Über ein Vierteljahrhundert ist es nun her, dass die Europäische Union gegründet wurde. Seitdem ist ein großer Teil Europas nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell eng miteinander verbunden. Über das Förderprogramm „Erasmus Plus“ hat die Europäische Union es bislang über 4,5 Millionen Studierenden ermöglicht, ein oder mehrere Semester in einem fremden Land zu studieren. Durch den damit verbundenen Erlass der Studiengebühren am temporären Studienort und das monatliche Stipendium können auch Studierende, die die finanziellen Mittel zu einer solchen Erfahrung normalerweise nicht hätten, ein oder mehrere Semester im Ausland verbringen.
Auslandsaufenthalte sollen nicht nur hilfreich sein, die eigenen Sprachkenntnisse auszubauen und den Wissenshorizont zu erweitern, sondern auch, um interkulturelle Barrieren zu überwinden, die eigenen Grenzen auszutesten und die Persönlichkeit fortzubilden. Allein an der Universität zu Köln studieren jedes Jahr schätzungsweise über 1000 Studierende aus der ganzen Welt. Konkrete Zahlen kennt kaum jemand, da es unterschiedliche Austauschprogramme gibt, die ihre Daten nirgends zusammengetragen haben. Doch wie geht es diesen Austausch-Studierenden eigentlich hier in Köln? Wie denken Studierende aus dem Ausland über Europa, die EU und ihren Auslandsaufenthalt? Wir haben mit insgesamt neun jungen Menschen aus verschiedenen EU-Ländern über Europa, das Auslandsstudium und die eigene Identität gesprochen.
Der erste Student, mit dem wir gesprochen haben, ist Tomasz. Geboren wurde er in Polen, fühlt sich aber nach Auslandsaufenthalten in den USA und Italien auch in diesen beiden Ländern zu Hause. Auch Niels aus den Niederlanden, der gerade ein Auslandssemester in Deutschland absolviert, fühlt sich sowohl in seinem Heimatland Holland als auch hier in Deutschland zu Hause.
„Ich würde sagen, mein Heimatland ist Polen, aber nicht ausschließlich. Die USA und Italien sind auch meine Heimatländer.“
Tomasz
Catarina aus Portugal, David aus Spanien, Luka aus Kroatien, Bruce aus Italien sowie Mary und Vincent aus Frankreich fühlen sich trotz diverser Auslandsaufenthalte nach wie vor besonders mit ihren Heimatländern verbunden. Sie betonen aber, dass es für sie auch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur EU und zu Europa gibt.
„Jetzt gerade fühle ich mich zu Hause in Ungarn, aber auch in England, und ich habe mich während meines ersten Auslandsaufenthalts in Spanien zu Hause gefühlt.“
Eszter
Die Frage, was es für sie bedeutet, EU-BürgerIn zu sein, legen die Studierenden unterschiedlich aus. Für Tomasz ist es besonders das Gefühl, sich in keinem EU-Land illegal oder ausgeschlossen zu fühlen. Für Eszter ist jede(r) andere EU-BürgerIn wie ein Bruder oder eine Schwester, weil all diese Länder ähnliche Traditionen sowie das gleiche kulturelle Erbe teilen.
„In Europa ist alles so dicht beieinander, dass du verschiedene Menschen mit ganz unterschiedlichen Traditionen innerhalb wenigen Kilometern Distanz finden kannst.“
Niels
Für Bruce ist die EU wie ein großes, einzigartiges Land ohne Grenzen. Und Luka hält es für ein großes Privileg, EU-Bürger zu sein, da man in allen Ländern reisen, arbeiten und leben kann. „Ich glaube, dass viele von uns diese Bewegungsfreiheit für selbstverständlich nehmen, bis so etwas wie der Brexit passiert“, sagt der Student.
„Ich denke, eine Bürgerin der EU zu sein, bedeutet, keine Ländergrenzen in Europa zu sehen.“
Catarina
Weniger einig sind sich die Studierenden in Bezug auf ihr Nationalitätsgefühl. Wir fragten sie, ob sie sich eher als EU-BürgerInnen oder als BürgerInnen ihres eigenen Heimatlandes sehen. Tomasz und Catarina sind sich einig, dass sie mehr EU-BürgerInnen als BürgerInnen ihres eigenen Heimatlandes sind. Bei Vincent und Luka hat der Auslandsaufenthalt maßgeblich dazu beigetragen, ihr EU-Zugehörigkeitsgefühl zu stärken und sich noch mehr als EU-BürgerInnen zu identifizieren.
