Ein Land erwacht

See mit Wald im Hintergrund
Der beeindruckende Pagodenwald von Kakku. Fotos: Katja Trinkwalder

Mingalaba — So begrüßen die Bewohner Myanmars ihre Gäste.

Die Zeit für eine Reise nach Myanmar ist jetzt gekommen. Viele wissen vermutlich noch wenig über das Land, das sich erst 2012 für den Tourismus öffnete. Der Vielvölkerstaat durchlebt momentan einen großen Wandel. Nach dem Ende einer der längsten Militärdiktaturen der Welt genießt die Bevölkerung nun ihre neu gewonnenen Freiheiten, was deutlich an der Stimmung zu spüren ist. Investoren fluten das Land und an jeder Ecke werden neue Gebäude errichtet. Der Tourismus nimmt signifikant zu und die Lebensqualität der Einwohner steigt, wenn auch langsam. Während in Europa die Printmedien einen starken Rücklauf verzeichnen, werden in Myanmar seit dem Ende der Zensur ständig neue Zeitungen gegründet. Trotz allem gehört Myanmar zu den traditionsreichsten Ländern Asiens, gerade weil es über so lange Zeit von der Außenwelt abgeschlossen war.

Yangon — Kulinarische Vielfalt

Yangon, früher bekannt als Rangun, ist die ehemalige Hauptstadt des Landes. Mit fast sechs Millionen Einwohnern ist sie die größte Stadt Myanmars und erinnert durch die vielen Gebäude im Kolonialstil an die Zeit der britischen Besatzung. Downtown gibt es zahlreiche Märkte, kleine Geschäfte und Straßenrestaurants mit verschiedenen traditionellen Gerichten wie Shan Noodles oder Curry. Zudem zentriert sich hier die Kunstszene: Kleine Galerien ermöglichen einen anderen Blickwinkel auf die Menschen und die Kultur des Landes. Auch die Teestuben sollte man sich nicht entgehen lassen. Der Schwarz- und Grüntee, welcher regional angebaut wird, könnte auch als Nationalgetränk bezeichnet werden. Er wird in beinahe jedem Restaurant kostenfrei zum Essen dazu gereicht. In den Teestuben sitzt man auf kleinen Plastikstühlen quasi mitten auf der Straße und trinkt den Tee mit viel Milch und Zucker. Die Einheimischen rauchen dazu oder kauen Betelnuss, ein Aufputschmittel, das angeblich eine ähnliche Wirkung wie Kokain haben soll und überall auf der Straße in kleinen Pflanzenblättern verkauft wird. Ein beunruhigender Gedanke, in Anbetracht der Tatsache, dass selbst Busfahrer diese unterwegs genießen. Die Konsumenten kann man ohne Probleme an ihren roten und sehr schlechten Zähnen erkennen, die stark unter dieser Angewohnheit leiden.

Unterwegs… auf vier Rädern

Busse stellen für Touristen neben Flugzeugen das Hauptverkehrsmittel dar. Zugverbindungen und Autobahnen sind rar. Je nach Wetter, Verkehr, Zustand des Busses, Region und Straßenverhältnissen kann eine Strecke von 200km schon mal mehr als sechs Stunden dauern. Es empfiehlt sich mit Nachtbussen zu reisen und auf diese Weise Geld und Zeit zu sparen.

Entspannung in atemberaubender Kulisse

Der Inle-See liegt mitten im Land und beherbergt zahlreiche Familien, die ihre Häuser auf Stelzen ins Wasser bauen und sich mit kleinen Teakholz-Schiffen fortbewegen. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie mit dem Verkauf verschiedener Waren wie Lotusseide und Silberschmuck oder mit der Arbeit in den schwimmenden Gärten. Die Beete sind auf Bambusholz angelegt und schwimmen auf dem Wasser. Es werden hauptsächlich grüne Tomaten angebaut, die einen großen Teil des Gesamtbedarfs von Myanmar decken. Grüner Tomatensalat ist nicht nur in der Region vom Inle-See ein weit verbreitetes Gericht, er wird in Lokalen im ganzen Land angeboten.

Am See kann für einen Tag ein kleines Boot gemietet werden. Reiseführer, die die beeindruckende Landschaft besonders gut kennen, zeigen Touristen die schönsten Orte, Aussichten und Klöster. Der von Bergen umgebene See lädt zudem zu Fahrradtouren ein und man sollte sich auf keinen Fall die 2548 Pagoden im zwei Autostunden entfernten Kakku entgehen lassen. Diese wurden seit dem dritten Jahrhundert vor Christus erbaut und vermitteln ein ganz besonderes Gefühl von Geschichte. Die jüngste Pagode ist circa 200 Jahre alt.

