatten oder ihr Studium beendet haben. Wenn wir uns dagegen entschieden hätten, wäre das wohl das Ende der philtrat gewesen, weil das alte Redaktionsteam definitiv aufhören wollte. Da uns die Arbeit viel Spaß bereitet hat und wir auch jede Menge gelernt hatten, wollten wir nicht gleich wieder aufhören.

Vera: Schon kurz bevor die alte Redaktion ausschied, haben wir Aktionen gestartet, um neue Leute zu finden, die mitmachen wollten. Durch unsere Erfahrung aus der vorherigen Arbeit mit der alten Redaktion waren wir diejenigen, die Ahnung hatten, sodass wir in die Chefredaktion gelangt sind. Das hat sich dann so organisch ergeben.

Portrait Alina Finke
Alina Finke war von Mai 2014 bis Oktober 2017 in der philtrat und hat in Köln Medienkulturwissenschaft und Geschichte im Bachelor studiert. Heute arbeitet sie für eine Landtagsabgeordnete in Niedersachsen. Foto: Alina Finke.

Habt ihr euch in der Zeit überfordert gefühlt und gab es auch Phasen, wo ihr eure Entscheidung bereut habt? Wie seid ihr mit der Überforderung umgegangen?

Vera: Es gab definitiv Momente, in denen wir nicht weiter wussten. Gott sei Dank gab es eine ehemalige Redakteurin, die sehr hilfsbereit war und die wir jederzeit alles fragen konnten. Außerdem war es wunderbar, zu zweit in der Chefredaktion zu sein, so konnten wir uns immer beistehen und alles besprechen und gemeinsam entscheiden. Für mich gab es nie Phasen, in denen ich meine Entscheidung, Teil der Chefredaktion zu sein, bereut habe.

Alina: Da kann ich nur zustimmen, es war gerade am Anfang wirklich eine Herausforderung und zum Glück waren wir zu zweit. Das ganze Magazin auf die Beine zu stellen, war viel mehr Arbeit, als wir vorher gedacht hatten. Wir haben uns da aber gut ergänzt und, soweit ich mich erinnere, nie gleichzeitig den Kopf in den Sand gesteckt. Wo ich hätte verzweifeln können, hatte Vera eine Idee und andersherum. Wir haben auch viel gelacht, wenn mal wieder alles anders gelaufen ist als geplant.

Was war der Anstoß zum Wechsel des Layouts? Ihr hättet auch bei dem alten Layout bleiben können?

Vera: Als wir zu der Redaktion dazugestoßen sind, waren wir beide der Meinung, dass das Layout einfach nicht mehr zeitgemäß und attraktiv war. Schwarz-weiß und auf einem Zeitungspapier, das war überhaupt nicht ansprechend.

Alina: Die meisten Ausgaben sind in Mülleimern gelandet: Wenn wir die Zeitung den Leuten in die Hand gedrückt haben, wurde selten die zweite Seite gelesen oder die Artikel überflogen, sondern die Zeitung direkt weggeworfen. Einfach weil sie nicht ansprechend aussah. Dafür wollten wir uns nicht die Arbeit machen. Glücklicherweise waren wir damals auch in der finanziellen Lage, so einen Layoutwechsel vornehmen zu können.

Vera: Nachdem der finanzielle Aspekt geklärt war, haben wir uns damit beschäftigt, welches Papier in der Ausgabe verwendet, ob der Innenteil auch farbig gedruckt werden soll und haben uns dann eine Druckerei gesucht. Es war uns wichtig, dass das Magazin dann auch richtig zusammenhält und nicht so auseinanderfällt wie die alte Zeitung.

Gab es mehrere Layoutideen? Und wie lief das Design des neuen Layouts ab?

Alina: Wir haben über einen Facebook-Aufruf mit Anne Kreuter eine Mediendesignerin für uns gewonnen, die auf der Rheinischen Fachhochschule studiert hat. Sie hat mehrere Entwürfe ausgearbeitet, besonders für das Logo. Den Schriftzug haben wir, wenn auch leicht abgeändert, so behalten, um Traditionslinien sichtbar zu machen.

Vera: Wir haben innerhalb der Redaktion oft die Vorschläge besprochen und Meinungen eingeholt. In einer kleinen Layout-Gruppe haben wir dann zusammen mit Anne das Layout ausgearbeitet, wobei ich da gar nicht drin war.

Alina: Echt? Das wusste ich gar nicht mehr.

Vera: Nee, ich war damals in der Social-Media Gruppe.

Mit dem neuen Layout kamen auch neue Kategorien. Was war der Gedanke bei den neuen Kategorien?

Alina: Kategorien gab es in der alten Ausgabe auch und wir haben sie nur etwas modernisiert. Damit wollten wir dem ganzen Magazin Struktur verschaffen und uns selbst ein bisschen unter Druck setzen, Texte für jede Kategorie zu schreiben. Wir wollten ja eine breite Themenvielfalt abdecken.

Inwiefern hat der Layoutwechsel die inhaltliche Ausrichtung der philtrat verändert?

