Heißer Dampf von England bis Südamerika

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Der genesende, beruhigende Warmmacher ist bei kaltem Wetter und nach anstrengenden Tagen nicht wegzudenken – besonders mit einer kuscheligen Wolldecke, Musik oder einem Buch. Weltweit existieren verschiedene Teekulturen in den unterschiedlichsten und vielfältigsten Varianten und Geschmäckern, obwohl es dabei einige interessante Parallelen gibt.

Marokko

MarokkanerInnen trinken Tee auch mehrmals am Tag, besonders nach den Mahlzeiten. Ein Esslöffel grüner Tee wird in ein 400 ml Kännchen gefüllt und mit wenig Wasser übergossen. Der Sud wird auf einer Gasflamme aufgekocht, wegschüttet. Zu den Teeblättern wird danach frisch geerntete Minze und circa 150 Gramm Zucker pro 400 ml Wasser hinzufügt. Das Einschenken ist dabei speziell: Alles wird in kreisförmige Teegläser gefüllt und fünfmal in die Kanne zurückgeschüttet, wodurch der Zuckerschaum entsteht. Anschließend wird die Kanne mit dünnem Teestrahl gefüllt und die Gläser auf ein silbernes Tablett gestellt. Dabei ist zu beachten, die Kanne circa 30 – 40 cm über das Glas zu heben.

Marrokkanisches Teeservice Foto von Daniel Wanke / Pixabay-LicenseFoto: / .

China

Hier trinken alle Gesellschaftsschichten Tee, der regional verschieden ist und zudem symbolische Bedeutung hat: Die Schale mit Untertasse und Deckel stellen Erde, Menschen und Himmel dar. Die Teeblätter werden kurz aufgegossen, was sich zweimal in steigend längerer Dauer wiederholt, um verschiedene Geschmacksvarianten zu gewinnen.

England

Im 17. Jahrhundert galt Schwarztee in England als Luxusgut und wurde aus China importiert. Aus der Kombination von Milch und einer Scheibe Zitrone gewann man daraus milde Sorten. Schwarztee wurde vor, bei und nach dem Frühstück noch zweimal bis dreimal über den Tag verteilt genossen. Außerdem beinhalteten Verhaltensregeln gemäß Knigge zum Beispiel, dass die Untertasse mitgenutzt, die Tasse leicht gekippt, langsam gerührt und Gebäck nicht eingetunkt wird.

Earl Grey, der typische englische Tee. Foto von stux / Pixabay-LicenseFoto: / .

Russland

Russland schließt zwei Kochmöglichkeiten ein: moderner Strom oder traditionelle(s) Holz / Kohle mit Bronze- oder Kupferkessel. Auch in dieser Teekultur werden Teeblätter benutzt, gewaschen und das Wasser im Kessel „Samowar“ (deutsch: Selbstkocher) heiß gehalten. Oben drauf steht die „Tscheinik“, eine kleine Kanne mit hoch konzentriertem Schwarztee. Anstatt Milch oder Sahne gelten Zucker oder Marmelade, die entweder in den Tee gerührt oder nebenbei gegessen werden.

Zu sehen ist ein Beispiel für einen „Samowar“. Foto von AlLes / Pixabay-LicenseFoto: / .

Türkei

Das weltweit größte Teeanbaugebiet und die tulpenförmigen Tassen sind hier zu finden. Der Grund dieser einzigartigen Form liegt nicht nur an der kleinen Größe, die perfekt dazu dient die Hände zu wärmen. Im Gegensatz zu großen europäischen Tassen hat das osmanische Volk 1859 erstmalig kleine Tassen ohne Griff hergestellt, was erheblich günstiger war. Heute wird Tee zu jeder Gelegenheit getrunken. Zubereitet wird es in einem kleinen und großen Behälter. Unten steht die große Kanne mit heißem Wasser, dadrüber befindet sich die kleine, die den Sud brüht und später verdünnt. Dabei wird zuerst das rot-bräunliche Konzentrat zu einem Drittel in die Tasse gefüllt, danach mit dem heißen Wasser verdünnt.

Zu sehen ist ein typisches türkisches Teeglas. Foto von PublicDomainImages / Pixabay-License.  Foto: / .

