Als sich die Nachrichten über Kontaktbeschränkungen und Schließungen im März förmlich überschlagen, scheint es nur logisch, dass auch eine Bildungseinrichtung wie die Universität zu Köln, mit fast 50.000 Studierenden, ihre Türen vorerst nicht mehr öffnen wird. Zunächst erfahren die Studierenden Mitte März jedoch von einer Verschiebung des Vorlesungsbeginns auf den 20. April. Es soll noch bis zum 7. April dauern, bis das Online-Semester offiziell wird, doch ein Blick auf das Vorgehen anderer Universitäten und die Ausbreitung des Virus lassen es bereits vermuten. Unter Komiliton*innen machen sich besonders Fragen und Unsicherheit breit. Einerseits füllt sich das Mailpostfach rasant mit neuen Informationen, andererseits sorgen die unterschiedlichsten Kurskonzeptionen und Vorgehensweisen der Dozent*innen für zusätzliche Verwirrung.
„Wird es überhaupt Zoom-Meetings geben? Davon steht ja jetzt hier nichts und wieso hat sich meine andere Dozentin noch gar nicht gemeldet? Ich hoffe, sie verschiebt ihren Kurs nicht auf nächstes Semester, so wie mein anderer Dozent. In der Mail vom 7. April steht, dass ab dem 6. April schon wieder Online-Kurse starten; Habe ich jetzt etwa schon was verpasst? Ich meine, das war ja gestern.“ Sowohl Studierende als auch Dozent*innen sehen sich mit den Herausforderungen konfrontiert, die eine plötzliche Umstellung von Präsenzlehre auf Onlinelehre mit sich bringt. Kursmaterialien müssen in digitale Form gebracht werden und Kurskonzepte müssen neu gedacht werden. Lerngruppen finden sich nur noch auf dem Computerbildschirm zusammen und alle Parteien müssen sich auf digitale Kommunikationswege und eine stabile Internetleitung verlassen.
Ein Semester im Online-Format über die Bühne bringen, das ist das gemeinsame Ziel – doch der Weg dahin ist stets ein anderer, abhängig von Studiengang, Kurs und Dozent*in. Wie dieses Ziel auf unterschiedliche Weise, mehr oder weniger erfolgreich, erreicht werden kann, zeigt ein Blick auf das Vorgehen in unterschiedlichen Seminaren an der Philosophischen Fakultät. Während einige Dozent*innen auf das reine Bereitstellen von Lernmaterial in ILIAS setzten, boten andere auch Zoom-Meetings an, welche in regelmäßigen Abständen – wöchentlich oder alle drei bis vier Wochen – stattfanden.
Der Vorteil des ILIAS-basierten Lernens lag in der eigenständigen und flexiblen Einteilung der Zeit. Alle Materialien wurden pünktlich zum Semesterstart hochgeladen, am Ende des Semesters sollten die Studienleistungen schließlich gebündelt eingereicht werden. Der Nachteil? Freiheit macht, besonders im studentischen Umfeld, ja bekanntlich auch gerne mal faul: Das Aufschieben der Arbeit ist schnell geschehen und die Deadline scheint in weiter Ferne. Doch ehe man sich versieht, steht sie vor der Tür und es bleiben nur noch wenige Stunden, um das Material zu bearbeiten. Was die Studierenden aus dem ILIAS-basierten Lernen machen liegt ganz bei ihnen selbst; ob sie etwas aus dem Kurs mitnehmen auch.
