„Hi, wir kennen uns nicht, aber du musst unbedingt diese Serie gucken!“

Bilder an der Wand
Im Seriendschungel fällt die Orientierung nicht immer leicht. Foto: Patrick Garitz

Über Smalltalk der schlimmsten Art.

WG-Party. Es ist noch früh, die Leute unterhalten sich. Ich komme mit einem Typen ins Gespräch, sympathischer Kerl. Und dann: „Ich habe gerade so eine spannende Serien angefangen! Hast du Mad Men schon gesehen?“
Smalltalk ist an sich keine besonders unterhaltsame Sache. Ein erstes Beschnuppern, oberflächliches Kennenlernen, austesten, ob man sich mit dem Gegenüber überhaupt länger unterhalten will. Manchmal ist es auch eine nervige Pflicht, ein Mittel zur Zeitüberbrückung, das zum Netzwerken gehört. Und weil wir einen guten Eindruck auf unser noch unbekanntes Gegenüber machen wollen, versuchen wir, etwas Interessantes zu erzählen, etwas Besseres als Wetter Floskeln und welchen der Gastgeber wir kennen. Gemeinsamkeiten schaffen. Gute Idee, und wie? Reden wir doch über unsere Hobbys, also – Serientalk!

Zwischen Liebe und Langeweile

Das Problem ist nicht, dass ich keine Serien schaue. Ich mag Serien. Zum Abschalten, zum Wegdenken, mal Rauskommen. Aber warum muss ich das jedem Unbekannten auf die Nase binden? Wenn ich anfangen würde, auf der Party mein zuletzt gelesenes Buch zu beschreiben, würde sich doch auch jeder lang- weilen.

Aber Serien – das ist selbstverständlich ein völlig anderes Gebiet. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mich mit quasi wildfremden Menschen über am besten mir unbekannte Serien zu unterhalten. Denn was denen gefällt, gefällt mir sicher auch. Es ist doch immer wieder ein Spaß, zum x-ten Mal zu erklären (in besonders unterhaltsamen Konversationen wird es eher zur Rechtfertigung), warum ich immer noch nicht Game of Thrones gucke. Nicht gucken will und nicht gucken werde. Also stehe ich weiter da, nicke, lächle, schaue interessiert und sage „Na gut, vielleicht schaue ich da doch noch mal rein.“ In der Hoffnung, das Gespräch schnell auf andere Themen zu lenken. Meistens weit gefehlt. Wenn mein Gegen- über dann richtig in die Handlung einsteigt – entweder ich kann meine Langeweile zu gut verstecken oder die meisten Leute interessieren sich wirklich nicht dafür, was ihr Gesprächspartner denkt – gehe ich doch wieder dazu über, meine To-Do-Liste im Kopf weiter zu schreiben und mich nach neuen Gesprächspartnern umzuschauen.

In diesem Gespräch geht es nicht um Meinungsaustausch

Am meisten nervt mich eigentlich, dass sich alle intellektuell fühlen, wenn sie Serienhits von ABC oder CBS gucken. Als hätten nicht schon Millionen Menschen vorher und gleichzeitig die „ach so komplizierten“ Plots verstanden. Produktionen wie Dexter, Breaking Bad oder Game of Thrones sind innovativ, keine Frage. Aber gleichzeitig anschlussfähig genug für die breite Masse. Wirklich überraschend, dass sich der Serientalk dann ständig wiederholt. Aber echte „Serienjunkies“, wie sie sich gern nennen, merken das nicht, wenn sie erstmal ins Schwärmen geraten.

Als sich Serien so langsam als Smalltalk-Thema eingebürgert haben, habe ich noch manchmal den Fehler gemacht, ehrlich zu antworten. Auf die Frage, was so meine Lieblingsserien sind, ist: „Ganz gemischt. Gilmore Girls hab ich grad zum fünften Mal geguckt“, keine gern gehörte Antwort, wie ich schnell feststellen musste. Daraufhin durfte ich mir allzu oft anhören, welche noch viel tolleren (von der Art her komplett anderen, aber egal) Serien es noch gibt und was ich auf jeden Fall noch sehen muss. Natürlich alle populären HBO-Serien und Netflix-Prduktionen. („Aber unbedingt auf Englisch!“)

Mittlerweile habe ich aus meinen Fehlern gelernt – wenn jemand den Serientalk beginnt, sage ich ganz nonchalant: „Ach, im Moment gucke ich ganz gern Dexter“. Da sind die Leute zufrieden, das ist beliebt genug, nicht kitschig und die Figuren sind ja so wahnsinnig vielschichtig! Jetzt darf ich nur die letzte Staffel nicht zu Ende gucken, damit mir der Gesprächsstoff nicht ausgeht. Und nach der Party mache ich die nächste Folge Gilmore Girls an und erfreue mich an den bekannten Handlungen und sympathischen Figuren.

Mit diesen Serien wirkst du intelligent und zeitgemäß:

1. Game of Thrones („Wahnsinn, dass quasi alle Figuren sterben!“)
2. Dexter („Ein Serienkiller und ein moralisches Dilemma.“)
3. Breaking Bad („Total innovative Schnitttechniken!“)
4. Mad Men („Die rauchen wirklich die ganze Zeit, wie in den 60ern.“)
5. Der Tatortreiniger („Endlich mal ne intelligente deutsche Serie.“)
6. Scrubs („Die letzten Staffeln kannst du echt in die Tonne treten.“)
7. True Detective („Noch ne Krimiserie, aber die hier ist wirklich gut!“)
8. True Blood (Ja, Vampire sind wohl wirklich immer noch in.)
9. How to Get Away with Murder („viel zu kompliziert zum Nebenbeischauen.“)
10. The Walking Dead (Nein, Zombies werden anscheinend nie unbeliebt.)

Von Alina Finke

Beitrag erstellt am: 26.06.2016 um 14:17 Uhr
Letzte Änderung am: 02.12.2019 um 18:57 Uhr