Hegel gilt als einer der am schwersten zu verstehenden Philosophen und gehört neben Kant zum Hauptvertreter des Idealismus, welcher aufgrund der deutschen Herkunft seiner Denkväter oft auch als „Deutscher Idealismus“ bezeichnet wird. Dabei gilt Hegel sogar als Höhepunkt dieser philosophischen Strömung. Der Versuch, Hegel auf gerade mal 100 Seiten herunterzubrechen, ist zum Scheitern verurteilt. Dies sieht auch Dath ein, weswegen er direkt zum Beginn des Buches auf die Kritik eingeht. Ihm ginge es nicht darum, Hegel verkürzt wiederzugeben; er erklärt, dass sein Büchlein nicht die Lektüre ersetzt und ermuntert seine LeserInnen vielmehr dazu, selbst Hegel zu lesen und darüber nachzudenken. Da das Denken Hegels zu komplex für simple Regeln sei, verzichtet Dath auch in diesem Buch darauf.
Anstatt nur stumpf den Versuch zu unternehmen Hegels Hauptwerke zu erklären, führt Dath seine LeserInnen durch die Philosophiegeschichte. Dabei fängt er nicht in der Antike an und hört in der sogenannten Postmoderne auf, sondern fängt mit einer kurzen Erklärung des Idealismus beim Wiener Kreis an. Der Wiener Kreis entwickelte in den 1920er – 1930er eine Denkrichtung, die dem Idealismus wohl am radikalsten gegenübersteht. Sie berufen sich auf Naturgesetze und behaupten, dass man über diese Aussagen treffen kann, die entweder falsch oder wahr sein können. Wenn man nicht über Naturgesetze spricht, und diese nicht damit belegbar sind, seien diese Sätze bedeutungslos. Obwohl diese Denkrichtung eine vermeintlich hohe Wissensautorität genießen sollte, entzaubert Dath die Kritik und schlägt sie mit ihrer eigenen Waffe: Mit den Naturwissenschaften. Dabei sollte man auch wissen, dass Dath Physik studiert hat und ganz genau weiß, worüber er dort schreibt.
Dieses Buch führt einen aber nicht nur durch die Philosophiegeschichte, sondern ordnet zudem Hegels Werke in einen geschichtlichen Kontext ein. Dabei erklärt er auch biographisch in welcher Lebenslage Hegel gerade befand, als er bestimmte Texte verfasste. Neben interessanten Anekdoten aus seinem Leben, räumt Dath auch mit verschiedenen Mythen auf, wie zum Beispiel, dass Hegel sich vom Staatsfeind zum reaktionären Preußen-Fan entwickelt habe.
Über seine Motivation, ein Buch über Hegel zu schreiben, macht Dath keinen großen Hehl. Als bekennender Kommunist geht Dath immer wieder auf die Verbindung zwischen Karl Marx und Hegel ein. Neben einer immer wiederkehrenden Erwähnung von Lenin, zitiert er auch Marx‘ Wegbestreiter und engen Freund Friedrich Engels, der behauptet hat, dass man Marx‘ Schriften ohne Hegels Philosophie nicht ganz verstehen könne. Zudem kommt Dath auch auf die Unterschiede zwischen Hegel und Marx zu sprechen.
Daths 100 Seiten Hegel eignet sich nicht nur für Personen, die mehr über Hegel und dessen Philosophie erfahren wollen, sondern auch für diejenigen die generell einen Einstieg in die Philosophie suchen. Durch seine einfache Sprache und dem Erklären vieler Fachwörter ermöglicht die Lektüre auch Fachfremden sich in die Thematik einzuarbeiten. Sie bietet viele Denkanstöße und umreißt ein breites Spektrum an Unterthemen, mit denen man sich weiter befassen kann. Sei es die Auseinandersetzung mit Hegel im Idealismus, Theorie zur Ästhetik oder neuere Interpretationen wie von Slavoj Žižek. Das kleine Büchlein gibt einen guten Einstieg und ermuntert sich mehr mit Hegel zu befassen.
Dietmar Dath: Hegel. 100 Seiten. Reclam 2020, 100 Seiten, 10 Euro.
ISBN: 978-3-15-020559-4
Von Nils Kremer
Beitrag erstellt am: 19.05.2020 um 19:54 Uhr
Letzte Änderung am: 19.05.2020 um 20:09 Uhr
Über Nils Kremer
... studiert Geschichte und Philosophie. Dabei setzt er seinen Schwerpunkt auf Rechtsphilosophie.