Jahrelang plante Simon seine Fahrradreise. In Würzburg, wo er studierte, wollte er sie beginnen und in Südostasien beenden. Er wollte weder Flugzeug, noch Auto oder Zug benutzen. Sein Ziel war es ökologisch bewusst zu reisen und auf dem Weg Nachhaltigkeitsprojekte zu entdecken. Über diese berichtet er auf seinem Blog, welchen er ecovelo genannt hat. Durchschnittlich fährt er mit seinem Tourenrad 70 km pro Tag und ist mittlerweile in China angekommen. Er hat hilfsbereite Menschen, aber auch unfreundliches Grenzpersonal getroffen, interessante Projekte kennen gelernt und einige Unfälle überstanden.
Anfang März 2016 ging es los. Ohne besonderes Training, aber mit einem detaillierten Wissen über die Technik von Fahrrädern. Simons erster Stopp brachte ihn zunächst ins benachbarte Bamberg. Durch Schnee, Regen und Kälte radelte er von dort in die Tschechische Republik, nach Österreich und Kroatien, wo er an der Küste endlich die ersten warmen Tage erlebte. Im Hinterland Kroatiens verbrachte er einige Tage im sogenannten Etno-Eko Dorf in Radosic. Zwei Bewohner des Dorfes haben es sich zur Aufgabe gemacht, eine Touristenattraktion zu schaffen, die die Natur und Kultur der Gegend bewahrt – im Gegensatz zu den riesigen Hotelanlagen der Küste. Eine Taverne, ein Restaurant, das nur lokale und organische Produkte anbietet, ein ethnologisches Museum und Unterkünfte vervollständigen das Öko-Dorf.
Von Kroatien ging es über weitere Balkanstaaten nach Griechenland und in die Türkei. Fünf Wochen verbrachte er in dem Land, das ihn sehr gastfreundlich aufgenommen hat. Nur zwei Nächte musste er für eine Unterkunft zahlen, sonst wurde Simon immer in die Häuser der türkischen BewohnerInnen eingeladen. Und zu jeder Menge çay, türkischem Tee. In Istanbul verbrachte er einige Tage mit dem Universitäts-Fahrrad-Club und konnte zu seinem Erstaunen die Bosporus-Brücke überqueren, die den europäischen mit dem asiatischen Kontinent verbindet. Eigentlich ist die Brücke für FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen nicht zugänglich und wurde als Ausnahme für eine registrierte Überquerung für FahrradfahrerInnen geöffnet. In Ankara besuchte Simon das Nachhaltigkeitsprojekt eines Gemeinschaftsgartens, in dem Gemüse, Obst und Gewürze angepflanzt werden. Die Betreiber integrieren die Nachbarn des Gartens in ihr Projekt und unterrichten Kinder über Nachhaltigkeit.
Gegen Ende seiner Zeit in der Türkei bekam der Weltentdecker Schwierigkeiten mit den Visa für Iran, Uzbekistan und Turkmenistan. Nach etlichen Stunden Wartezeit und auszufüllenden Formularen sowie Einheimischen, die als Dolmetscher einspringen mussten, waren alle Visa beisammen. Simon radelte durch Georgien und Armenien, wo er zu etlichen Wodka-Shots eingeladen wurde, und erreichte den Iran. Dort wurde die Gastfreundschaft der vorher besuchten Länder noch gesteigert. IranerInnen, die Simon trafen, gaben ihm Essen, auch wenn dieser dankend ablehnte. Denn im Iran gleicht ein „Nein“ einem höflichen „Ja“. Durch Teheran, die heiße Halbwüste und über Bergpässe erreichte er schließlich Turkmenistan, nachdem mehrere Grenzübergänge geschlossen waren. Nur vier Tage hatte er, um das Land mit seinem Transit-Visum zu durchqueren. Um das zeitlich zu schaffen, musste er zeitweise per Anhalter fahren. Auch der Grenzübergang zu Uzbekistan gestaltete sich mit sehr gründlichen Kontrollen und einem eher schwachen Versuch, Simon um Geld zu erpressen, schwierig.