Vera: Ich glaube, die inhaltliche Ausrichtung des Blattes hat sich generell nicht verändert. Wir haben lediglich neue Aspekte oder Details eingebracht, wie unsere Lyrikseite, in der Gedichte präsentiert wurden, oder auch der #Artikel. Dadurch wollten wir uns etwas breiter aufstellen und mehr Lockerheit hineinbringen.

Alina: Im Verlauf der nächsten Ausgaben ist unser Zielpublikum ein wenig jünger geworden, so ist zumindest mein Eindruck. In einigen Artikeln haben wir mit Einführungsthemen auch explizit Erstsemstler*innen angesprochen.

Vera: Uns war immer wichtig eine gute Balance zwischen dem Lernen an der Universität und dem Spaß haben in Köln zu finden. Durch die Umstellung auf G-8 ist unser Publikum auch tatsächlich jünger geworden.

Portrai Vera Kleinken
Vera Kleinken studierte English Studies und Geschichte im Bachelor und Master und war von April 2013 bis Februar 2018 Teil der philtrat. Mittlerweile lebt sie in England, arbeitet für einen kleinen unabhängigen Buchverlag in der Marketing- und Presseabteilung und verdient sich nebenbei als Yogalehrerin etwas dazu. Foto: René Töpfer.

Was waren die größten Herausforderungen im Zuge des Layoutwechsels?

Vera: Eine Druckerei zu finden, die unser Magazin für einen bestimmten Preis drucken konnte, war für mich die größte Herausforderung. Und das Arbeiten mit dem Layoutprogramm war ein großer Lernprozess.

Alina: Ja, das Layoutprogramm war definitiv eine Herausforderung und hat sehr oft nicht das gemacht, was wir wollten. Da wir aber gezwungenermaßen am Anfang sehr viel Zeit damit verbracht haben, ging es bei der zweiten Ausgabe schon viel besser.

Und welche Herausforderungen gab es für euch in der Chefredaktion?

Vera: Eindeutig, dass Deadlines eingehalten werden.

Alina: Ja, total…

Vera: Das war echt immer ein Kampf, den Leuten klarzumachen, dass wir versuchen eine Ausgabe pro Semester rauszubringen und sich jede*r an den Plan hält. Das war anstrengend und nervenaufreibend.

Alina: Da kann ich dir nur zustimmen. Das war echt der blanke Horror. Es ist auch so eine blöde Situation, weil das alles motivierte Leute sind, die das in ihrer Freizeit machen und jede*r noch tausend andere Dinge erledigen muss. Wir mussten oft die Deadlines verschieben und haben auf einen Artikel gewartet. Herauszufinden, wann wir streng sein müssen und wie wir Disziplin einfordern können, war wirklich schwierig.

Vera: Die Kleinigkeiten am Ende dann noch zu korrigieren, wie doppelten Leerzeichen oder anderes, nimmt auch mehr Zeit in Anspruch, als die meisten denken.

Welche Auswirkung hat der Layoutwechsel auf die Arbeit in der Chefredaktion gehabt?

Alina: Wir haben dadurch zwangsläufig viel Zeit miteinander verbracht, weil wir ständig abends in einem miefigen Büro saßen und zusammen wegen des Layoutprogramms gelitten oder uns darüber gefreut haben, wie ansprechend das Layout geworden ist. Das waren sehr emotionale Momente. Und die anderen Aufgaben wie Webseite, Social-Media und Mitgliederwerbung haben wir ja auch gemacht. Ich glaube, hätten wir uns nicht gut verstanden, hätte das überhaupt nicht funktioniert.

Vera: In der intensiven Phase mit der philtrat, habe ich mit kaum jemanden mehr Zeit verbracht als mit Alina. (Beide lachen). Es war intensiv, es hat aber auch sehr viel Spaß gemacht und ich blicke gerne auf diese Zeit zurück. Die Erneuerung der philtrat ist etwas, worauf wir beide Stolz zurückblicken können.

30 Jahre gibt es die philtrat schon an der Universität zu Köln. Was wünscht ihr der philtrat für die kommenden 30 Jahre?

Vera: Viele motivierte Mitarbeiter*innen, die die philtrat weiterentwickeln, dass die philtrat weiterhin finanziell gesichert bleibt und von den Fachschaften und der Universität als ein wichtiger Bestandteil angesehen wird.

Alina: Dass sie weiterhin inhaltlich unabhängig von den Fachschaften bestehen bleibt. Außerdem ganz viele spannende Themen und Interessent*innen, welche sich auch an kreativen Dingen wie Zeichnungen oder Fotos austoben und in die philtrat einbringen.

Herzlichen Dank für das interessante Interview.

Von Lucas Lorenz

Beitrag erstellt am: 09.11.2020 um 09:04 Uhr
Letzte Änderung am: 12.11.2020 um 18:32 Uhr

Portrait

… fährt gerne mit dem Fahrrad durch das Bergische Land und probiert sich gerne an neuen Anstiegen aus. Regelmäßig fährt er auch zur Universität. Dort studiert er Geschichte und Medienkulturwissenschaften ohne sich viele Gedanken zu machen, wie seine Laufbahn danach aussieht.