Sieben Tage ohne

Umweltbewusster durch den Alltag: Neben dem Verzicht auf Flugreisen und Fleisch gibt es immer mehr Menschen, die ein verpackungsfreies Leben führen wollen. Klappt das? Ein Selbstversuch.

226,5 kg Verpackungsmüll – so viel produziert jede*r von uns im Jahr. Eine unfassbar große Zahl, die mich ratlos und wütend macht. So viel wird darüber geredet, warum handeln wir nicht einfach? Deshalb will ich eine Woche lang versuchen, verpackungsfrei zu leben und herausfinden, wie schwierig es tatsächlich ist auf Verpackungsmüll zu verzichten. Dabei lege ich meinen Schwerpunkt besonders auf die Vermeidung von Plastikverpackung. Immer einen Stoffbeutel in der Tasche dabeizuhaben oder die Verpflegung selber zu Hause vorzubereiten und in Dosen mitzunehmen, statt beim Bäcker belegte Brötchen zu holen, ist ein realistisches Ziel. Oder etwa nicht? Zu Beginn dieser Woche bin ich fest davon überzeugt, dass es hauptsächlich Gemütlichkeit und Gewohnheit sind, die uns von einem plastikfreien Leben fernhalten. Und so starte ich gespannt in meinen Selbstversuch.

Tag eins – die Herausforderungen im Badezimmer

Die Weihnachtstage liegen hinter mir, es sind die ruhigen Tage zwischen den Jahren. Ich stehe im Bad und muss jetzt Vorsicht walten lassen. Ein Griff nach Zahnbürste und Zahnpasta und… verdammt. Meine Zahnbürste war mal in Plastik verpackt (immerhin der umweltfreundlichere Doppelpack) und die Zahnpasta sowieso. Ich klage meiner Mutter mein selbst auferlegtes Leid und sie – angesteckt von meinen umweltretterischen Ambitionen – präsentiert mir Zahnputzpulver im Glas, welches sich mit Wasser zu einer Paste vermischen lässt.

Bei den restlichen Routinen im Badezimmer fällt es mir leicht auf Plastik zu verzichten: Auf Schminke verzichte ich und mein Gesicht wasche ich mit klarem Wasser. Durch langes Experimentieren mit Haarseife und Apfelessig weiß ich, dass die saure Haarseife ausgespült werden muss, festes Haarshampoo nicht. Das Shampoo wird in einem kleinen Säckchen (kein Plastik, aber auch überflüssiger Müll) verkauft. Einziger Wermutstropfen: meine Kontaktlinsen und das Reinigungsmittel sind selbstverständlich verpackt. Also verzichte ich in dieser Woche darauf, sie zu tragen.

„Auf meine heißgeliebte Butter werde ich in dieser Woche verzichten müssen.“

Beim Essen habe ich zugegebenermaßen einen unschlagbaren Vorteil. Denn ich arbeite nebenher in einem Bioladen, der Obst und Gemüse unverpackt verkauft. Brot, Käse und Fleisch werden nach Kundenwunsch entweder in Papiertüten oder in mitgebrachten Dosen und Stofftüten gepackt. Meine Frühstücksgewohnheiten muss ich somit nicht groß überdenken, nur auf meine heißgeliebte Butter werde ich in dieser Woche verzichten müssen. Später, am Ende des ersten Tages, bin ich froh diesen halbwegs plastikfrei gemeistert zu haben und starte mit Zuversicht in meinen zweiten Tag.

Tag zwei – unverpackt einkaufen

Nach dem Frühstück mache ich mich auf den Weg in den Unverpacktladen, um mich für die nächsten Tage zu wappnen. Die Gläser klappern im Jutebeutel und ich bin beschwingt von meiner moralischen Überlegenheit. Ich decke mich mit Nudeln, Linsen, Gewürzen, Mehl, Backpulver, Nüssen und Süßigkeiten ein. Außerdem gibt es diverse Reinigungsmittel und Kosmetikartikel, wie Deocrème. Mit einer prallen plastikfreien Tasche und einem guten Gewissen geht es zurück nach Hause.