Für Simon war es höchste Priorität die Welt-Nomaden-Spiele in Kirgistan zu erreichen. Viele nomadische Sportarten werden dort Zuschauern aus aller Welt demonstriert. So wie das Ziege-Greifen-Spiel, bei dem die Spieler von ihren Pferden auf dem Boden liegende tote Ziegen aufgreifen müssen, Ringen oder Bogenschießen. Begeistert war Simon auch von dem Alaigebirge, das er schon jahrelang bereisen wollte. Die Bergkette erstreckt sich über mehrere Länder und der Radfahrer musste viele Serpentinen auf sich nehmen, um den kirgisischen Teil zu überqueren. Die Aussichten und in goldenes Licht getauchte Bergspitzen waren die Mühe aber wert: „Es fühlt sich an, als wäre ein Traum in Erfüllung gegangen.“ Eine Nomadenfamilie lud ihn ein, eine Nacht in einem Zelt neben ihrer Jurte zu verbringen, und zeigte ihm ihre Art, im Einklang mit der Natur zu leben. Schließlich brach Simon zur chinesischen Grenze auf, wo seine Geduld erneut aufs Äußerste strapaziert wurde.
Kulturreichtum China
Um der eintönigen Landschaft der zweitgrößten Sandwüste der Welt, Taklamakan, zu entgehen und um nicht zu viel Zeit zu verlieren, nahm Simon eine 27-stündige Zugfahrt zur Stadt Jiayuquan in Kauf. Von dort radelte er durch Mais- und Cannabis-Felder und traf bald auf ein buddhistisches China. Gebetsfahnen wehten im Wind, während er durch die Bergpässe fuhr. Durch muslimische Dörfer hindurch erreichte er die Millionenstadt Xining, in der Han-Chinesen, die größte Nationalitätengruppe Chinas, Muslime und Tibeter miteinander leben. Südlich von Xining traf Simon auf die tibetische Kultur, obwohl er sich offiziell nicht in Tibet befand — die chinesische Regierung erkennt diesen Teil Chinas nicht als Tibet an. In einem buddhistischen Tempel erlebte er hautnah die meditativen Praktiken von tibetischen Pilgern, was Simon sehr faszinierte. Dass viele Chinesen sehr gefährlich Auto fahren, erfuhr er, als ihn ein Autofahrer von der Seite beim Überholen von der Straße schleuderte — glücklicherweise ohne schwerwiegende Verletzungen.
Warum trat Simon so eine strapazierende und ungewöhnliche Reise an? Um zu zeigen, dass man den europäischen und asiatischen Kontinent allein mit einem Fahrrad bereisen kann. Weil er umweltbewusst reisen will. Weil es auf dem Fahrrad so viel einfacher ist Einheimische kennenzulernen und sich die Landschaften vor seinen Augen langsam ändern. Aber vor allem wegen der Intensität der Gefühle. Von Verzweiflung und Wut zu Hochgefühlen und Glück. Die Ungewissheit, was der nächste Tag bringt. So beschreibt der Fahrradbegeisterte die Beweggründe für seine abenteuerliche Reise. Noch ein paar Monate wird er durch Asien radeln, Erfahrungen sammeln und auf seinem Blog seine Geschichten erzählen. So können wir Daheimgebliebenen an seinem Abenteuer teilhaben, in fremde Länder eintauchen und uns in atemberaubenden Fotografien verlieren.
Simon Hillenbrand nutzt seine Reise, um Aufmerksamkeit auf die Hilfsorganisation Rain Tree Foundation zu lenken, die sich für Bedürftige in Thailand einsetzt. In Chiang Mai in Thailand angekommen, wird er sich selbst ein Bild darüber machen, wie die Spenden vor Ort eingesetzt werden. Mittlerweile ist Simon nach Vietnam weitergereist.
Mehr Infos über die Organisation und Simons Reise findet ihr unter www.ecovelo.eu
Von Vera Kleinken
Beitrag erstellt am: 01.12.2017 um 18:32 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 22:07 Uhr