Schlafen für die Leistungsfähigkeit

Studierende schlafen in der Bibliothek
Studierende schlafen in der Bibliothek. © Anna Polovets

Kein Platz für Powernapper an der Universität zu Köln.

Was für unsere Großeltern noch selbstverständlich war, ist heutzutage in unserer Leistungsgesellschaft verpönt: ein Nickerchen zwischendurch. Dabei ist schon lange bekannt, dass sich ein Mittagsschlaf sehr gut auf das Herz-Kreislauf-System auswirkt und uns körperlich und geistig fit hält.

Tagschlaf, heute auch Powernapping genannt, ist mittlerweile in unserer Uni angekommen. Vor allem aber die Problematik, einen geeigneten Ort für den erholsamen Schlaf zwischendurch zu finden.

Wer auf dem Boden schläft wird des Raumes verwiesen

Erst vor kurzem wurden die Studenten Haylee Pham und Tarek Khellaf der Universitäts- und Stadtbibliothek verwiesen, weil sie sich unter der Treppe zum Computerraum hingelegt hatten. Ihnen wurde mit Exmatrikulation gedroht, begründet mit der Sorge um Imageschäden. „Das ist doch Quatsch!“, sagt Dr. Patrick Honecker, der Pressesprecher der Universität zu Köln und fügt hinzu: „Imageschädigend ist Schlafen meines Wissens nach nicht und Exmatrikulation ist ein sehr komplexer Vorgang.“

Bibliothek ist zum Lernen da

Öffentliche Räume erfüllen bestimmte Funktionen und müssen Bestimmungen einhalten. Für Dr. Honecker ist die Bibliothek „fast schon ein sakraler Raum, der zur Wissensgenerierung genutzt werden soll.“ Wenn jemand am Arbeitsplatz einnickt und mit neuer Energie weiterarbeitet, sei das kein Problem. Doch wenn sich jemand auf den Boden legt, um dort zu schlafen, müssen die Sicherheitskräfte überprüfen, ob die Person bei Bewusstsein ist.

Es fehlen Ruheräume an der Universität

„Wieso gibt es an der Uni denn auch keine Ruheräume“, empören sich die beiden Powernapper Haylee und Tarek, „wenn doch eindeutig Bedarf besteht? Wir sehen hier viele Studenten an den Tischen schlafen.“ Tatsächlich gibt es noch keine offiziellen Ruheräume an der Universität, jedoch soll sich das bald ändern. An Stelle des ehemaligen  Studierendensektretariats wird im Hauptgebäude ein sogenannter Raum der Stille errichtet. Ab 2016 soll dieser Raum in erster Linie Glaubensgemeinschaften als Gebetsraum zur Verfügung stehen. Gebete, religiöse Rituale und auch Meditationen sollen dort praktiziert werden, in diesem Sinne auch das Powernapping.

„Wenn einzelne Personen wirklich nur für 20 bis 40 Minuten in diesen Raum gehen, um eine liegende Meditationsform zu betreiben, ist es kein Problem. Doch wenn mehr als drei Leute dort gleichzeitig reingehen und ihr Bett aufschlagen,  geht das natürlich nicht“, erklärt Dr. Honecker. „Hier geht es grundlegend um Platzmangel – man muss die Relationen sehen. Wir haben 50.000 Studierende an der Universität. Wenn es Liegeflächen gäbe, dann wäre an dieser Stelle kein Platz für Lehrräume und im Moment sind wir in dieser Hinsicht einfach unterversorgt.“

Wissen die Dozenten eigentlich, wieviel Arbeitsaufwand Studierende haben?

„Wir sehen das Problem in der Anwesenheitspflicht“, sagen Haylee und Tarek, „bei einem Doppelbachelor hat man viele Verpflichtungen, Vorlesungen und Seminare mit Pflicht-Hausaufgaben. Wenn man parallel zum Studium noch arbeitet, dann muss man sich zu helfen wissen. Wir haben immer das Gefühl, dass den Dozenten gar nicht bewusst ist, dass wir so eine große Arbeitsbelastung haben. Powernapping ist unsere Lösungsstrategie. Denn unsere Leistungsfähigkeit verbessert sich spürbar nach einem Powernap“.

Studierende weisen falsches Lernverhalten auf

Laut Markus Kamps, Schlafcoach und geprüfter Präventologe, gibt es an Universitäten generell eine weit verbreitete Problematik: „Es ist das falsche Lernverhalten – Nächte werden durchgelernt. Das ist sehr kontraproduktiv, denn bei normalem Schlaf entwickelt unser Gehirn Problemlösungsstrategien und löscht unnützes Wissen.“ Er empfiehlt, vor wichtigen Prüfungen abends zu repetieren und dann ausreichend zu schlafen.

Heutzutage leiden alle an hohem Leistungsdruck

„Wer kann schon beurteilen, was richtig und was falsch ist“, sagt Dr. Honecker. Er sieht das Kernproblem darin, dass sich viele Menschen selber unter Leistungsdruck stellen, sowohl im Studium als auch im Arbeitsleben, sogar im Alltag. „Grundsätzlich ist es ein gesellschaftliches Phänomen, aufgrund dessen wir selbst stärker auf unsere Gesundheit achten müssen. Durch den Überfluss an Möglichkeiten wachsen auch die Anforderungen unserer Gesellschaft und der Leistungsdruck steigt. Man sollte vorsichtig sein und sich dieser Höchstgeschwindigkeitswelt nicht einfach unterwerfen“, fügt Dr. Honecker hinzu.

Powernapping ist ein natürliches Aufputschmittel

Haylee und Tarek haben Powernapping, als eine Methode gegen den Leistungsdruck, in ihren Alltag integriert: „Das ist wie Essen und Trinken. Wenn man Hunger hat, muss man essen, wenn man Durst hat, trinken und wenn man müde ist, muss man schlafen. Das klingt so logisch und doch haben so viele Menschen ein Problem damit. Powernapping ist besser als jegliche Aufputschdroge, es ist viel gesünder und natürlicher.“

Was die Räumlichkeiten für ein Nickerchen betrifft, da werden die Powernapper auch in Zukunft kreativ bleiben. „Das ist alles Gewöhnungssache“, erklärt Haylee, „ich kann überall gut abschalten. Ich höre einfach nicht mehr, was um mich herum passiert.“ So schlafen Haylee und Tarek überall, wo sie es gemütlich finden. Unter den Tischen, auf dem Boden, selbst in der Mensa, wo Geschirr klappert und Leute essen. Die Geräusche machen ihnen nichts aus. Dennoch würden sie sich räumliche Veränderungen wünschen.

Powernapping mal anders:
Mit Musik, die auf unsere Gehirnwellenmuster abgestimmt ist, entspannt es sich in der Audiotherapie gleich besser. Leistungssportler nutzen gern das Powernapping, bei dem sie in einem geschlossenen Glasraum künstlich in eine Höhenlage von 1000 bis 2000 Metern versetzt werden.

Von Anna Polovets

Beitrag erstellt am: 31.05.2015 um 22:38 Uhr
Letzte Änderung am: 02.12.2019 um 19:02 Uhr