Riga – eine Stadt verzaubert

Platz mit markanten Gebäude
Das Schwarzhäupterhaus auf dem Rathausplatz. Foto: Pixabay

Die europäische Kulturhauptstadt 2014 unter der Lupe

Dass Riga die Hauptstadt Lettlands ist, wissen die Meisten. Andere geraten schon hier ins Schleudern: Lettland oder Litauen? Wo liegt das überhaupt? Die Antwort auf solche Fragen lautet nicht selten: „Irgendwo im Osten.“ Deshalb vorab ein paar Fakten: Die alte Hansestadt Riga ist mit ca. 700.000 Einwohnern die größte Stadt im Baltikum, zu dem Lettland, Estland und Litauen zählen. Dieses Gebiet liegt in Nordosteuropa an der Ostseeküste. Nachbarn sind Weißrussland und Russland, die Ostsee trennt es von Schweden und Finnland. Doch was wollen Reisende da, wenn kaum jemand die Gegend auf dem Schirm hat?

Fernab vom Massentourismus finden sich bekanntlich oft großartige Reiseziele und Riga ist eins davon! Überraschenderweise gibt es viele Spuren deutscher Geschichte zu entdecken, da sich seit der Christianisierung im 13. Jahrhundert durch den späteren Deutschen Orden verstärkt Deutsche hier ansiedelten. Ab 1621 gehörte Riga etwa 100 Jahre lang zum schwedischen Reich, danach zum Zarenreich, doch wei­terhin prägte die deutsche Ober­schicht die Stadt.

Im 1. Weltkrieg wurde Riga vom deutschen Heer erobert und im Jahr 1918 erstmals eine unabhängige Republik Lettland ausgerufen. 1940 ließ Stalin die Stadt besetzen und gliederte Lettland in die Sowjetunion ein. Viele Letten wurden ins Innere der Sowjetunion und in Gu­lags deportiert. Als 1941 deutsche Truppen in Riga einmarschierten, wurde dies zuerst als Befreiung wahrgenommen, doch löste bloß die eine Schreckensherrschaft die andere ab, denn nun wurden Juden verfolgt und in Konzentrationslager deportiert. Die Rote Armee eroberte die Stadt 1944 zurück und Lettland blieb Teil der Sowjetunion bis ins Jahr 1991. Reisende sollten sich dieser von Besatzung geprägten Geschichte bewusst sein, denn sie ist allgegenwärtig.

Heimelige Vielseitigkeit

Was auf den ersten Blick auffällt, ist die Ähnlichkeit zu norddeutschen Städten wie Bremen und Hamburg. Das mag an zahlreichen Gebäuden aus rotem Backstein liegen, die an die Mitgliedschaft in der Hanse erinnern. Der eindrucksvollste Beweis ist das Schwarzhäupterhaus auf dem Rathausplatz mit deutschen Fassadeninschriften. Ein paar Schritte weiter befindet sich das Okkupationsmuseum, auch „schwarzer Sarg“ genannt. Das Museum sollte ein Pflichtbesuch sein, ebenso die Museen zum KGB (Komitee für Staatssicherheit der Sowjetuni

on) und zum Holocaust. Auch vom Überfall der Schweden gibt es noch Überbleibsel wie das Schwedentor. Viele Orte erinnern an düstere Kapitel, doch Riga ist alles andere als eine düstere Stadt.

Den Kontrast bildet u.a. das Freiheitsdenkmal, auf das die Letten sehr stolz sind. „Typisch Lettisches“ darf natürlich auch nicht fehlen: Sei es die deftige Bauernküche, die sich durch Fleisch, Fisch, Sauerkraut, Getreide und Milchprodukte auszeichnet (Erbsen mit Speck sind Nationalgericht), traditionelle Getränke wie „Schwarzer Balsam“ (ein Kräuterlikör), der Bernsteinschmuck oder die Holzhäuser. Um schöne lettische Holzhäuser zu sehen, empfiehlt sich ein Ausflug in den Kurort Jūrmala an der Ostsee, denn hier gibt es viele solche Häuser und Villen sowie eine ehemalige Badeanstalt aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Außerdem lässt es sich in Jūrmala wunderbar am Meer entspannen und mit Glück finden sich bei einem Strandspaziergang sogar Bernsteine. Ein weiteres architektonisches Merkmal von Riga ist der Jugendstil. An die 800 Häuser in diesem Stil, der um die Jahrhundertwende Kunst in den Alltag integrieren sollte, gibt es zu bestaunen. Das Highlight ist zweifellos die Straße „Alberta iela“: Es reiht sich ein traumhaftes Haus mit unzähligen kunstvollen Details wie Löwen, Sphinxe, Fratzen, Drachen etc. an das andere.

Obwohl es viel Beeindruckendes zu sehen gibt, entsteht keine Hektik: In dieser Stadt geht es ruhig zu, außergewöhnliche Geschäfte mit baltischer Handwerkskunst laden zum Bummeln und viele heimelige Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Freunden mystischer Atmosphäre sei besonders das wunderbar alt eingerichtete Café „Black Magic“ ans Herz gelegt, in dessen hinterem Teil einst Alchemisten am Werk gewesen sein sollen. Lohnenswert sind außerdem die unscheinbar wirken­den kleinen Cafés an Straßenecken, die jedoch köstliches Gebäck und zauberhafte Törtchen verkaufen. Wer nicht allein reist, sollte außer­dem mit seiner Begleitung Rigaer Schokolade unter der Laima-Uhr genießen, denn sie ist seit fast 100 Jahren der beliebteste Treffpunkt. Bei gutem Wetter bietet sich zudem eine Bootsfahrt durch den Rigaer Kanal und über den Fluss Daugava an.

Geheimtipp in Osteuropa

Für einen entspannten Städtetrip mit viel Kultur ist Riga die richtige Wahl: Es ist keine überlaufene Me­tropole, sondern eine beschauliche und wunderschöne Stadt, die Erinnerungskultur und Traditionen aufrechterhält. Nicht grundlos war sie europäische Kulturhauptstadt 2014.

Trotz der bewegten Geschichte sind die Letten freundliche und aufge­schlossene Menschen und begegnen deutschen Touristen nicht mit Argwohn. Auch viele Russen und Ukrainer sind hier anzutreffen. Nach einem Tag voller Sightseeing und Entspannung laden die zahlreichen beschaulichen Kneipen dazu ein, den Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Im Sommer verwandelt sich der Livenplatz in einen großen Biergarten. Sightseeing und Entspannung – besser lässt sich ein Urlaub hier kaum zusammenfassen! Riga ist definitiv eine Reise wert und sicherlich eins der schönsten Ziele in Osteuropa. Und wenn dann auch noch Tallinn besucht wird, kann endlich bei der immerwährenden Diskussion, welche der beiden Städte die schönere ist, mitgeredet werden.

Von Stefanie Flam

Beitrag erstellt am: 10.09.2018 um 20:19 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 14:21 Uhr