Wenn Angst die Kontrolle übernimmt

Gabriele Finck und ihr Buch
Gabriele Finck hat in Ihrem Buch persönliche Erfahrungen über die Angststörung eingearbeitet. Foto: Gabriele Finck

Psychische Probleme sind in unserer Gesellschaft zwar allgegenwärtig, doch werden sie von vielen totgeschwiegen. Mit seinen psychischen Problemen auch noch an die Öffentlichkeit zu gehen – für viele unvorstellbar.

Gabriele Finck hat den schwierigen Schritt gewagt und nicht nur ein eigenes Buch herausgebracht, sondern dieses auch selbst verlegt. Der Titel: Mit der Angst im Gepäck. Mit der philtrat redet die 34-Jährige über ihr frisch erschienenes Buch, ihre eigene Angststörung und den Weg aus ihr heraus.

Gab es einen Schlüsselmoment, der dich dazu bewegt hat, ein Buch über Angststörungen zu schreiben?

Nein, es war viel mehr ein längerer Prozess, aber der Wunsch ein Buch zu schreiben, hatte ich schon immer – worüber stand allerdings noch nicht fest. Während ich mich selbst mit dem Thema Angststörungen beschäftigt und Bücher gelesen habe, konnte mich keines davon überzeugen. Sie waren entweder zu sachlich oder versprachen eine übertriebene, heile Welt. Diese Unzufriedenheit spielte eine große Rolle bei meiner Entscheidung. Ein wichtiger Moment war sicherlich auch die Reise nach Israel zum Krater Machtesh Ramon. Früher konnte ich nicht einmal in einen Supermarkt gehen, ohne unter Panik zu leiden, und dann stand ich hier vor einem so großen Naturmonument. Da hatte ich ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und innerer Kraft. Und das alles alleine geschafft zu haben, hat mir die Motivation gegeben, dieses Buch zu schreiben.

Was macht dein Buch anders?

In den dunkelsten und schwersten Zeiten meiner Panikattacken hab ich mir immer ein Buch gewünscht, das mich liebevoll begleitet. Mir immer wieder von neuem Mut macht und mir beim Aufstehen hilft, nachdem ich gefallen bin. Ich wollte ein Buch, wie einen guten Freund, der an mich glaubt und der mir zuflüstert: „Auch das geht vorbei! Du wirst wieder lachen können. Du schaffst das.“ So einen liebevollen, authentischen Ratgeber habe ich hiermit auf die Welt gebracht: Ich schreibe von meinen Erfahrungen, von meinem Weg und auch von meinem Scheitern. Das Ganze ist eingebettet in wunderschöne Illustrationen – und welcher Ratgeber verbindet sein Anliegen schon mit Kunst?

Warum hast Du dich für eine Selbstverlegung des Buches entschieden?

Ich wollte auf der einen Seite die Form und Inhalt meines Buches vollkommen selbst in der Hand haben. Auf der anderen Seite komme ich mit meinen LeserInnen viel eher in Kontakt. Sie bestellen die Bücher bei mir und schreiben mich direkt an. Dieser Kontakt ist mir unglaublich wichtig.

Sind denn die Hürden bei einer Selbstverlegung nicht größer?

Auf jeden Fall. Besonders im finanziellen Bereich. LektorInnen, Druckkosten, das muss ich alles selber übernehmen. Auch die Vermarktung nach dem Druck ist eine große Herausforderung. Denn im Büchermarkt hält sich der Eindruck, dass SelbstverlegerInnen keine guten Bücher schreiben. Und dieses Vorurteil muss erst beiseitegeschoben werden.

Dein Buch befasst sich mit Angststörungen, einem sehr tabuisierten Thema in der Gesellschaft. Warum ist es immer noch ein Tabuthema?

Krankheiten passen nicht zu unseren westlich zivilisatorischen Idealvorstellungen. Denn die Menschen dieser schillernden Idealwelt sind schön, gesund, leistungsfähig – sie funktionieren. Alles, was „krank“ oder „verrückt“ ist, passt in dieses Bild nicht hinein. Hinzu kommt, dass das Thema Angst selbst verdrängte Ängste weckt. Viele fühlen eine große Unsicherheit, mit ihrer eigenen Angst konfrontiert zu werden und daher wird es lieber ignoriert, als es zu thematisieren.

