Während sich die Welt ganz langsam von der Corona-Pandemie zu erholen beginnt, kann der Amazonas-Regenwald darauf lange warten. Denn hier nutzen aktuell Viehzüchter, Holzfäller und Goldschürfer die Gunst der Stunde, in der sich die globale Aufmerksamkeit auf Covid-19 richtet, um immer weiter in den Regenwald vorzudringen. Auch die brasilianische Regierung scheint die Erhaltung des Regenwalds eher wenig zu interessieren. Während die ganze Welt mit der Corona-Pandemie beschäftigt ist, wird der Regenwald im Amazonasgebiet weiterhin gnadenlos abgeholzt. Und dies geschieht in einer besorgniserregenden Geschwindigkeit.
Der Regenwald ist schon seit langer Zeit von Zerstörung bedroht und liegt im Fokus unzähliger Hilfsorganisationen. Schon seit Jahren versuchen immer wieder kleine Landwirtschaftsbetriebe Gebiete des Regenwalds für den Anbau von Soja und Weideflächen illegal abzuholzen. Dagegen gehen Hilfsorganisationen, wie der WWF (World Wildlife Fund) vor, indem sie weite Gebiete des Regenwalds unter Schutz stellen. Doch die letzten Jahre waren eine besonders schwere Zeit für den Amazonas-Regenwald.
Noch vor Kurzen, im Sommer 2019, waren die Nachrichten überflutet von schockierenden Bildern und Hilfeschreien aus dem Amazonasgebiet. Riesige Flächen des Regenwalds brannten in mehreren Ländern in Südamerika lichterloh. Dazu gehörten neben Brasilien, die Länder Bolivien und Paraguay. Die Feuer waren kaum zu löschen und zudem fehlte es an Hilfskräften und der nötigen Unterstützung der Regierung. Der für uns lebenswichtige Regenwald stand wochenlang in Flammen. Es wurde sogar von einer ökologischen Katastrophe gesprochen. Außerdem sind viele Menschen davon überzeugt, Viehzüchter und Bauern würden die Feuer absichtlich legen und es handle sich hier um eine systematische Abbrennung des Waldes. „Eine Form, den Wald zu vernichten, ist das Unterholz in Brand zu stecken und so Flächen zu roden. Das ist eine beliebte Methode, es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Bränden und der massiven Zunahme der Abholzung am Amazonas. Und die aktuelle Regierung von Bolsonaro heizt die Abholzung weiter an.“, so Marcio Astrini von Greenpeace Brasilien.
Momentan steigt der Flächenverlust im Amazonas-Regenwald drastisch an, was Daten der NASA (National Aeronautics and Space Administration) bestätigen. Vor allem Brasilien holzt große Teile des Regenwaldes massiv ab. Die Daten des brasilianischen Weltrauminstituts INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais) belegen, dass die Vernichtung des Regenwalds schneller fortschreitet als je zu vor. Insgesamt wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres 1202 Quadratkilometer Regenwald abgeholzt. Das sind 55 Prozent mehr als in dem Jahr davor.
Aber wodurch wird diese enorme Beschleunigung bedingt? Zum einen liegt der Fokus der Menschheit auf der weltweiten Corona-Pandemie, die viele andere Probleme und Ereignisse in den Schatten zu stellen scheint. Dies kommt den Holzfällern und Rinderzüchtern sehr gelegen, denn ihnen wird in ihrem Tun kaum Beachtung geschenkt. Doch dies ist nicht der einzige Grund, der das Vordringen von Ladräubern bedingt. Denn zum anderen, plant der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, welcher eng mit der Agrarlobby zusammenarbeitet, neue Gesetzte, die die Agrarwirtschaft im Amazonasgebiet fördern.
Darüber hinaus schwächt Bolsonaro Umweltschutzgesetze und Kontrollmaßnahmen, um die Fläche des Regenwaldes wirtschaftlich nutzen zu können und aus ihr Kapital zu schlagen. Der rechtskonservative Präsident hat zudem mehrfach erwähnt, dass er die Amazonasregion als ungenutztes wirtschaftliches Potenzial sieht. Mit der Flächennutzung sollen der Export des Landes gesteigert und der Verkauf von Rohstoffen und Edelmetallen begünstigt werden. Der brasilianische Präsident befürwortet die Vernichtung des Regenwaldes und lässt sich von den Daten des Weltrauminstitutes nicht beeindrucken. Die Zahlen der Weltraumforschung, kritisierte der Präsident, seien zu hoch. Er entließ sogar den Vorsitzenden des Instituts mit dem Grund, dieser wolle ihm mit dem Veröffentlichen von zu hohen Zahlen schaden. Die angeblich zu hohen Zahlen erwiesen sich jedoch als richtig. Die geplanten Gesetzte und Initiativen stellen eine überaus große Gefahr für die indigene Bevölkerung dar, denn sie erlauben es auf deren Gebieten nach Mineralien zu schürfen und Öl zu fördern. Es handelt sich damit um eine klare Ausbeutung von indigenen Gebieten und die Unterdrückung und Vertreibung ihrer Bewohner. Der sonst stetig geleistete Widerstand der indigenen Bevölkerung zur Erhaltung ihres Lebensraumes schwindet, aufgrund der Angst vor der Pandemie. Denn diese Völker haben aufgrund ihrer Isolation kaum Abwehrkräfte entwickelt, weshalb Zivilisationskrankheiten für sie besonders gefährlich sind.
