Unverpackt!

Verschiedene Lebensmittel in Behältern
Über 200 Lebensmittel hat „Tante Olga“ im Sortiment. Foto: Laurence Boms

Es ist vielfältig, praktisch, leicht und eines der größten Umweltprobleme unserer Zeit: Plastik. Selbst wenn wir hier und da an Ressourcenschonung denken, Bio einkaufen und auf den Leinenbeutel umgestiegen sind, wir erzeugen eine enorme Menge an Müll. Wie Lebensmittel locker ohne Verpackung auskommen können, zeigt uns Kölns erster Unverpackt-Laden „Tante Olga“. Knapp ein Jahr nach der Eröffnung wollen wir wissen: Was steckt hinter dem müllfreien Einkauf? Wie kommt das Konzept bei der Kundschaft an und wo liegen Herausforderung oder möglicher Nachteil?

philtrat: Wie funktioniert der Unverpackt-Laden?

Olga Witt: Unser Konzept besteht darin, dass jeder seine eigene Verpackung mitbringt und diese eben auch immer wieder verwendet, um Einwegverpackungen einzusparen. Kunden können dafür nutzen, was sie möchten: ein Stoffsäckchen, Glas oder auch die alte Nudelpackung. Die wird dann gewogen, das Leergewicht notiert, mit den gewünschten Lebensmitteln aufgefüllt und an der Kasse wird das Leergewicht dann abgezogen.

Ihr konzentriert euch auf trockene Lebensmittel, wie kam es zu dieser Entscheidung?

Es sind tatsächlich die Produkte, die wir im Bio-Laden einfach nicht ohne Plastik bekommen. Obst und Gemüse gibt es auch lose, da ist der Bedarf nicht so groß. Unser Laden ist außerdem relativ klein, also wollten wir erst einmal diese Lücke schließen. Für die Entscheidung spricht außerdem, dass im freien Verkauf Unmengen an Obst und Gemüse weggeschmissen werden. Freiverkäuflich wollen wir Gemüse also auch ungern im Sortiment haben.

An Gemüse, Milch oder Brot komme ich bei euch trotzdem?

Wir arbeiten mit zwei solidarischen Landwirtschaften zusammen. Als Mitglied einer Gemeinschaft bezahlen wir monatlich einen Bauern dafür, dass er Gemüse anbaut. Un­abhängig von diesem Beitrag bekommen wir als Ausgabestelle wöchentlich eine Gemüse-Lieferung, die Mitglieder dann bei uns abholen können. So wird alles, was auf dem Feld gerade wächst, verteilt und verbraucht. Milch, Eier sowie Brot bekommen wir an bestimmten Wochentagen und verkaufen wir solange der Vorrat reicht – nur so garantieren wir, dass auch hier nichts weggeschmissen werden muss.

Stellen Hygiene oder Schutz beim ver­packungslosen Einkauf ein Problem dar?

Mit dem Veterinäramt haben wir von Anfang an alles abgesprochen und angeschaut, wo wir die Lebensmittel hineinfüllen oder wie beispielsweise der Spuckschutz aussieht. Das ist also komplett geregelt. Zusätzlich sind wir aber auch besonders sorgsam, was das Putzen angeht.

Wie werden die Produkte geliefert – unverpackt?

Hinten im Laden haben wir natürlich noch Verpackungen. Leider auch weitaus mehr, als wir gerne hätten. Wir sparen trotzdem einiges an Material ein, weil wir in Großgebinden einkaufen. Das bedeutet, dass das Verhältnis zu Inhalt und Packung besser ist. Was im Bio-Laden außerdem meist in Plastikverpackungen zu finden ist, bekommen wir zu großen Teilen in Papierverpackungen. Trotzdem gibt es da noch eine Menge zu tun. Wir arbeiten täglich an der Verbesserung, denn die Zulieferer verpacken bei weitem nicht so, wie wir es uns wünschen würden.

Denkst du, dass eine ressourcenscho­nende Lieferung ausbaubar ist?

Ja, wir streben dafür ein Mehrwegpfand-System an. Das wird jedoch noch einige Arbeit in Anspruch neh­men, weil wir als einzelner, kleiner Laden einfach nicht so viel Lobby haben. Das ist einer der Gründe, warum wir mit den anderen Unverpackt-Läden deutschlandweit eine Genossenschaft gegründet haben: um zusätzlich Druck auf die Zulie­ferer auszuüben, bessere Preise zu erhalten und gemeinsam Marketing zu machen. Alleine die Lieferung auf der Palette – sie ist entweder 20-lagig in Frischhaltefolie eingewickelt oder es kann eben eine Palette mit Spanngurten genutzt werden, die immer wieder verwendet werden.

Blick in einen kleinen Verkaufsladen

Wo bekommt ihr eure Nudeln her?

