Im August 2018 begann ihr persönlicher Schulstreik für das Klima. Damals saß die fünfzehnjährige Schwedin noch jeden Tag alleine vor dem Reichstagsgebäude in Stockholm, wo sie für mehr politisches Engagement in Sachen Klimaschutz demonstrierte. Heute ist die Klimaaktivistin Greta Thunberg weltberühmt. Denn ihr Schulstreik entwickelte sich zu der globalen Bewegung Fridays For Future, an der sich im Jahr 2019 schätzungsweise mehr als 2,3 Millionen Menschen weltweit beteiligten. Doch damit nicht genug. Greta Thunberg sprach außerdem auf UN-Klimakonferenzen in Kattowitz und Madrid sowie auf dem UN-Klimagipfel am 23. September 2019 in New York. Für besonderes Aufsehen sorgte ihre Rede vor den Vereinten Nationen in New York, denn dort stellte sie PolitikerInnen aus aller Welt eine entscheidende Frage: „Wie könnt ihr es wagen?“ Eine Botschaft, die deutlicher nicht sein könnte. Die junge Schwedin wirft den PolitikerInnen vor, beim Thema Klimawandel zu oft weggeschaut, und nur geredet statt gehandelt zu haben. Darunter leide nun ihre Generation, die vor einer ungewissen Zukunft stehe. Während die Schülerin einerseits viel Zuspruch für ihre Worte erhielt, blieb auch die Kritik nicht aus.
Es war keine Überraschung, dass sich der wohl bekannteste Klimawandelleugner, US-Präsident Donald Trump, auf Twitter über Thunbergs Rede lustig machte. Er schrieb, sie scheine ein sehr glückliches junges Mädchen zu sein, das sich auf eine wunderbare Zukunft freue. Dass sein Spott vor niemandem Halt macht, hat Trump damit abermals bewiesen. Ein weiterer Tweet ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem das Times Magazine Greta Thunberg zur Person des Jahres 2019 gewählt hatte, schrieb Trump, sie müsse einfach mal chillen und ihre Aggressionen bewältigen. Ob dies in einer Zeit der globalen Erwärmung, schmelzenden Polkappen und zunehmenden Waldbränden wirklich ratsam war, kann sich jeder selbst beantworten. Trump, der weiterhin den umweltschädlichen Kohleabbau in den USA propagiert, dürfte wenig Interesse an umweltpolitischen Veränderungen haben, die Thunberg zusammen mit der Fridays For Future Bewegung fordert. So kündigte der US-Präsident bereits das Pariser Klimaabkommen, welches eine Begrenzung der Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius vorsieht. Trump holte damit zu einem Rundumschlag gegen das Klima aus und zeigt Greta Thunberg und der gesamten Fridays For Future Bewegung den Stinkefinger.
„She seems like a very happy young looking girl forward to a bright and wonderful future. So nice to see!“
Trumps Tweet über Greta Thunberg vom 24.09.2019.
In Deutschland reagierte Kanzlerin Angela Merkel zwar weniger emotional, dennoch ähnlich faktenarm auf Greta Thunbergs Rede in New York. Merkel kritisierte, Letztere habe keine konkreten Pläne vorgestellt, wie man gegen den Klimawandel vorgehen könne. Thunberg sei nicht darauf eingegangen, welch wichtige Rolle technische Innovation im Kampf gegen die Erderwärmung spiele. Es fehlt also an konkreten Ideen? Die Kanzlerin muss es ja wissen, denn leere Versprechen in Sachen Klimaschutz sind Merkels Fachgebiet. Ob ein halbherziges Dieselfahrverbot in Innenstädten, Steuervorteile für E-Autos oder ein eventuelles Tempolimit auf der Autobahn – die Bundesregierung macht Umweltpolitik ganz nach dem Motto: Alles kann, nichts muss. Dass nun ausgerechnet Merkel einer Sechzehnjährigen den Mangel an sinnvollen Ideen vorwirft, grenzt an Komik. Soll etwa ein junges Mädchen, das sich dem Klimaschutz verschrieben hat, der Bundesregierung den Job erklären? Dabei behauptete der FDP-Vorsitzende Christian Linder bezüglich der Fridays For Future Bewegung Anfang 2019 noch, Klimapolitik sei nichts für Kinder, sondern „eine Sache für Profis“. Schade nur, dass diese vermeintlichen Profis auch Ende 2019 keine Lösungsansätze in Sachen Klimapolitik vorweisen können.
Aber nicht nur PolitikerInnen, sondern auch Konzernchefs üben Kritik an Thunberg und Fridays For Future. So erklärte H&M-Chef Karl-Johann Persson beispielsweise, dass es bessere Wege gebe, als den von Thunberg propagierten Konsumverzicht. Greta Thunberg hatte zuvor bekannt gegeben, eine Art „Shop-Stop“ eingelegt zu haben, was den Verzicht auf das Kaufen neuer Kleidung bedeutet. Denn auch die Modeindustrie hat mit schätzungsweise zehn Prozent einen deutlichen Anteil an der weltweiten CO2-Emission. Auch RWE-Chef Rolf Martin Schmitz übte Kritik in eigener Sache und verdeutlichte, dass die Forderungen der Fridays For Future Bewegung für Energiekonzerne einfach nicht umsetzbar seien. Die DemonstrantInnen in Deutschland fordern zum Beispiel einen endgültigen Kohleaustieg bis 2023 und eine vollständig erneuerbare Energieversorgung bis 2035. Dass diese Forderungen einem Energiekonzern, der zu knapp achtzig Prozent auf fossile Brennstoffe bei der Stromerzeugung setzt, ein Dorn im Auge sind, scheint logisch. Obwohl Persson und Schmitz den Klimawandel durchaus als Bedrohung ansehen, weisen beide Konzernchefs die Forderungen der Fridays For Future Bewegung zurück, suchen die Schuld nicht bei sich.
„So ridiculos. Greta must work on her Anger Management problem, then go to a good old fashioned movie with a friend! Chill Greta, Chill!“
Trumps Spott endet nicht. Sein Tweet vom 12.12.2019.
Ein menschengemachter Klimawandel ist nun einmal da. Darüber lässt sich nicht streiten und es ist auch keine Auslegungssache. Greta Thunberg hat das bereits mit fünfzehn Jahren erkannt und kämpft seitdem dafür, dass es auch andere erkennen. Während es die einen mittlerweile verstanden haben, leugnen die anderen noch. Vor allem die Politiker halten still. In Deutschland wird statt eines Klimapakets eher ein Klimapäckchen verabschiedet. In den USA gilt der Klimawandel laut Regierung als Fake News und in Brasilien sieht die Regierung zu, wie der Amazonas in Flammen aufgeht. Auch die verheerenden Buschbrände in Australien reichen scheinbar nicht, um die dortige Regierung wachzurütteln. Der UN-Klimagipfel in Madrid? Peinlich. Die Staaten konnten sich lediglich darauf einigen, ihre Klimaziele gemäß des Pariser Abkommens noch einmal zu „prüfen“. Konkrete und vor allem gemeinsame Pläne für mehr Klimaschutz gibt es nicht. Stattdessen werden Greta Thunberg und die Fridays For Future Bewegung für ihre Forderungen weiterhin kritisiert, verhöhnt, nicht ernstgenommen. Da bleibt doch eigentlich nur noch eine Frage: Wie könnt ihr es wagen?
Von Indra Neumann
Beitrag erstellt am: 03.07.2020 um 12:20 Uhr
Letzte Änderung am: 03.07.2020 um 12:20 Uhr