Olga Witt: Unser Konzept besteht darin, dass jeder seine eigene Verpackung mitbringt und diese eben auch immer wieder verwendet, um Einwegverpackungen einzusparen. Kunden können dafür nutzen, was sie möchten: ein Stoffsäckchen, Glas oder auch die alte Nudelpackung. Die wird dann gewogen, das Leergewicht notiert, mit den gewünschten Lebensmitteln aufgefüllt und an der Kasse wird das Leergewicht dann abgezogen.
Es sind tatsächlich die Produkte, die wir im Bio-Laden einfach nicht ohne Plastik bekommen. Obst und Gemüse gibt es auch lose, da ist der Bedarf nicht so groß. Unser Laden ist außerdem relativ klein, also wollten wir erst einmal diese Lücke schließen. Für die Entscheidung spricht außerdem, dass im freien Verkauf Unmengen an Obst und Gemüse weggeschmissen werden. Freiverkäuflich wollen wir Gemüse also auch ungern im Sortiment haben.
Wir arbeiten mit zwei solidarischen Landwirtschaften zusammen. Als Mitglied einer Gemeinschaft bezahlen wir monatlich einen Bauern dafür, dass er Gemüse anbaut. Unabhängig von diesem Beitrag bekommen wir als Ausgabestelle wöchentlich eine Gemüse-Lieferung, die Mitglieder dann bei uns abholen können. So wird alles, was auf dem Feld gerade wächst, verteilt und verbraucht. Milch, Eier sowie Brot bekommen wir an bestimmten Wochentagen und verkaufen wir solange der Vorrat reicht – nur so garantieren wir, dass auch hier nichts weggeschmissen werden muss.
Mit dem Veterinäramt haben wir von Anfang an alles abgesprochen und angeschaut, wo wir die Lebensmittel hineinfüllen oder wie beispielsweise der Spuckschutz aussieht. Das ist also komplett geregelt. Zusätzlich sind wir aber auch besonders sorgsam, was das Putzen angeht.
Hinten im Laden haben wir natürlich noch Verpackungen. Leider auch weitaus mehr, als wir gerne hätten. Wir sparen trotzdem einiges an Material ein, weil wir in Großgebinden einkaufen. Das bedeutet, dass das Verhältnis zu Inhalt und Packung besser ist. Was im Bio-Laden außerdem meist in Plastikverpackungen zu finden ist, bekommen wir zu großen Teilen in Papierverpackungen. Trotzdem gibt es da noch eine Menge zu tun. Wir arbeiten täglich an der Verbesserung, denn die Zulieferer verpacken bei weitem nicht so, wie wir es uns wünschen würden.
Ja, wir streben dafür ein Mehrwegpfand-System an. Das wird jedoch noch einige Arbeit in Anspruch nehmen, weil wir als einzelner, kleiner Laden einfach nicht so viel Lobby haben. Das ist einer der Gründe, warum wir mit den anderen Unverpackt-Läden deutschlandweit eine Genossenschaft gegründet haben: um zusätzlich Druck auf die Zulieferer auszuüben, bessere Preise zu erhalten und gemeinsam Marketing zu machen. Alleine die Lieferung auf der Palette – sie ist entweder 20-lagig in Frischhaltefolie eingewickelt oder es kann eben eine Palette mit Spanngurten genutzt werden, die immer wieder verwendet werden.
Nudeln ist tatsächlich ein gemeines Beispiel, denn da liegt noch große Arbeit vor uns. Wir bekommen sie in 5 kg Plastik-Säcken. Es gibt durch das bessere Verhältnis zwar eine Ersparnis, damit sind wir allerdings noch alles andere als zufrieden. Denn die großen Nudelhersteller mit ihren riesigen, teuren Verpackungs-Maschinen, steigen nicht einfach auf Papier um. Und das, obwohl die Nudel keine Plastikverpackung braucht. Das ist noch sehr unbefriedigend. Alternativ lassen wir uns auch von ein paar kleineren Nudel-Herstellern beliefern, die mit Papier verpacken. Sie sind flexibler, dementsprechend kosten diese Nudeln aber auch mehr.