Nudeln ist tatsächlich ein gemeines Beispiel, denn da liegt noch große Arbeit vor uns. Wir bekommen sie in 5 kg Plastik-Säcken. Es gibt durch das bessere Verhältnis zwar eine Ersparnis, damit sind wir allerdings noch alles andere als zufrieden. Denn die großen Nudelhersteller mit ihren riesigen, teuren Verpackungs-Maschinen, steigen nicht einfach auf Papier um. Und das, obwohl die Nudel keine Plastikverpackung braucht. Das ist noch sehr unbefriedigend. Alternativ lassen wir uns auch von ein paar kleineren Nudel-Herstellern beliefern, die mit Papier verpacken. Sie sind flexibler, dementsprechend kosten diese Nu­deln aber auch mehr.

Wo stoßt ihr weiterhin an Grenzen?

Beim Thema Regionalität. Wir würden sehr gerne Sojamilch oder Tofu ins Sortiment aufnehmen – Klassiker, die immer so blöd verpackt sind. Das liegt aber vor allem daran, dass die Hersteller überregional ihre „Milch“ liefern. Wenn du vom anderen Ende Europas deine Sojamilch beziehst, macht es ökologisch auch nicht mehr viel Sinn, diese dann in Pfandflaschen zu packen. Da bräuchten wir wirklich regionale Hersteller, die Lust haben, Sojamilch und Tofu zu produzieren.

Geht es bei „Tante Olga“ um die Ein­sparung von Plastik?

Es geht um die Einsparung von Ressourcen und darum, die Ausbeutung unseres Planeten zu reduzieren. Plastik ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Viele Menschen glauben, es wäre besser, einfach auf die Papiertüte umzusteigen und dann wäre alles komplett in Ordnung. Aber so ist es eben nicht. Denn für Papier werden Bäume gefällt, es muss unter Einsatz von Chemikalien produziert und klimaschädlich transportiert werden.

Werde ich bei euch fündig, wenn ich Ressourcen im Non-Food-Bereich einsparen möchte?

„Tante Olga“ ist nicht nur ein Unverpackt-, sondern eigentlich ein Zero-Waste-Laden. Zu unseren Produkten, die für ein müllfreies Leben hilfreich sind, zählen unter anderem Zahnputztabletten, Rasierhobel oder Haarseifen. Kunden können sich bei uns ebenfalls mit Dosen aus Edelstahl, Flaschen oder Mehrweg-Kaffeebechern eindecken. Ansonsten kann der Kaffee gemütlich bei uns getrunken oder ein Schraubglas oder ähnliches als Pfandbecher genutzt werden. Hier erklären wir auch immer wieder gern, warum wir keinen Coffee-To- Go mit Einwegbechern anbieten und was zu den Alternativen zählt.

Kommt ihr mit der Kundschaft viel ins Gespräch?

Definitiv, es gehört zu unserer Arbeit, aufzuklären, zu informieren oder sich über ein müllfreies Leben gemeinsam auszutauschen. So können sich selbstverständlich auch Leute, die von dem Thema keine Ahnung haben, inspirieren lassen, was alles möglich ist. Wir sind vielleicht auch eine Art „Beratungsstelle“, das war mir von Beginn an sehr wichtig.

Wie reagieren die meisten Kunden und Kundinnen auf euer Konzept?

Wir haben immer wieder Personen da, für die das Konzept gänzlich neu ist. Die meisten beginnen aber nachzudenken und stellen ihre Gewohnheiten gerne um. Es ist schon toll die Begeisterung vieler Kunden mitzubekommen. Häufig bedanken sie sich sogar. Immer wieder hören wir: „Wie genial ist das denn? Danach habe ich ewig gesucht!“ Es sind Kunden jeden Alters dabei, so auch ältere Kundschaft, die uns erzählt: „Wie toll, das kenne ich noch von früher!“. Aber auch gerade junge Familien besuchen uns viel. Für mich ist es wirklich schön, zu erkennen, dass ein neuer Geist heranwächst, zu sehen, dass die neue Generation wirklich etwas Besseres für sich und auch für die Zukunft ihrer Kinder möchte.

Verkaufsartikel

Was ist euer Ziel?

Mein Ziel ist es, das gesamte Thema Müllvermeidung und damit Ressourcenschonung viel publiker zu machen. Das Problem wird oft nicht als solches erkannt und auch, dass das Recyclingsystem nur sehr schlecht funktioniert und nicht die Lösung ist, wissen viele nicht. Es ist ein Trugschluss zu glauben, alles sei gut, wenn wir Plastik in die gelbe Tonne schmeißen. Durch die immer komplexer werdenden Verbindungen von Verpackungsmaterialien zum Beispiel, wird ein sehr geringer Anteil überhaupt recycelt.

Warum ist Müllvermeidung heutzutage ein so wichtiges Thema?