Tag drei – die erste Ernüchterung

Meinen Selbstversuch kurz nach der Weihnachtszeit zu starten, war ein Fehler. Reste von Dominosteinen, Spekulatius und Lebkuchen wollen zwar gegessen werden, sind aber natürlich in Plastik verpackt. Andererseits – die Sachen sind schon gekauft, und eine volle Packung wegzuschmeißen ist noch ärgerlicher als eine leere. Also mache ich eine Ausnahme, immerhin muss ich schon auf meine heißgeliebten Chips verzichten, die es nicht im Unverpacktladen gibt. Später kochen wir unverpackte Nudeln mit Tomatensoße aus frischen Tomaten (aus Spanien eingeflogen, aber das ist ein anderes Thema) und passierten Tomaten im Glas. Den Parmesan habe ich aus dem Bioladen mitgebracht.

Tag vier – überall Plastik

Ich stehe mit einer Freundin im Supermarkt, sie muss einkaufen. Sensibilisiert durch meinen Selbstversuch, sehe ich nun umso deutlicher: Alles, wirklich alles, ist verpackt. Vom Toastbrot über die Kekse bis zu den Kartoffeln; einzelne Gurken und Paprika sind in Plastik eingeschweißt. Hier gilt das Motto: lieber dreifach als doppelt verpackt, selten in Papier oder Glas, meist in Plastik. In der Schlange werfe ich einen Blick in die Einkaufswagen und überlege wie schwer der Verpackungsanteil ist. Fest steht: Es ist zu viel. Mittags sitzen wir im Restaurant vor dampfenden Tellern. Ich stocke: Klar, das Essen liegt unverpackt auf meinem Teller. Aber wie sieht es wohl im Mülleimer aus? Stapeln sich dort jetzt Verpackungen? Ich rede mir ein, dass Restaurants ihre Zutaten in großen Einheiten kaufen und deshalb weniger Müll produzieren. Aber ob das stimmt? Immerhin esse ich nicht bei McDonald‘s. Dort wird mir nämlich direkt unter die Nase gerieben, wie viel Verpackungsmüll ich gerade produziere.

Tag fünf – Mittagessen (fast) ohne Plastik

Silvester! Wie praktisch, dass meine Freunde und ich nicht böllern und ich somit Verpackung spare. Gemeinsam backen wir Pizza, den Teig machen wir selbst und auch die restlichen Zutaten sind ohne Verpackung. Auf den Mozzarella muss ich verzichten, aber es schmeckt erstaunlich gut. In Zukunft werde ich öfter darauf verzichten. Das Tiramisu zum Nachtisch will ich mir trotz Mascarpone und Löffelbiskuit (beides plastikverpackt) nicht entgehen lassen. Nächstes Mal wollen wir den Biskuit selbst backen.

Das Wochenende – Endspurt

Ich verbringe das Wochenende mit Lernen und schmiere mir bloß ein paar Brote. Sonntagabends lasse ich die Woche Revue passieren. Es ist leicht die Mehrzahl der Verpackungsfallen zu umgehen, die uns im Alltag begegnen. Tatsächlich sind es Gemütlichkeit und Gewohnheit, die uns diesen Berg von Müll im Jahr ansammeln und die mich auch bei meinem Selbstversuch manchmal haben stolpern lassen. Die Tomatensoße selbst aus frischen Tomaten herstellen, die Nudeln mit dem Einmachglas im Unverpacktladen kaufen, anstatt im überfüllten Supermarkt: Das Kochen und Essen bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Wir können uns auf die kosmetischen Alternativen wie Deocrème und Haarseife einlassen, es einfach ausprobieren. Es muss nicht jeder sein komplettes Leben umstellen, sondern bloß ein paar Gewohnheiten hinterfragen und die eine oder andere aufgeben. Ich werde nicht mein Leben lang auf Chips verzichten. Und keiner ist perfekt: Verpackungen komplett zu verbannen, ist illusorisch. Aber es ist weitgehend möglich und kann sogar Spaß machen. Wer unverpackt kauft, kauft frischer und damit gesünder.

All das kostet Zeit, die man sich zwischen Uni, Nebenjob und Freunden nehmen muss. Gewohnheiten, wie zum Beispiel den faden Salat in der praktischen Plastikverpackung, den wir in der Bahn essen, müssen wir aufgeben. Aber ist es das nicht wert?

Tipps, wie man außerhalb von Unverpacktläden Müll vermeiden kann https://www.smarticular.net/verpackungsfrei-einkaufen-auch-ohne-unverpackt-laden/
Ist unverpackt zwangsläufig teurer? Unverpackt essen teuer? Ein Selbstversuch.

Von Malin Krieger

Beitrag erstellt am: 08.09.2020 um 01:33 Uhr
Letzte Änderung am: 18.09.2020 um 19:28 Uhr