Anders verläuft das Semester in Seminaren mit regelmäßigen Zoom-Sitzungen. Bei der wöchentlichen Zusammenkunft gibt es die Möglichkeit, Studienleistungen regelmäßig einzureichen und Fragen oder Probleme mit dem Material können face-to-face besprochen werden. Es entsteht eine gewisse Routine. Bei Zoom-Meetings, die in größeren Abständen stattfinden, fehlt diese Routine meist und Studienleistungen müssen unabhängig von den Sitzungen erarbeitet werden. So kann oftmals kein geregelter Arbeitsrhythmus entstehen, stellt auch Englischstudentin Tony fest. „Die Zoom-Meetings fanden nur sehr selten statt, obwohl wir für das Seminar wöchentlich sehr schwierige Texte bearbeiten mussten. Die nötige Unterstützung von Dozierendenseite fehlte komplett und ich habe leider nicht das Gefühl, dass mir das Seminar irgendetwas gebracht hat.“
Denn auch die Zoom-Meetings der Online-Seminare an der Philosophischen Fakultät unterscheiden sich deutlich voneinander. Die einen Dozent*innen die virtuellen Treffen nutzen, um Fragen bezüglich des Lernmaterials zu klären, wiederholen andere die Themen sehr genau. Wiederum andere setzen besonders auf Referate von Studierendenseite, wie beispielsweise Englischprofessorin Dany Adone in ihrem Seminar über die Sprachen in der Pazifikregion. Dass sich Seminare innerhalb eines Studiengangs oder sogar innerhalb eines Moduls inhaltlich unterscheiden, ist keine Neuheit. Dennoch bietet die Präsenzlehre auch bei unterschiedlichen Seminarformaten einen festen Rahmen. Dieser Rahmen fehlte im Online-Sommersemester. Es braucht Eigeninitiative, einen klaren Durchblick und Selbstorganisation, mehr als alles andere.
Zusammenfassen lässt sich das Online-Semester wohl am besten als eine allgemeine Testphase. Können die gleichen Inhalte auch virtuell vermittelt werden? Stehen den Studierenden und den Dozent*innen die technischen Mittel zur Verfügung, um die Inhalte vernünftig zu bearbeiten? Diese Fragen und noch viele weitere konnte in diesem Semester jede*r für sich beantworten. Es wurde viel ausprobiert und nachgefragt, von beiden Seiten. So mussten schließlich auch die Dozierenden einen Weg finden, ihre Kurskonzepte bestmöglich an die Situation anzupassen und Klausuren auf möglichst faire Art und Weise zu stellen. Das geschah mal als Download in ILIAS, mal als handgeschriebene Datei zum Einsenden oder über Zoom.
Germanistikstudentin Lou berichtet über ihre Klausur, welche auf mehreren Kanälen stattfand. „Wir haben uns über Zoom eingeloggt und wurden alle in unseren eigenen Breakout-Room geschickt. Kamera und Mikro waren aus, aber so hatten wir die Möglichkeit, dem Dozenten ein Signal zu geben, wenn wir Fragen hatten. Nach Ablauf der Zeit habe ich meine handgeschriebenen Seiten fotografiert und diese als ein gesammeltes Dokument per Mail an den Dozenten geschickt. Er hat uns dann alle nochmal in einem gemeinsamen Zoom-Meeting aufgerufen, um sicher zu gehen, dass er alle Klausuren erhalten hat.“ Den einen richtigen Weg für die Online-Klausuren gab es nicht. Waren manche Wege geradliniger als andere? Absolut. Waren manche Wege wesentlich länger und komplizierter als sie hätten sein müssen? Definitiv. Während Lou das Engagement des Germanistikdozenten schätzt, weist sie dennoch auf mögliche Schwachstellen bei der Durchführung der Klausur hin. Denn was passiert beispielsweise, wenn die handgeschriebenen Seiten auf den Fotos nicht mehr gut genug lesbar sind oder die Handykamera plötzlich ganz versagt? Auch diese technischen Faktoren sollten bei der Planung der Klausuren berücksichtigt werden, wenn plötzlich das Bestehen von ihnen abhängen könnte.
Jedoch sollten alle Seiten aus diesem Online-Semester eine Lehre ziehen und die Situation nutzten, um die eigene Medienkompetenz einmal kritisch zu hinterfragen und selbstständige Arbeitsweisen zu optimieren. Was als Herausforderung begann, sollte schließlich eine Chance für das Voranbringen der digitalen Lehre an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln sein; immer mit dem Hinblick auf das zweite Online-Semester und alle, die noch folgen könnten.
Von Indra Neumann
Beitrag erstellt am: 05.11.2020 um 08:55 Uhr
Letzte Änderung am: 05.11.2020 um 08:55 Uhr