Wir verbrennen quasi unsere Res­sourcen und die sind nun einmal endlich. Wir können so weiterma­chen wie bisher und irgendwann kollabiert alles oder wir überlegen uns frühzeitig – aus unserer jet­zigen luxuriösen Stellung heraus – welche Alternativen möglich sind. Wir möchten unsere Welt eigentlich noch ein bisschen länger erhalten wie sie ist, sie vielleicht sogar ver­bessern. Aus diesem Grund wollen wir diesen ganzen Ressourcenwahnsinn und das Leben unserer Gesellschaft auf Kosten anderer Menschen, Tiere und zukünftiger Generationen reduzieren.

Warum machen wir überhaupt so viel Müll?

Weil wir es uns „leisten“ können. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Kraft eines Landes und dessen Müllaufkommen. Je besser es uns geht, desto mehr Müll machen wir. Denn je mehr Konsumgüter wir uns kaufen können, umso mehr tun wir es auch. Es fehlt auch der politische Wille. Unsere ganze Gesellschaft ist auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet. Und solange es das Maß aller Dinge ist, ist es schwierig, dass sich da mal grundlegend etwas ändert.

Immer wieder werden solch wichtige Angelegenheiten als bloße „Gut- Mensch-Themen“ abgestempelt. Wie stehst du dazu?

Ich habe bis heute nicht verstan­den, was das Problem an guten Menschen ist. Klar ist, viele leben Zero Waste aus einem ähnlichen Gesichtspunkt wie wir. Es ist aber auch sehr interessant für Menschen, die ansonsten keinen be­sonderen Bezug zur Umwelt haben, weil es viele weitere Vorteile hat. Wenn du „Zero-Waste“ lebst, lebst du zum Beispiel bedeutend günsti­ger. Es ist wirklich wenig Geld, das ich heute noch zum Leben brauche. Seitdem ich Zero-Waste lebe, kann ich es mir leisten nur noch Bio-Lebensmittel einzukaufen, ausnahms­los. All die Einwegprodukte, wie Servietten, Rasierer oder Tampons müssen wir ständig neu kaufen. Wer sie nicht nutzt, spart sich das Geld. Wer der Werbung folgt und ständig neue Konsumgüter kauft, wie Kleidung und Elektronik, muss ständig Geld verdienen um diese zu bezahlen. Wenn wir nicht ständig neu, sondern gebraucht kaufen, Sachen reparieren oder tauschen, dann reduzieren wir unsere Lebenshaltungskosten stark. Wer sich frei macht, vom Zwang des Konsums und Besitzes, der lebt auf kleinerem Fuß und hat die Freiheit, weniger zu Arbeiten. Das bedeutet letztlich auch mehr Zeit, den wahren Luxus, den heutzutage kaum noch jemand hat.

Für die meisten ist das Thema stärker im Bewusstsein als noch vor ein paar Jahren. Würdest du es dennoch eher als Trend bezeichnen? Wie ehrlich stehen die meisten Leute hinter diesem Konzept?

Ich selber habe da kein Zurück mehr. Es ist auf jeden Fall auch ein Trend, aber keine Mode, die plötzlich wieder aufhört. Es ist einfach ein Aufwachen. Wir erwachen wieder zu bewussteren Konsumenten und ich glaube nicht, dass wir uns das noch einmal nehmen lassen.

Es nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch bei euch einzukaufen, warum sollte mich das nicht abschrecken?

Etwas von unserer Gemütlichkeit hinzugeben, ist gar nicht so schwer. Es ist die Frage, was wir wollen: Wollen wir einen maximal gemütlichen Alltag und möglichst lange fernsehen, aber ständig den Müll herunterbringen? Oder wollen wir einfach unsere Umwelt ein Stück weit erhalten und uns gerechter verhalten? Mir persönlich ist es das wert. Vielleicht müssen wir uns einfach ein bisschen umstellen: den Einkaufsprozess auch als Lebensqualität sehen, beispielsweise mehr Zeit und Wertschätzung in die Zubereitung von Nahrungsmitteln setzen. Unsere Kunden empfinden dieses Einkaufen auch nicht als mehr Arbeit. Sie verbringen gerne Zeit hier – oft auch länger als sie müssen.

Tipp: Mittwochs 20% für Studenten!
● Mehr zum Thema erfahrt ihr auf Olgas Blog: zerowastelifestyle.de oder in ihrem Buch: Witt, Olga: Ein Leben ohne Müll – Mein Weg mit Zero Waste, Tectum Verlag, Marburg, 2017.
● Außerdem: Die solidarische Landwirtschaft freut sich immer über neue Mitglieder: solawikoeln. wordpress.com
● Adr.: Berrenrather Str. 406 (Sülz)

Von Laurence Boms

Beitrag erstellt am: 06.07.2018 um 14:06 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 14:45 Uhr