„Mir fehlt das Vokabular für das, was ich gesehen habe“, sagt unser Kommilitone Niklas und schaut in die Weiten des Hluhluwe-Nationalparks. Bereits während unserer zweiwöchigen Exkursion in Südafrika, die wir in Kooperation mit Misereor durchführten, wird uns klar, dass das Erlebte sowie die Emotionen hierzu weder transportierbar noch in Worte zu fassen sind. Dies ist ein Versuch, trotzdem einen Eindruck von den Erlebnissen zu vermitteln.
Pretoria und Johannesburg waren die ersten Stationen unserer Exkursion. Schon in Downtown Pretoria mussten wir feststellen, dass die Rassentrennung aus der Zeit der Apartheid gesetzlich zwar nicht mehr Bestand hat, gesellschaftlich hingegen weiterhin präsent ist. Das Apartheid-Museum in Johannesburg führte uns die Ausmaße der Methoden des damaligen Regimes vor Augen. Nicht zuletzt die nachgestellten Exekutionsräume und die Ausstellung zum Leben Nelson Mandelas bleiben uns in Erinnerung. 1994 zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes gewählt, setzte er anstelle von Verfolgung und Verurteilung der Täter auf Versöhnung und Vergebung. Dies, so seine feste Überzeugung, sei die Basis einer Demokratie und eines friedlichen Miteinanders.
Einen weiteren wichtigen Bestandteil unseres Programms stellte das Bildungssystem mit daran angeknüpften Schulbesuchen dar, unter anderem in Soweto. So überwältigt wir von der Herzlichkeit der LehrerInnen sowie ihren Lernenden waren, umso verwunderter waren wir angesichts der Unterrichtsmethoden, die größtenteils aus dem Wiederholen des von der Lehrperson Gesagten bestehen. Die Möglichkeit zur Reflexion über Unterrichtsmethoden hatten wir während des Anschlusstermins beim Catholic Institute of Education. Von den dortigen Experten erfuhren wir, dass es an südafrikanischen Schulen heutzutage noch unmöglich ist, dass eine schwarze Lehrperson vor eine weiße Klasse tritt und umgekehrt. Ein weiteres Problem stellen die im Verhältnis zum durchschnittlichen Einkommen der Bevölkerung hohen Schulgebühren dar. „The only chance these children have for a better life is education. Because education is the most powerful weapon“, erklärte uns eine der Lehrerinnen.
Im Zusammenhang mit sozialer Fragmentierung trafen wir an einem der Anschlusstage zwei Non-Government-Organisations (Community Organisation Resource Centre und Inner City Ressource Center). Sie führten uns den Kontrast zwischen wohlhabender Bevölkerungsschicht in Gated Communities und Behelfswohnungen der Ärmsten der Armen vor Augen. Letztere wohnen unter anderem in sogenannten Bad Buildings in direkter Nähe zu Shopping-Malls und niemand scheint sich für sie verantwortlich zu fühlen, am wenigsten die Regierung. Überwiegend verfügen sie weder über regelmäßige Stromversorgung noch über fließendes Wasser. In einem Haus teilen sich mehr als 300 Personen einen Wasserhahn. Die meisten von ihnen leben mit mehreren Personen in sehr kleinen, teils fensterlosen Räumen und an Privatsphäre ist nicht zu denken. Diese Unterbringungen werden von der Regierung als Provisorien dargestellt. Auf die versprochene Verlegung in andere Unterkünfte warten die Menschen hingegen seit mehreren Jahren vergeblich. Des Weiteren besuchten wir informelle Siedlungen und Townships in verschiedenen Teilen Johannesburgs. Eins von der Regierung errichtet, ein anderes von ihren Bewohnerinnen und Bewohnern notdürftig aus verschiedenen Materialien zusammengeschustert. Während in den meisten Landesteilen Südafrikas der Regen ein Segen ist, ist er für jene Menschen eine regelrechte Bedrohung, da so ihre Wohnräume weggespült werden. Unser Begleiter Martin Gottsacker von Misereor fasste diesen Tag passend mit den eindringlichen Worten zusammen: „Der Unterschied zwischen Armut und Elend ist, wenn Kinder nicht mehr lachen.“