Tibet

Der „Po Cha“ aus salziger Yak-Butter stärkt bei den extremen Wintertemperaturen – wobei 40 Tassen am Tag die Regel sind. Dieser Tee ist bei den Nomaden, in Bhutan, Nepal und West-Sichuan sehr beliebt und hilft besonders bei Darmbeschwerden, weil er kalorienreich und verdauungsanregend ist. Tibetische „Teeziegel“ dienen neben dem Tee nicht nur als Getränk, sondern auch als Nahrung, Dekoration und Zahlungsmittel. Um sie herzustellen, werden Blätter oder der feingemahlene Tee in Formen gegeben und in Blöcke gepresst. Das Pulver wird anschließend in den Kessel gefüllt, ein Teeziegel abbgebrochen und mit kochendem Wasser übergossen. Zuletzt köchelt alles über dem Feuer, das Konzentrat wird in längliche Holzgefäße gefüllt und mit Salz sowie der Butter verrührt.

„Po Cha“, der gerade eingegossen wird. Foto von Wilson Loo Kok Wee / CC-BY-NC-ND 2.0Foto: / .

Ostfriesland

„Der Tee wie Öl, die Sahne wie ein Wölkchen und der Kandis wie ein Schleifstein“, heißt es in einem Sprichwort der Ostfriesen. Über 20 verschiedene Teesorten aus Java oder Ceylon mit Schwarzteemischungen wie Okka, Enne, Hajo oder Swantje sind in ihrem Abgang sanft, bitter und süß. Der weiße Kandisbrocken „Kluntje“ wird mit einer Silberzange in die zarte, halb gefüllte Tasse gemischt, der Tee darüber gegossen und etwas ungeschlagene Sahne hinzugegeben. Drei Tassen sind die Regel, zumal diese klein sind. Ist der Durst gestillt, wird der Löffel wortlos in die leere Tasse gelegt.

Japan

In Japan gibt es dicken oder dünnen Grüntee aus einer eisernen Kanne und Schalen ohne Henkel. Gesten und Handgriffe sind akribisch und alles bis ins kleinste Detail festgelegt – vom gepflegten Gartenweg bis zum Empfang im schlichten Teehaus mit niedrigem Eingang, um mit demütig gebeugter Haltung einzutreten. Die Gäste waschen ihre Hände, nehmen ein kleines Mahl ein und warten in einem Warteraum auf die eigentliche Zeremonie. Die GastgeberInnen oder TeemeisterInnen reinigen den „dicken Tee“ mit einem Seidentuch und füllen den pulverisierten Grüntee mit einem Bambuslöffel in die Schalen. Die Hauptgäste trinken drei kleine Schlucke und geben die Schale weiter, bis sie leer ist. Bei fünf Gästen dauert es circa vier bis sechs Stunden und beinhaltet im Anschluss noch eine Diskussion über die Teesorte – je nach Ausbildung der TeemeisterInnen.

Ein typisches japanisches Teeservice. Foto von xegxef / Pixabay-LicenseFoto: / .

Südamerika

Mate gilt als Nationalgetränk, „Trank der Götter“ oder auch „Grünes Gold der Indios“. Besonders beliebt ist er in (Süd-)Brasilien, Paraguay und Argentinien. Er besteht aus grünen Blättern einer Stechpalmenart, Koffeingehalt mit Gerbstoffen und zeichnet sich durch einen rauchig-würzigen Geschmack aus. Über dem Feuer werden die Blätter geröstet, getrocknet, zerkleinert und gemahlen. Für die anregende Wirkung braucht er circa fünf Minuten. Der erfrischende Catuaba befindet sich in der Rinde von Regenwaldbäumen aus Regionen des Regenwalds, dem Amazonas und aus Nordbrasilien. Er steigert die Durchblutung, regt das Zentralnervensystem an, wirkt magenberuhigend, krampflösend und als Aphrodisiakum mit einem potenzfördernden Effekt. Das natürliche Antibiotikum „Lapacho“ gilt (traditionell) als antivirales, antibakterielles, schmerzlinderndes, revitalisierendes, wundheilendes und sauerstoffanreicherndes Allheilmittel. Als solches wird er in Süd- und Nordamerika regelmäßig eingesetzt, aber ist in Europa weitgehend unbekannt und es existieren noch keine Studien oder Belege.

Der Tee wird aus dem Gefäß der „Kalebasse“ (deutsch: „Flaschenkürbis) bis auf die Schale ausgehöhlt und dann als Trinkgefäß genutzt. Foto von Jorgealfonso / CC BY-SA 2.5Foto: / .

Von Rebekka Yargin

Beitrag erstellt am: 19.10.2020 um 08:37 Uhr
Letzte Änderung am: 19.10.2020 um 08:37 Uhr