That’s Musical, Baby

Die Grande Dame des Musicals Pia Douwes in „Rebecca“ auf der Freilichtbühne Tecklenburg. Foto: Andre Havergo / Freilichtspiele Tecklenburg

Ein Drama in sieben Akten

Willkommen, bienvenue, welcome! Fremder, etranger, stranger. Glücklich zu sehen, je suis enchante, Happy to see you, bleibe, reste, stay. Willkommen, bienvenue, welcome Im Cabaret, au Cabaret, to Cabaret.

Cabaret

Eine junge Frau dreht sich in einer ausladend großen Halle im Kreis. Der Rock ihres Kleides schwingt mit, ihr Opernglas hält sie fest im Griff, aber das Programmheft fällt ihr aus der Hand. Der Vorhang hat sich gerade für die Halbzeit geschlossen und sie summt schon das Lied mit dem es gleich weitergehen wird. Sie ist ich und ich bin Musical-Fan. Und ich möchte euch mit auf die Reise durch mein vielseitiges Hobby nehmen. Was folgt? Ein Querschnitt durch die deutschsprachige Musicalwelt und was sie aus meiner persönlichen Sicht alles zu bieten hat.

Akt 1: Die Musicals, die jeder kennt

We will we will rock you
Singin‘
We will we will rock you
Everybody
We will we will rock you
We will we will rock you
Alrigth

We will rock you

Viele Unterhaltungen, die ich über Musicals führe, erreichen irgendwann den Punkt, an dem mein Gegenüber sagt: „Ich kenn nicht so viele Musicals. Aber ich hab‘ König der Löwen gesehen und das fand ich ganz ok“. Dann nicke und lächele ich, weil ich natürlich weiß, dass König der Löwen eines der erfolgreichsten Musicals Deutschlands ist. Sicher nicht grundlos – wenn zu diesen Gründen auch Disney, der Standort Hamburg und die lange Spielzeit, inzwischen über 15 Jahre, gehören.

Mein Gefühl sagt mir, dass König der Löwen, genauso wie CATS und Starlight Express, lange Zeit die Musicalszene dominierten, dass sie das Bild der Menschen von Musicals ebenso prägten wie Britney Spears die 2000er. Wie langweilig! Britney Spears und Starlight Express sind sicherlich großartig, aber sie sollten keinesfalls die Platzhalter ihres ganzen Genres bleiben. Es gibt doch noch so viel mehr. Zum Beispiel die Musicals, die auf den Songs bekannter SängerInnen und Bands beruhen. Die Magie des Musicals besteht eben auch darin, Geschichten um Lieder zu spinnen, die jeder kennt. Und was für Geschichten es sind: Dystopien (We will rock you), romantische Komödien (Mamma Mia!) und besondere Dramen (Bodyguard). Um nur ein paar zu nennen.

Akt 2: Alle lieben Disney

Ein unberührtes Paradies,
in einer samtgrünen Welt,
wo Liebe lebt und Frieden wohnt
Sanfte Spuren die im Sand verwehen,
zwei Welten, eine Familie,
glaub an dich, vertrau darauf,
das Leben zeigt dir wie.

Tarzan

Magisch und vor allem spektakulär sind auch die Disney-Musicals, die fast jeder kennt. Denn die Beziehung zwischen der Musical-Produktionsfirma Stage Entertainment (Hamburg) und dem amerikanischen Großunternehmen läuft gut und mischt die Musicalwelt ordentlich auf: Tarzan, Mary Poppins, Aladdin, Der Glöckner von Notre Dame usw. Das sind die Stücke, die in eine andere Welt entführen.

Damit sprechen sie natürlich ein besonders großes Publikum an. Magie für Groß und Klein. Viel Geld steckt in den Produktionen und das merkt man ihnen an: Unfassbare Bühnenbilder, internationale Besetzungen und Orchester, die zu Tränen rühren. Aber die Musical-Welt fängt weder bei den fröhlichen Musicalfilmen à la Hairspray an, noch hört sie bei den Disney-Musicals auf.

Akt 3: Die Lieblinge

Ich möchte vom Drahtseil herabsehn auf diese Welt.
Ich möchte aufs Eis gehen und selbst sehn,
wie lang‘s mich hält.
Was geht es dich an, was ich riskier!?
Ich gehör nur mir.

Elisabeth

Es ist eine allgemeine Wahrheit der Musical-Szene, dass es für jeden das Eine gibt oder geben wird. Dieses eine Musical, das einem die Augen öffnet, einen mitreißt und nie wieder loslässt. Nicht jeder findet es, aber für diejenigen, die es entdeckt haben – ihr eines Stück – ist eine tiefgehende Begeisterung und Wertschätzung für das Genre Musical geweckt. Für manche ist es sogar König der Löwen – Disney sei Dank. Für viele ist es Tanz der Vampire. Für mich war es Elisabeth – Die wahre Geschichte der Sissi.

