Extremismus – Rechtspopulistische Tendenzen in Europa

Zeichnung Donald Trum stößt Freiheitsstatue
Wird Donald Trump die Freiheit umstoßen? Bild: Laurence Boms

Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien sind in Europa so erfolgreich wie nie zu­vor seit Ende des Zweiten Weltkrieges.

Wie unterscheiden sich rechtsorien­tierte politische Bewegungen? Wie sieht es in den anderen EU-Ländern mit der Radikalisierung aus und beeinflusst Donald Trump vielleicht ei­nen Anteil der Rechtspopulisten in Europa? Um diesen und ähnlichen Fragen nachzugehen, hat ikult, ein gemeinnütziger Dialogverein, im April den Europaexperten, Historiker und Politikwissenschaftler Siebo Janssen der Universität zu Köln eingeladen.

Die philtrat hat sich diesen Vortrag nicht entgehen lassen, um Antworten auf einige Fragen zu finden:

Rechtsextremismus, Rechtsradi­kalismus oder Rechtspopulismus?

Herr Janssen beginnt seinen Vortrag mit der Erklärung des Unterschiedes genau dieser Begrifflichkeiten. Der Ausdruck Rechtsextremismus umfasse alle Ansichten und Handlungen, die sich gegen die Grundlagen einer modernen Demokratie wenden. „Rechtsextremisten wünschen sich einen politischen Sturz und sind eher gewaltbereit“, erklärt Janssen. Zu den Vertretern der Rechtsextremisten würden unter anderem die NPD, Freie Kameradschaften und Reichsbürger gehören.

Im Gegensatz zum Rechtsextremismus, stehe der Rechtsradikalismus der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in der Regel nicht feindlich gegenüber. Dennoch seien die Grenzen zwischen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus häufig fließend. Das Problem dabei sei, dass das Denken im Prinzip dasselbe ist. Rechtsradikale würden sich nur stärker tarnen, erläutert der Europaexperte.

Als gefährlichstes Konzept sieht Siebo Janssen aber den Rechtspopulismus: „Populisten bezeichnen sich als Vertreter der schweigenden Mehrheit. Kein Mensch weiß, was die schweigende Mehrheit denkt und das macht sie gefährlich“.

Er erwähnt ebenfalls, dass Rechtspopulisten die Eurokrise ausnutzen würden, um Feindseligkeiten zu streuen. „Die Griechen nehmen den deutschen Arbeiter aus“ – ist eines dieser Vorurteile. Ähnlich sieht es mit der Flüchtlingspolitik aus. Rechtspopulisten wecken laut Janssen die Ängste vieler Menschen, indem sie beispielsweise erzählen, die Kriminalitätsrate würde durch Geflüchtete steigen. Typisch für Populisten sei außerdem, dass sie nicht das System, sondern die Elite, beziehungsweise das Establishment für alle Probleme beschuldigen würden.

Rechtspopulismus am Beispiel von AfD und Front National

Die AfD wurde im Februar 2013 als eine Anti-Euro-Partei in Berlin gegründet. Bei der Europawahl 2014 gewann sie erstmals überregionale Mandate und zog in elf Landespar­lamente ein. Im Juli 2015 gab es einen Aufstand gegen Bernd Lucke und Vorsitzende wurde Frauke Petry. Nach Janssens Aussage trug auch Angela Merkels Flüchtlingspolitik dazu bei, dass die Rate für die neue AfD mit ihren Anti-Islam Forderungen nach oben ging.

Auf die Frage, wie die AfD in den nächsten Wahlen voraussichtlich abschneiden wird, erklärt Janssen, dass sie im Rheinland keine guten Chancen haben würde, dafür aber im Ruhrgebiet. Das hänge damit zusammen, dass dort viele Bergwerke geschlossen wurden. Die Folgen seien Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit. Bei den Wahlen im Mai kam es schließlich zu einem Stimmanteil von 7,4% für die AfD.

Die Front National ist eine 1972 von Jean-Marie Le Pen gegründete Partei, die damals als rechtsextrem, rassistisch und antisemitisch galt. Seit 2011 ist Marine Le Pen die Nachfolgerin ihres Vaters. Heute nimmt sie Abstand von der Politik ihres Vaters. Zum Beispiel drängte sie antisemitische Politiker an den Rand der Partei, um jüdische Unterstützung zu gelangen. In Abgrenzung zu verharm­losenden Äußerungen ihres Vaters, verurteilte Marine Le Pen den Holocaust klar.

Ende April und Anfang Mai wurde nun in Frankreich ein neuer Präsident gewählt. Laut Umfragen vor der Wahl lag Le Pen knapp hinter dem pro-europäischen Kandidaten Emmanuel Macron. Im Gegensatz zu dieser vermuteten Tendenz einer sehr knappen Entscheidung, konnte Macron mit einer Mehrheit von 66% zu 34% einen klaren Sieg erzielen.

Rolle des Populismus im Brexit

Mit dem Brexit habe der Populis­mus seinen ersten Sieg erreicht, betont Janssen. Die Pro-Brexit-Kampagne habe sehr stark das Feindbild der Migranten benutzt. Ein weiterer Faktor, der zum Brexit geführt habe, seien die Nichtwähler. Die jüngere Generation sei größtenteils pro-europäisch eingestellt. Doch seien es die Älteren gewesen, die massenhaft zur Wahl gegangen sind. Die jüngere Generation sei „erst am nächsten Tag erwacht“, so Janssen.

Hat der Brexit einen Dominoeffekt ausgelöst? Vielleicht, denn sieben Monate später ist Donald Trump nach einem populistischen Wahlkampf ins Weiße Haus gezogen. Doch der Effekt sei durch Österreich gestoppt worden. Zwar hatten die Österreicher im Dezember 2016 mit 46,3% der Stimmen für den rechtspopulistischen Kandidaten Norbert Hofer gestimmt. Die Mehrheit aber konnte er nicht überzeugen.

Hoffnung

Perspektive sieht der Historiker in einer starken Gegenbewegung. Schätzend nennt er die Bürgerinitiative #PulseofEurope, die in Großstädten wie Köln, Frankfurt oder Karlsruhe zur Demonstration aufrief. So versammelten sich sonntags regelmäßig bis zu 200 Menschen um ein Zeichen für die Zukunft und die Einheit Europas zu setzen.

Am Ende des Vortrags spricht Janssen seine Empfehlung aus: ,,Mehr Geld in Bildung investieren! Je besser die Bildung ist, desto weniger begeistern sich die Menschen für Rechtspopulismus.“ Sein zweiter Appell scheint simpel und dennoch sehr angebracht: „Auch in Zukunft die Wahlen nicht einfach verpassen und außerdem eine demokratische Partei wählen“ fordert er.

Janssen verleiht seinen Aussagen außerdem Nachdruck, indem er ausspricht, dass jeder einzelne von uns in je­dem Falle Nichtwähler aktivieren solle. Anhänger des Rechtspopulismus, fügt er hinzu, würden sich diese Methode schließlich auch zu Nutzen machen.

Der Interkultureller Dialog e.V. (ikult e.V.) ist ein politisch neutraler, religiös offener und gemeinnütziger Dialogverein mit Sitz in Köln. Ikult setzt sich für eine gemeinsame Kultur gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung in einem pluralistischen Köln, NRW und Deutsch­land ein. Ikult freut sich über interessierte Studenten, die bei Projekten mithelfen wollen.

Von Regina Klass

Beitrag erstellt am: 26.11.2018 um 10:22 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 13:43 Uhr