Beim Thema Regionalität. Wir würden sehr gerne Sojamilch oder Tofu ins Sortiment aufnehmen – Klassiker, die immer so blöd verpackt sind. Das liegt aber vor allem daran, dass die Hersteller überregional ihre „Milch“ liefern. Wenn du vom anderen Ende Europas deine Sojamilch beziehst, macht es ökologisch auch nicht mehr viel Sinn, diese dann in Pfandflaschen zu packen. Da bräuchten wir wirklich regionale Hersteller, die Lust haben, Sojamilch und Tofu zu produzieren.
Es geht um die Einsparung von Ressourcen und darum, die Ausbeutung unseres Planeten zu reduzieren. Plastik ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Viele Menschen glauben, es wäre besser, einfach auf die Papiertüte umzusteigen und dann wäre alles komplett in Ordnung. Aber so ist es eben nicht. Denn für Papier werden Bäume gefällt, es muss unter Einsatz von Chemikalien produziert und klimaschädlich transportiert werden.
„Tante Olga“ ist nicht nur ein Unverpackt-, sondern eigentlich ein Zero-Waste-Laden. Zu unseren Produkten, die für ein müllfreies Leben hilfreich sind, zählen unter anderem Zahnputztabletten, Rasierhobel oder Haarseifen. Kunden können sich bei uns ebenfalls mit Dosen aus Edelstahl, Flaschen oder Mehrweg-Kaffeebechern eindecken. Ansonsten kann der Kaffee gemütlich bei uns getrunken oder ein Schraubglas oder ähnliches als Pfandbecher genutzt werden. Hier erklären wir auch immer wieder gern, warum wir keinen Coffee-To- Go mit Einwegbechern anbieten und was zu den Alternativen zählt.
Definitiv, es gehört zu unserer Arbeit, aufzuklären, zu informieren oder sich über ein müllfreies Leben gemeinsam auszutauschen. So können sich selbstverständlich auch Leute, die von dem Thema keine Ahnung haben, inspirieren lassen, was alles möglich ist. Wir sind vielleicht auch eine Art „Beratungsstelle“, das war mir von Beginn an sehr wichtig.
Wir haben immer wieder Personen da, für die das Konzept gänzlich neu ist. Die meisten beginnen aber nachzudenken und stellen ihre Gewohnheiten gerne um. Es ist schon toll die Begeisterung vieler Kunden mitzubekommen. Häufig bedanken sie sich sogar. Immer wieder hören wir: „Wie genial ist das denn? Danach habe ich ewig gesucht!“ Es sind Kunden jeden Alters dabei, so auch ältere Kundschaft, die uns erzählt: „Wie toll, das kenne ich noch von früher!“. Aber auch gerade junge Familien besuchen uns viel. Für mich ist es wirklich schön, zu erkennen, dass ein neuer Geist heranwächst, zu sehen, dass die neue Generation wirklich etwas Besseres für sich und auch für die Zukunft ihrer Kinder möchte.
Mein Ziel ist es, das gesamte Thema Müllvermeidung und damit Ressourcenschonung viel publiker zu machen. Das Problem wird oft nicht als solches erkannt und auch, dass das Recyclingsystem nur sehr schlecht funktioniert und nicht die Lösung ist, wissen viele nicht. Es ist ein Trugschluss zu glauben, alles sei gut, wenn wir Plastik in die gelbe Tonne schmeißen. Durch die immer komplexer werdenden Verbindungen von Verpackungsmaterialien zum Beispiel, wird ein sehr geringer Anteil überhaupt recycelt.
Wir verbrennen quasi unsere Ressourcen und die sind nun einmal endlich. Wir können so weitermachen wie bisher und irgendwann kollabiert alles oder wir überlegen uns frühzeitig – aus unserer jetzigen luxuriösen Stellung heraus – welche Alternativen möglich sind. Wir möchten unsere Welt eigentlich noch ein bisschen länger erhalten wie sie ist, sie vielleicht sogar verbessern. Aus diesem Grund wollen wir diesen ganzen Ressourcenwahnsinn und das Leben unserer Gesellschaft auf Kosten anderer Menschen, Tiere und zukünftiger Generationen reduzieren.