Das goldene Land

Rund 87% der Bevölkerung sind buddhistischen Glaubens, was das Land und die Gesellschaft prägt. Die Landschaft ist übersät mit Stupas (buddhistische Bauwerke und Denkmäler), Pagoden (eine Ansammlung mehrerer Stupas) und Buddha-Statuen, die zum Teil über 2000 Jahre alt und mit Blattgold bedeckt sind. Sie spiegeln den tiefen Glauben sowie die Geschichte des Landes wider. Die Tempel sind sowohl für Touristen als auch für Einheimische beliebte Reiseziele und somit auch Ort der Begegnung. Da es sich für einen buddhistischen Mann gehört, zwei Mal in seinem Leben eine gewisse Zeit, die er selbst bestimmt, im Kloster zu verbringen, trifft man überall auf Bettelmönche in ihren roten Gewändern. Auch in den Häusern der Einheimischen und Restaurants finden sich meist kleine Gebetsstätten, die stets mit frischen Blumen, Obst und Wasser ausgestattet sind.

Sleepover auf birmanisch

Ein weiteres besonderes Erlebnis ist eine Trekking-Tour im Shan State. Wer die Kultur der verschiedenen Stämme und das ländliche Leben kennenlernen möchte, kann eine mehrtägige Wanderung von Kalaw aus unternehmen. In der Regel leiten Einheimische aus der Gegend die Tour. Übernachtet wird in abgelegenen Dörfern, die auf der Route liegen. Strom- und Wasserleitungen gibt es hier nicht. Die Familien kochen bei offenem Feuer im Haus und die Solaranlagen, die sich wenige leisten können, generieren in der Regenzeit gerade genug Strom, um abends eine Glühbirne anzuschalten.

Rund drei Viertel der Bevölkerung Myanmars leben auf dem Land und ernähren sich teils autark. Die Bewirtschaftung der Felder, auf denen Reis, Kartoffeln, Knoblauch, Chilis oder verschiedenes Gemüse angebaut werden, erfolgt mit Hilfe von Wasserbüffeln. Die Wohnhäuser aus Holz sind wegen giftiger Tiere wie zum Beispiel Schlangen auf Stelzen gebaut und meist mit Wellblech gedeckt. Eine Reise zu den ländlicheren Regionen zeigt ein anderes Myanmar und macht darauf aufmerksam, dass es noch immer zu den ärmsten Ländern Südostasiens gehört.

Die Königsstadt

Besonders beeindruckend sind die Tempelruinen in Bagan. Die mehr als 2000 riesigen Bauwerke aus Ziegelstein erstrecken sich über ein Gebiet von 36 km². In der Trockenzeit und bei entsprechenden Wetterbedingungen sind Heißluftballon-Flüge über die archäologische Stätte möglich, die einen unbeschreiblichen Blick über die Landschaft ermöglichen. Die Königsstadt wurde vom 11. bis zum 13. Jahrhundert erbaut, durchlebte jedoch schon Anfang des 14. Jahrhunderts den Niedergang des Reiches. Was bis heute davon erhalten ist, kann auf eigene Faust entdeckt werden. Die erstaunliche Architektur und Wandmalereien, die Mystik des Ortes und die steppenartige, weitläufige Landschaft fesseln Kultur- und Naturbegeisterte jeglicher Art.

Von Buddha und Betelnuss

Myanmar ist, gerade weil es touristisch noch nicht so erschlossen ist, definitiv eine Reise wert. Die Geschichte des Landes ist durch die vielen noch erhaltenen Kultstätten beinahe greifbar. Nicht umsonst wird es aufgrund der zahlreichen vergoldeten Pagoden und Tempel auch „das goldene Land“ genannt Hinzu kommt, dass es zurzeit noch nicht vom Tourismus überlaufen ist und daher sehr authentisch wirkt. Der Großteil der Bevölkerung trägt nach wie vor den traditionellen Longhi, eine Art Rock für Männer und Frauen. Auch die birmanischen Fernsehserien, mit denen Touristen während der Busfahrten zwangsläufig konfrontiert werden, zeigen die kulturellen Eigenheiten Myanmars. Die Bevölkerung war uns Reisenden gegenüber aufgeschlossen und hilfsbereit. Viele haben das Gespräch gesucht und waren sehr interessiert, auch wenn sie oft nur wenig Englisch beherrschen. Zudem mussten wir uns zu unzähligen Selfies bereiterklären.

Myanmar ist ein Land, in dem einzigartige Erfahrungen gesammelt werden können. Auch wenn ich mich mit der birmanischen Küche — ein Mix aus Indisch und Chinesisch — wohl nie wirklich anfreunden werde, plane ich zurückzukommen. Vor allem aus Interesse an der weiteren Entwicklung eines Landes in Aufbruchsstimmung und um die besagte Heißluftballon-Fahrt zu unternehmen.

Von Marlene Iris Happ

Beitrag erstellt am: 13.11.2017 um 13:10 Uhr
Letzte Änderung am: 10.11.2019 um 22:51 Uhr