Geißbockheim gegen Grüngürtel

Die Gleuler Wiese im Kölner Grüngürtel steht im Mittelpunkt des Streits zwischen dem 1. FC Köln und der Bürgerinitiative. Foto: Klara Linke.

Die Stadt steht vor der Entscheidung, ob der 1.FC Köln sein Gelände im Kölner Grüngürtel erweitern darf, obwohl das Gebiet unter Landschafts- und Denkmalschutz steht. Das geht umweltbewussten KölnerInnen zu weit und die Bürgerinitiative Grüngürtel wird ins Leben gerufen. Was hinter der hitzigen Debatte steckt? Wir haben nachgeforscht. 

Schon fünf Jahre lang zieht sich die Debatte um die Ausbaupläne des Kölner Fußballvereins auf der Gleueler Wiese im Grüngürtel hin. Das hat Kölner BürgerInnen dazu veranlasst, sich zu einer Initiative zusammenzuschließen, um die Naturwiese zu schützen. Die Erweiterung des sogenannten RheinEnergieSportparks sieht die Errichtung von drei Kunstrasenplätzen mit Flutlichtern sowie ein neues Jugendleistungszentrum für Nachwuchsmannschaften vor. Tobias Kaufmann, Pressesprecher des 1. FC Kölns, weist auf die „bei weitem nicht mehr wettbewerbsfähige“ Infrastruktur hin, die eine Erweiterung erforderlich mache. Entlang des Militärrings plant der dort ansässige Fussballverein seinen Standort zu vergrößern. Die Kölner Bürgerinitiative Grüngürtel für Alle stellte sich jedoch jenen Plänen klar gegenüber und machte mehrfach auf die möglichen Auswirkungen auf Natur, Kultur und vor allem Klima aufmerksam. 

Der Kampf gegen eine Bebauung

Eine Veränderung des Landschaftsbildes, Lichtverschmutzung sowie Abgas- und Lärmbelastung bilden nur wenige der Bedenken besorgter KölnerInnen. Besonders kritisiert die Initiative die vorgesehene Versiegelung des Bodens durch Kunstrasenflächen mit Gummigranulat als Untergrund. Denn dadurch könnten Ökosystemdienstleistungen wie die CO2-Speicherung, die Regulierung des Wasserhaushaltes und die Artenvielfalt verloren gehen. Zudem bestehe die Gefahr neuer Hitzeinseln, denn die Zunahme der Temperaturen auf Kunstrasenplätzen führt nach Hinweisen des Umweltamts der Stadt Köln zu einem sommerlichen Trockenstress der Pflanzen. Das Plangebiet „befindet sich in einer SüdWest-Ausrichtung von Köln und somit würde die Frischluftschneise stark unterbrochen“, so Friedmund Skorzenski, ein Sprecher der Bürgerinitiative. Somit würde nämlich keine morgendliche Verdunstungskühle mehr entstehen. 

Weitere Baupläne wurden abgelehnt

Der Innere Grüngürtel ist ein Überbleibsel der ehemaligen Stadtbefestigung. Der damalige Oberbürgermeister Konrad Adenauer hatte veranlasst, einige der Festungsanlagen in Parks umzuwandeln, um für die dichter besiedelten Stadtteile Erholungs- und Grünplätze zu schaffen. Der Fußballverein argumentiert heute, dass diese schon damals Sportanlagen vorgesehen hatten. Allerdings sollen die geplanten Kunstrasenplätze erst zur späten Abendstunde der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und somit nicht in erster Linie dem Breitensport dienen. Neben dem Denkmalschutzfaktor erinnert Skorzenski auch an zwei Präzedenzfälle, bei denen es schon 2015 die Anfragen für eine beleuchtete Joggingstrecke und einen Bolzplatz für Kinder im Grüngürtel gab. Diese jedoch wurden beide vom Kölner Rat abgelehnt. Grund hierfür war, dass es sich eben um ein solches Landschaftsschutzgebiet handelt. Skorzenski vermutet aufgrund dessen „eine bestimmte Nähe zwischen Verein und den Spitzen der Kölner Parteien und Verwaltung – einen Dreiklang, der das eben ermöglicht.“ Er sei selber Fan des 1. FC Köln und betont, dass die Bürgerinitiative es sich nicht als Ziel gesetzt hat, den Verein ganz und gar zu vertreiben. Doch befürchtet er, dass nach ein paar Jahren wieder „neue Begehrlichkeiten auftauchen“ könnten, da „der Fußball zu einer großen Industrie geworden ist“. 

Der 1.FC Köln wünscht sich keinen anderen Niederlassungsort

Für einen alternativen zweiten Standort sieht der FC keine Option, „weil die Philosophie eines bürgernahen, lebendigen und familiären Vereins einen gemeinsamen Standort von Profis und Nachwuchsspielern vorsieht.“ Da Gutachten für den Flächennutzungsplan ergaben, dass der Ausbau den Artenschutz im Waldgebiet nicht gefährde, steht den Plänen diesbezüglich wohl nichts im Wege. Zusätzlich würde der Verein den Verlust der Grünfläche nach gesetzlichen Vorgaben ausgleichen. Kaufmann spekuliert, dass dabei „sogar etwas mehr klimarelevante Fläche neu geschaffen als durch den Bau der Trainingsplätze verloren geht.“ Wo genau die Fläche sein soll und wie groß sie tatsächlich wird, ist jedoch noch nicht beschlossen worden. 

Der Stadtrat steht vor schwierigem Entschluss

Die derzeitige Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte zunächst das Vorhaben des 1. FC Kölns unterstützt, jedoch ging sie seit dem Ausruf des Klimanotstand Kölns im Juli 2019 erstmalig auf Distanz zu den Plänen. Skorzenski interpretiert den Sinneswandel von Reker durchaus als positiv und Zeichen dafür, „dass sie den Klimawandel und -notstand wirklich ernst nimmt“, obwohl sie wusste, „dass sie sehr viel Gegenwind“ für diese Entscheidung bekommen würde. Im November 2019 hatte sich das Europäische Parlament mit klarer Mehrheit dafür ausgesprochen, den europaweiten Klimanotstand auszurufen. Man war sich einig, dass die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht werden sollen, um die Klimakrise abzuschwächen. 

Nachdem der FC seine Fans und Mitglieder zur Unterstützung aufgerufen hatte, ging eine rekordbrechende Anzahl von 7.145 Stellungnahmen der BürgerInnen bei der Stadt ein. Darin äußerten sie sich zu den Plänen, die derzeit ausgewertet werden. Nun muss der Kölner Stadtrat bestimmen, was am besten für das Stadtklima ist. Eine endgültige Entscheidung der selbsternannten Sport-Stadt Köln ist allerdings erst gegen Ende 2020 zu erwarten.

Von Klara Linke

Beitrag erstellt am: 02.06.2020 um 12:56 Uhr
Letzte Änderung am: 02.06.2020 um 12:56 Uhr

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… studiert Englisch, romanische Sprachen und Komparatistik. Nach dem Abschluss möchte sie gerne im Journalismus tätig sein und mehr über die Fotografie lernen. In der Freizeit versucht sie sich an neuen Backrezepten oder lauscht den Stimmen von Kawelke und Golod im Machiavelli Podcast.