Aber egal, welches es auch ist, es öffnet die Augen und zeigt so viele verschiedene Facetten dieses Genres: verrückte Pop-Musicals wie Kinky Boots und Spamalot, Dramen von Marie Antoinette bis Mozart und auch Stücke, die auf Büchern basieren wie Rebecca oder Besuch der alten Dame. Das Genre Musical ist mindestens genauso vielfältig wie jedes andere.

Akt 5: Die DarstellerInnen

Knoblauch, Knoblauch!
Knoblauch, Knoblauch!
Ein Pfeifchen und ein Wodka
Und ein scheenes Fiedeldumdei.

Tanz der Vampire

Filme werden besetzt, gedreht und beworben. Mit ganz viel Pech wird vielleicht eine Serie daraus gemacht und in 20 Jahren über ein Remake nachgedacht. Musicalproduktionen haben eine höhere Fluktuation und jeder, der sich näher damit beschäftigen möchte und mehr als eine Produktion – live oder auf YouTube – gesehen hat, wird fast automatisch in die Diskussion gezogen. Wer wird der nächste Graf? Wer ist das beste Elisabeth-Traumpaar? Warum tritt nicht wieder die Urbesetzung auf?

Noch viel häufiger wird mit Namen um sich geworfen, vorzugsweise Vornamen, denn alle wissen ja von wem geredet wird. Für manche steht und fällt ein Stück mit der Besetzung, weil sie nur den einen Darsteller oder die eine Darstellerin in der Rolle mögen. Wiederum andere freuen sich über jede Neuerung, weil es ein und dieselbe Geschichte in einem neuen Glanz erstrahlen lässt. Und auch das ist es, was Musical so spannend macht. Es muss nicht Goethe in die Moderne versetzt werden, um originell zu sein.

Akt 6: Die Galen

Irgendwo wird immer getanzt und es wäre doch zu schad einen Spaß zu versäumen. Ich leb gern´, ich gebe gern´, ich schweb gern auf Träumen, mit Champagner im Blut und einer Rose aus Papier im Haar.

Mozart

Wenn schon die DarstellerInnen bekannt sind, dann ist es nur noch ein kleiner Schritt zur ersten Gala – ganz egal unter welchem Motto. Ein Potpourri aus all den Songs, Stücken und InterpretInnen, die geliebt werden. Dann haben wir alle dieses eine Lied, auf das wir warten, am liebsten von genau diesem einen Darsteller oder dieser einen Darstellerin. Hoffen auf das Duett, von dem einen Paar, von dem es noch keiner gehört hat. Letztlich ist die deutschsprachige Musicalszene ein Dorf.

Wir haben 20 DarstellerInnen, die zu den Großen zählen. 40, die der Musicalfan so kennt. Und der Rest wird groß, klein und verschwindet wieder. Und trotzdem wird es nicht langweilig, weil nie alles entdeckt werden kann und sich jeden Tag unfassbar viel ändert. Wer weiß schon, wer morgen die Hauptrolle in Tanz der Vampire übernehmen wird?

Akt 7: Oh my! Musical!

What ever happened to my part?
It was exciting at the start.
Now we‘re halfway through Act 2
And I‘ve had nothing yet to do.

Spamalot

Und gerade jetzt tut sich sehr viel im Bereich Musical. Der Broadway Erfolg Hamilton ist schneller und spektakulärer in die Popkultur gerutscht als irgendein anderes Stück zuvor. Zu Halloween gab es einen musicaltastischen Mitternachtsball und Fack Ju Göhte bekommt eine eigene Aufführung. Einmal angefangen, gibt es so viel zu entdecken, dass man gar nicht mehr aufhören möchte: YouTube ist und bleibt der beste Freund des Musicalfans. Am Bühneneingang ist ein Treffen voller Gleichgesinnter. Die Studioaufnahmen der Stücke und damit ganze Geschichten begleiten einen durch den Alltag. Musical kann so viel mehr sein als Unterhaltungsprogramm für unsere Eltern – viel mehr als ich jetzt hier beschreiben konnte. Also traut euch: Köln hat nicht umsonst einen Musical Dome.

Die Autorin empfiehlt:
-Elisabeth (Nicht zu verwechseln mit den Weihnachtsfilmen
Rebecca (wurde mal von Hitchcock verfilmt)
Wicked (Du wirst Zauberer von Oz nie wieder mit den gleichen Augen sehen)
-If/Then (Was wäre wenn?)
Mozart (So viel mehr als klassische Musik)

Von Jane Escher

Beitrag erstellt am: 29.07.2019 um 09:55 Uhr
Letzte Änderung am: 09.11.2019 um 11:54 Uhr