Savannah Brown’s Gedichtband „Sweetdark “ erscheint am 8. Oktober 2020 wie auch sein Vorgänger als Selbstpublikation. Ganz persönlich ist hier aber nicht nur der Verlagsprozess – die Lesenden erhalten hier Einblick in eine Gefühlswelt, die es schafft, gleichzeitig einzigartig und nachempfindbar zu erscheinen. Es sei im Voraus gesagt: Hierbei handelt es sich um eine ausschließlich englischsprachige Veröffentlichung.
In allen drei Teilen des Bandes wird der menschlichen Existenz im Hinblick auf die Dichotomie des Lebens geradezu spielerisch auf den Grund gegangen. Hier handelt es sich nämlich nicht um eine pseudowissenschaftliche Abhandlung eines Philosophiestudierenden im ersten Semester, sondern das Erkunden von Erinnerungen, Vergnügen, Chaos, Verletzlichkeit und vor allem Widersprüchen. Ohne sich dabei zu ernst zu nehmen, ergeben Beobachtungen aus dem Alltag, Gedanken über die Zukunft und der Ausdruck von tiefer Verbundenheit eine geradezu atmosphärische Stimmung. Diese findet mal in der Großstadt, mal in der Natur, mal vor dem Hintergrund einer Apokalypse statt und lässt sich wirklich passend durch den Begriff „Sweetdark“ beschreiben. Gegensätze existieren hier nämlich neben- und ineinander. So werden beispielsweise Erfahrungen von Geborgenheit und Verletzlichkeit einander so entgegengesetzt, dass beim Lesen die notwendige Verbindung zwischen den beiden nicht mehr zu übersehen ist. Dabei reizt Brown ihre Überlegungen nihilistischer Adoleszenz jedoch etwas aus, indem sie es mit nahezu jeder angesprochenen Thematik in Verbindung bringt. Nichtsdestotrotz erreicht sie damit, dass die von ihr dargestellten Gefühlszustände sowohl allumfassend, als auch völlig nichtig scheinen was sich in ihrer Auffassung menschlicher Existenz zu begründen scheint. Beim Lesen entsteht somit der Eindruck, es würde ein Weltbild vermittelt werden. Dieses ist häufig vereinfacht dichotomisch, aber durch die Fülle an Bildern, die es schaffen, sprachlich ein Lebensgefühl auszudrücken, dennoch ein Lesegenuss.
Dass Brown sich einem sehr persönlichen Erzählstil bedient, verstärkt diesen Eindruck – besonders, wenn man sich zuvor mit ihrer Social-Media-Präsenz auseinandergesetzt hat. Entgegen möglicher Befürchtungen verfällt sie trotzdem nicht in die Vorstellungen und Schemata von sogenannter „Instagram-Poetry“, die polemisch darauf pocht, Anklang zu finden. Zwar scheint Nähe auf eine ähnliche Art und Weise eine große Rolle zu spielen, doch wird diese Wirkung stattdessen geschickt erzielt. Mit gekonnter Beschreibung von Außenwelt und Innenleben findet die Autorin Worte für Gemütszustände, die sich fast nur durch das bildliche Einfangen einer Szenerie darstellen lassen. Dabei betrachtet sie Dinge häufig aus abstrakter Perspektive und bedient sich einer oftmals eher verschlüsselten Darstellungsweise. Allerdings hat dies des Öfteren zur Folge, dass die Sprache einen etwas geschwollenen Ton annimmt, in dem sich so manche Motivik wiederholt. Ob es sich dabei um eine bewusste Methode handelt, um sich vom durchaus jünger wirkenden Vorgänger „Graffiti“ abzuheben, bleibt letztlich eine Spekulation. „Sweetdark“ ist ein Beweisstück für das unverzichtbare Plädoyer dafür, dass Lyrik modern und nahbar ist; dass sie nicht immer im Zentrum eines von mittelalten Männern festgelegten literarischen Kanons stehen muss; und dass sie dazu da ist, Empathie und ein Gefühl des Gesehen-Werdens hervorzurufen.
Wem „Graffiti“ oder die auf Youtube veröffentlichten Gedichte Savannah Brown’s gefallen hat, wird auf jeden Fall auch hier mit einer gelungenen Gedichtsammlung fündig werden. Ebenso ist „Sweetdark all denjenigen ans Herz zu legen, die nach einem Einstieg in zeitgenössische, englischsprachige Lyrik suchen, die den literarischen Anspruch Rupi Kaur’s o.Ä. zwar übersteigt, deren Lektüre aber nicht übermäßig anstrengt. Es ist auf jeden Fall ratsam, sich für maximalen Lesegenuss nicht die ePub-Version, sondern die Papierform zu gönnen. Wer sich bewusst die Zeit nehmen will und die Ruhe hat, dem oder der sei besonders empfohlen, sich das von der Autorin gelesene Hörbuch zu Gemüte zu führen, das durch Ruhe und einen noch persönlicheren Eindruck besticht. Die Autorin selbst regt an, Lesen und Hören zu verbinden – ein Rat, der sich bei Lyrik fast immer als erfolgreich erweist.
Erhältlich auf https://www.savbrown.com/
Von Eva Zirker
Beitrag erstellt am: 08.10.2020 um 09:00 Uhr
Letzte Änderung am: 08.10.2020 um 09:00 Uhr