In Gedanken bei diesen Menschen brachen wir Richtung eMalahleni, der Kohlregion, auf, über die eine Misereor-Studie entstanden ist. Dort stand am ersten Tag die Besichtigung einer Wasseraufbereitungsanlage des Kohleminenbetreibers Anglo American auf der Agenda. Interessanter als die Besichtigung der Anlage war die anschließende Diskussion über die Verantwortung solcher Unternehmen gegenüber dem Naturraum und der lokalen Bevölkerung. Anglo American, einer der größten weltweit agierenden Bergbaukonzerne, sehe sich diesbezüglich eher als Vorreiter und kümmere sich um die Menschen, so das Statement der Firma auf kritische Fragen der Studierenden. Diese Meinung teilt Umweltaktivist Matthews Hlabane jedoch nicht: Neben den von Anglo American verlassenen Minen zeigte uns Matthews sogenannte Sinkholes und Flözbrände, von denen eine massive Gefahr für die lokale Bevölkerung ausgeht. So lernten wir beispielsweise einen Mann kennen, der in einer der informellen Siedlungen in Nähe der Minen wohnt. Er leidet, wie viele andere Menschen in der Nähe aktiver Minen, durch die Luftverschmutzung an einer unheilbaren Lungenerkrankung. So wie ihm ist seitens der Kohleminenbetreiber hier vielen Menschen ein Job versprochen worden. Ein Grund, weshalb sie in die unmittelbare Nähe der Minen ziehen. Matthews erklärte uns zudem das korrupte und menschenverachtende System der Firmen: Jährlich wechselt der Betreiber, die Belegschaft wird entlassen und fällt bei einem erneuten Gesundheitstest durch. Dieses „System“ kennt keine Ausgleichszahlungen für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
In einer der periphersten Regionen Südafrikas, Msinga, trafen wir Rauri Alcock und bekamen einen Einblick in ein weiteres von Misereor gefördertes Projekt. Rauri und seine Mitarbeiterinnen schulen und klären die Menschen in Bezug auf den Mehrwert der Ziegenhaltung auf. Nach dem abendlichen traditionellen Braii (Grillen) übernachteten wir in Rundhütten auf Kleinstfarmen, wo wir uns mit den ausschließlich Zulu sprechenden Bewohnern nur durch Gesten verständigen konnten. Ein schöner und unvergesslicher interkultureller Austausch, der einen besonders nachhaltigen Eindruck auf alle ExkursionsteilnehmerInnen hatte. Die Eindrücke von der südafrikanischen Gesellschaft, die wir in der ersten Woche gewannen, verfestigten sich in der zweiten. Dass Rauri weiß ist und sich um die schwarze Landbevölkerung kümmert, war (zumindest auf unsere Reise bezogen) eine große Ausnahme. In einer der Schulen begrüßte uns einer der Schüler mit den Worten: „Welcome to South Africa, welcome to the rainbow nation“. Hoffentlich wird dieser Satz in zukünftigen Generationen der Realität entsprechen.
Im September 2016 reisten 20 Studierende des Geographischen Instituts zusammen mit ihrer Dozentin Dr. Dorothea Wiktorin und Misereor-Mitarbeiter Martin Gottsacker nach Südafrika. Auf ihrer Exkursion von Johannesburg/Pretoria über eMalahleni, Hluhluwe, Msinga nach Durban beschäftigten sie sich unter anderem mit Segregations- und Polarisationsprozessen in Megastädten des Globalen Südens, den Folgen des Kohleabbaus sowie kleinbäuerlicher Landwirtschaft in Zeiten der Dürre. Weitere Impressionen finden sich in ihrem Blog (http://cologne-goes-southafrica.blogspot.de).
Ein Gastbeitrag von Lene Bürk, Jan Rossdeutscher, Nico Tilmes und Lars Röding (i.V. für alle ExkursionteilnehmerInnen)
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Beitrag erstellt am: 15.11.2017 um 19:20 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 22:48 Uhr