Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Lesung füllt sich der Platz vor dem Café. In kleinen Grüppchen plaudern Studenten und Literaturinteressierte in den Zwanzigern und Dreißigern, hier und da auch ältere Besucher. Drinnen werden währenddessen noch Stühle verrückt und Kerzen auf den kleinen Tischen verteilt. Das Café Fleur kommt bei den Gästen gut an – „Die Atmosphäre ist sehr persönlich“, es ist „gemütlich“ hier. Dicht an dicht entstehen lockere Gespräche im Kerzenschein. Als die erste Autorin angesagt wird, ist jeder Platz belegt und die Nachzügler nehmen mit den Stehplätzen am Tresen vorlieb.
Lara Theobald ist 22 und studiert derzeit in München Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Sie schreibt Lyrik und Prosa in einem experimentellen, modernen Stil. Mit ihrer ruhigen Stimme und außergewöhnlichen Wortwahl berichtet sie unter anderem über das Leben und seine Zerstreutheit und darüber, wie es ist, ein „Schiff“ zu sein, „in einer Stadt ohne Hafen“. Hin und wieder fällt es schwer, den metaphernreichen Texten zu folgen, dennoch gelingt es ihr, augenblicklich eine sehr nachdenkliche Stimmung zu schaffen und das Publikum mit ihrer Tiefgründigkeit zu fesseln.
Als nächstes betritt der Jungautor Yannik Federer aus Bonn die Bühne, der kurzfristig für die erkrankte Rabea Edel eingesprungen ist. Seine Kurzgeschichte ist gesellschaftskritisch, erfrischend, frech. Sie handelt vom Gefühlschaos innerhalb einer Dreier-WG, von Homosexualität, Sexismus, Sünde und Unverständnis. So bittet Anna, eine der Figuren, Gott in ihrem Gebet: „Verzeih, dass ich eine schwule Sau bin“. Und Amerikanerin Cindy mit den „großen Möpsen“ und den „traurigen Augen“ misst ihren Selbstwert nur noch an der Anerkennung, die Männer ihrem Körper entgegenbringen. Aufgelockert wird die schwierige Thematik durch eine lässige Erzählweise, es gibt einige Lacher und am Ende kennen auch alle die Pluralform von Vagina.
Die dritte Autorin im Bunde, Fiona Sironic, studiert zurzeit Kreatives Schreiben in Hildesheim und stellt drei Kurzgeschichten aus der „Landpartie 15“ vor. Die 20-jährige beeindruckt vor allem mit ihrem Stil; ihre Texte sind rustikal, anders, intensiv. Ein nachdenkliches Nicken geht durch den Raum, bei Sätzen wie „Das Wir ist ‘ne Fiktion, ich kann ja nicht in deinen Kopf.“
Ebenfalls intensiv sind Christoph Dannes Impressionen von unterwegs, der Fremde, vom Reisen und dem Fernsein von der eigenen Heimat. Seit 2001 veröffentlicht der 39-jährige regelmäßig seine Texte in Magazinen und Zeitschriften, ist Initiator und Veranstalter der Lesereihe gegenlichtlesen.de und des Lyrikabends Hellopoetry. Beide Veranstaltungen finden in Köln statt. Er ist an diesem Abend der letzte und wohl auch professionellste Autor – viele seiner vorgestellten Gedichte stammen aus seinen Einzelveröffentlichungen „Finderlohn“ (tauland-verlag, 2011), „das halten der asche“ (Parasitenpresse, 2014) und „shooting stars“ (Elif Verlag, 2015). Mit seiner tiefen und ruhigen Stimme entwirft er verschiedenste Szenarien und entführt das Publikum nach Barcelona, Montenegro oder Rom. Mit nur einer Handvoll Worten schafft er atmosphärische Momentaufnahmen und einen gelungenen Ausklang des sechsten Land in Sicht-Abends.
Land in Sicht bietet neben erfahreneren AutorInnen auch jungen, unbekannten Schreibenden monatlich die Chance, sich auf der Bühne auszuprobieren und ihre Werke vorzustellen.
Am 11.06. um 20:00 Uhr geht die Lesung im Café Fleur (Nähe Rudolfplatz) in die siebte Runde. Mit dabei sind dann Katharina Hartwell und Dorian Steinhoff und es wird die Kölner Literaturzeitschrift „schliff“ vorgestellt.
Von Natalja Tschupin
Beitrag erstellt am: 18.05.2015 um 17:56 Uhr
Letzte Änderung am: 02.12.2019 um 19:03 Uhr