Schafft es die brasilianische Regierung nicht ihr Land zu schützten, droht den indigenen Völkern ein Massensterben, das zum Genozid führt. Mit dem Verlust dieser Völker geht wertvolles kulturelles Wissen verloren. Die brasilianische Regierung zeigt kein Verständnis für das wertvolle Gut ihres Landes und ist geblendet vom Profit. Es scheint, als käme ihnen die Auslöschung der Ureinwohner in der Verfolgung ihrer Ziele sogar noch entgegen. In dem Programm „All eyes on the Amazon“ arbeitet Greenpeace zusammen mit Indigenen und anderen Nichtregierungsorganisationen daran, die Geschehnisse im Regenwald zu dokumentieren, um dann rechtlich gegen sie vorzugehen.
Doch nicht nur für die Urvölker des Regenwalds und die Natur ist die andauernde Zerstörung lebensbedrohlich. Sie hat auch dramatische Folgen für unser Weltklima und das Leben auf der Erde. Der Regenwald ist die größte Sauerstoffquelle auf unserem Planeten und essenziell für unser Klima auf der Erde. Er nimmt Milliarden Tonnen an CO2 aus der Atmosphäre auf und speichert den enthaltenen Kohlenstoff in seinen Pflanzen und im Boden. Er gilt als größter Kohlenstoffspeicher. Die Bäume geben täglich enorm viel Feuchtigkeit in die Luft ab und regulieren somit das Klima. Der Amazonas-Regenwald produziert 50 Prozent seines Regens selbst. Dieser Prozess kühlt die Atmosphäre ab und wirkt der globalen Klimaerwärmung entgegen.
In den letzten Jahren ist die Atmosphäre über dem Regenwald jedoch immer trockener geworden. Und die Folgen sind überall auf der Erde zu spüren. Besonders die vielen Feuer im Wald sind sehr schädlich für den Wasserhaushalt in der Atmosphäre. Der Regenwald beherbergt eine enorme Artenvielfalt und ist ein System, welches sehr empfindlich auf Schwankungen reagiert. Experten befürchten, dass durch die andauernde Abholzung des Regenwaldes das Ökosystem in den nächsten Jahren kippen wird. Wenn das passiert, ließe sich der Klimawandel nicht mehr stoppen. Der Kipppunkt wird bei einer 40-prozentigen Abholzung des Regenwaldes erwartet, denn ab diesem Punkt kann sich der Regenwald nicht mehr regenerieren. Der Regenwald könnte sich dann in eine Savannenlandschaft verwandeln. Weite Teile mehrerer Länder in Südamerika könnten dann austrocknen. Studien renommierter Klimawissenschaftler des INPE besagen, um auf der sicheren Seite zu bleiben, sollte die Entwaldung die 25 Prozent Grenze jedoch nicht überschreiten. Momentan befindet sich der Verlust bei 17 Prozent.
Und wofür das alles? Dass die brasilianische Regierung nichts von Nachhaltigkeit wissen will, zeigt sich ganz klar. Durch die Rodung des Regenwaldes wird noch nicht einmal eine langfristige Fläche für Agrarwirtschaft gewonnen. Ganz im Gegenteil ist es so, dass diese Fläche nach drei bis vier Jahren bereits wieder nutzlos ist. Das kommt daher, dass die Nährstoffe nicht im Boden, sondern in den Pflanzen gespeichert werden. Die dünne nährstoffreiche Humusschicht ist nach der Rodung schnell ausgewaschen. Das bedeutet, sobald der Wald einmal abgeholzt ist, ist er für immer verloren. Und dann bleibt kein Regenwald und keine Agrarfläche, sondern nur noch tote Landschaft. Im Endeffekt schadet das Verhalten der brasilianischen Regierung, auf kurze Sicht gesehen, den indigenen Völkern, der Natur und den Agrarnationen Südamerikas, jedoch langfristig der ganzen Welt. „Die größte Gefahr für den Klimaschutz in Brasilien ist die brasilianische Regierung“, so die indigene Klimaschützerin Sinja Gujajara bei der UN-Klimakonferenz in Kattowitz 2018. Ob sich der Regenwald am Amazonas auch einmal erholen darf, hängt zurzeit stark von der brasilianischen Regierung ab. Die Ignoranz Bolosnaros gegenüber Umweltschutz und Nachhaltigkeit richtet sich nicht nur gegen sein Land, sondern hat Auswirkungen auf die gesamte Erde.
Von Lea Brüggemann
Beitrag erstellt am: 23.06.2020 um 14:59 Uhr
Letzte Änderung am: 23.06.2020 um 14:59 Uhr