„Nun, da ich im Ausland bin und so viele Menschen getroffen habe, mit denen ich die gleichen Werte teile, fühle ich mich europäischer denn je.“
Luka
Niels ist stolz, Holländer zu sein, sieht sich aber selbst auch als EU-Bürger. Bei Eszter, David und Bruce überwiegt das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Heimat, obwohl sie alle die EU wertschätzen und sich als der EU zugehörig identifizieren.
„Ich habe mich seit meiner Kindheit als EU-Bürgerin gesehen, weil ich Familie in der ganzen Welt habe und wir sie im Sommer normalerweise besuchen gehen. Das sehe ich immer als Chance.“
Mary
Die Tatsache, dass es in der EU so einfach ist, von Land zu Land zu reisen, ist allen Studierenden zufolge eines der größten Vorteile der Europäischen Union, besonders in Bezug auf ihr Auslandssemester. Es ist sehr einfach, von einem EU-Land ins nächste zu ziehen, es gibt kaum Hürden und die Mitgliedschaft in der EU hat es allen Studierenden massiv erleichtert, ihr Auslandssemester anzutreten.
Doch was sind eigentlich die größten Vorteile der Europäischen Union? Ausnahmslos alle Studierenden nennen an dieser Stelle das erleichterte Reisen und die Möglichkeit, im Ausland zu studieren und zu arbeiten. Tomasz findet es super, dass nun alle EU-Länder verpflichtet sind, Englisch auch an Schulen zu unterrichten, sodass ein internationaler sprachlicher und kultureller Austausch erst ermöglicht wird.
„Die EU tut eine Menge für uns, also sollte man immer dankbar sein, weil wir Glück haben, dass wir EU-BürgerInnen sind.“
Bruce
Die wirtschaftliche Einheit und der Zusammenschluss der EU-Länder führten, zumindest Vincent und Eszter zufolge, auch zu mehr Gleichheit und weniger Diskriminierung von Minderheiten und/oder kleineren und wirtschaftlich schwächeren Ländern.
„Ich würde sagen, dass die EU sehr von Vorteil für gebildete Menschen ist.“
Vincent
Eszter, die selbst aus Ungarn kommt, ist dankbar für die finanzielle Unterstützung, die die EU ihrem Heimatland zur Verfügung gestellt hat. Alle Studierende sind sich einig, dass die EU zu mehr Einheit, Gleichheit und Stabilität führt. Wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit, kultureller Austausch und eine gemeinsame Identität sind Gründe, warum sie die EU nicht mehr missen möchten.
„In wenigen Worten: Die EU macht Dinge einfacher für uns Bürger.“
David
Jede(r) der Studierenden, mit denen wir gesprochen haben, kommt aus einem anderen Land. Jede(r) Studierende wurde in eine andere Kultur hineingeboren, hat andere Sitten, Traditionen mitgegeben bekommen, eine andere Sprache gelernt. Auch Bildungs- und Wertesystem unterscheiden sich von Land zu Land. Und doch sind sich alle Studierenden nun, da sie gemeinsam in einem fremden Land wohnen, einig über die Chancen und Vorteile, die der Zusammenschluss der europäischen Staaten den hier wohnenden BürgerInnen ermöglicht. Denn Erasmus ist nicht nur ein Austauschprogramm, das Studierende absolvieren, um ihre Lebensläufe aufzuwerten. Erasmus bedeutet auch die Zusammenkunft von Studierenden aus den unterschiedlichsten sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Situationen. Erasmus bedeutet den Austausch von Ideen und Identitäten, es bedeutet Offenheit für Neues, Toleranz und eine starke, junge europäische Generation, sich auch über Ländergrenzen hinweg durch gegenseitiges Verständnis und ehrlichen Respekt auszeichnet und die EU als Bündnis verschiedener Staaten als kraftvolle Institution und einzigartige Möglichkeit der Länderübergreifenden Zusammenarbeit betrachtet. Die jungen Erasmus-Studierenden finden: Diese Einheit sollte erhalten bleiben und auch in Zukunft gefördert werden.
Von Theresa Althaus
Beitrag erstellt am: 06.04.2020 um 08:19 Uhr
Letzte Änderung am: 30.04.2020 um 08:23 Uhr