Du hast selbst auch sehr lange deine psychische Situation verschwiegen. Wie hat dein Umfeld reagiert, nachdem Du dich geöffnet hast?

Es hat Jahre gebraucht, bis ich anderen von meinen Angststörungen berichtet habe. Oft habe ich Treffen oder Feiern abgesagt, weil ich zu große Angst hatte. Die anderen haben dies häufig als mangelndes Interesse verstanden. Dass das Offenlegen seiner eigenen Psyche so schwierig ist, liegt auch an der Irrationalität des Themas, welches du aber rational erklären musst. Wenn ich Angst habe, habe ich einfach Angst, dass ist sehr schwierig zu erläutern. Wenn Leute nicht genug Empathie dafür haben (wollen), dann kann das sehr schmerzhaft sein. Darunter können auch Freundschaften leiden. Trotzdem sollte jeder das Risiko eingehen und sich fragen, was das für eine Freundschaft ist, die nicht bereit ist, Verletzlichkeit und „Schwäche“ zuzulassen.

Welche Faktoren fördern die Entwicklung einer Angststörung deinen Erfahrungen nach?

Für Angststörungen und andere psychische Erkrankungen sind neue Lebenssituationen ein nicht zu unterschätzender Faktor. Das Elternhaus, auch wenn die Verhältnisse nicht einfach sind, bleibt ein Symbol für Ordnung und gewohnte Strukturen. Zu meinem Studienbeginn stand ich an der Klippe zu einer neuen Welt, was ein schönes Gefühl ist, sich aber auch gefährlich anfühlen kann. Entscheidend ist auch die eigene Reaktion auf so eine tiefe Krise. Viele, wie auch ich, zwingen sich am Anfang dazu, einfach weiter zu funktionieren, stellen zu hohe Ansprüche an sich selbst und kommen damit in einen Teufelskreis.

Kannst Du unseren LeserInnen einen Tipp geben, wie man selbst mit Panikattacken umgehen kann?

Ganz wichtig ist, wenn so ein Gefühl kommt: Geh eine Runde raus und gib Dir selbst etwas Zeit. Völlig falsch wäre es, in eine Starre zu verfallen. Bewegung hilft dabei, das Adrenalin, welches bei so einer Panikreaktion produziert wird, aus deinem Körper herauszubekommen. Bewusst länger auszuatmen als einzuatmen kann ebenfalls sehr hilfreich sein.

Ähnliche Maßnahmen helfen auch bei Aggressionen. Gibt es da Zusammenhänge?

Ja das stimmt, denn Angst kann auch andere Gefühle, wie Traurigkeit oder Wut, überdecken. Aber das ursprüngliche Gefühl wird verdrängt und dann kann als Konsequenz die Angst zum Vorschein kommen.

Hat die Überwindung deiner Angststörungen dich auch in einem anderen Aspekt verändert?

Auf jeden Fall. Mein Leben hat an Tiefe gewonnen. Da ich mich selbst mehr lieben gelernt habe, hat das auch positive Auswirkungen auf die Beziehung zu anderen Menschen. Ich bin aufmerksamer zu mir selbst und höre in mich hinein, was ich wirklich möchte.

Was würdest Du dir für dein Buch wünschen?

Dass es anderen Leuten hilft. Mein Buch soll Leute begleiten, die wieder hoch wollen und sich ihrer Angst stellen möchten. Und für diese soll das Buch ein kleiner Mutmacher, auch durch die schwierigen Zeiten, sein.

Eine Leseprobe des Buches Mit der Angst im Gepäck gibt es auf: www.mut.mondamo.de

Von Lucas Lorenz

Beitrag erstellt am: 15.01.2020 um 08:50 Uhr
Letzte Änderung am: 15.01.2020 um 08:50 Uhr

Portrait

… fährt gerne mit dem Fahrrad durch das Bergische Land und probiert sich gerne an neuen Anstiegen aus. Regelmäßig fährt er auch zur Universität. Dort studiert er Geschichte und Medienkulturwissenschaften ohne sich viele Gedanken zu machen, wie seine Laufbahn danach aussieht.