Weil wir es uns „leisten“ können. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Kraft eines Landes und dessen Müllaufkommen. Je besser es uns geht, desto mehr Müll machen wir. Denn je mehr Konsumgüter wir uns kaufen können, umso mehr tun wir es auch. Es fehlt auch der politische Wille. Unsere ganze Gesellschaft ist auf Wirtschaftswachstum ausgerichtet. Und solange es das Maß aller Dinge ist, ist es schwierig, dass sich da mal grundlegend etwas ändert.
Ich habe bis heute nicht verstanden, was das Problem an guten Menschen ist. Klar ist, viele leben Zero Waste aus einem ähnlichen Gesichtspunkt wie wir. Es ist aber auch sehr interessant für Menschen, die ansonsten keinen besonderen Bezug zur Umwelt haben, weil es viele weitere Vorteile hat. Wenn du „Zero-Waste“ lebst, lebst du zum Beispiel bedeutend günstiger. Es ist wirklich wenig Geld, das ich heute noch zum Leben brauche. Seitdem ich Zero-Waste lebe, kann ich es mir leisten nur noch Bio-Lebensmittel einzukaufen, ausnahmslos. All die Einwegprodukte, wie Servietten, Rasierer oder Tampons müssen wir ständig neu kaufen. Wer sie nicht nutzt, spart sich das Geld. Wer der Werbung folgt und ständig neue Konsumgüter kauft, wie Kleidung und Elektronik, muss ständig Geld verdienen um diese zu bezahlen. Wenn wir nicht ständig neu, sondern gebraucht kaufen, Sachen reparieren oder tauschen, dann reduzieren wir unsere Lebenshaltungskosten stark. Wer sich frei macht, vom Zwang des Konsums und Besitzes, der lebt auf kleinerem Fuß und hat die Freiheit, weniger zu Arbeiten. Das bedeutet letztlich auch mehr Zeit, den wahren Luxus, den heutzutage kaum noch jemand hat.
Ich selber habe da kein Zurück mehr. Es ist auf jeden Fall auch ein Trend, aber keine Mode, die plötzlich wieder aufhört. Es ist einfach ein Aufwachen. Wir erwachen wieder zu bewussteren Konsumenten und ich glaube nicht, dass wir uns das noch einmal nehmen lassen.
Etwas von unserer Gemütlichkeit hinzugeben, ist gar nicht so schwer. Es ist die Frage, was wir wollen: Wollen wir einen maximal gemütlichen Alltag und möglichst lange fernsehen, aber ständig den Müll herunterbringen? Oder wollen wir einfach unsere Umwelt ein Stück weit erhalten und uns gerechter verhalten? Mir persönlich ist es das wert. Vielleicht müssen wir uns einfach ein bisschen umstellen: den Einkaufsprozess auch als Lebensqualität sehen, beispielsweise mehr Zeit und Wertschätzung in die Zubereitung von Nahrungsmitteln setzen. Unsere Kunden empfinden dieses Einkaufen auch nicht als mehr Arbeit. Sie verbringen gerne Zeit hier – oft auch länger als sie müssen.
Tipp: Mittwochs 20% für Studenten!
● Mehr zum Thema erfahrt ihr auf Olgas Blog: zerowastelifestyle.de oder in ihrem Buch: Witt, Olga: Ein Leben ohne Müll – Mein Weg mit Zero Waste, Tectum Verlag, Marburg, 2017.
● Außerdem: Die solidarische Landwirtschaft freut sich immer über neue Mitglieder: solawikoeln. wordpress.com
● Adr.: Berrenrather Str. 406 (Sülz)
Von Laurence Boms
Beitrag erstellt am: 06.07.2018 um 14:06 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 14:45 Uhr