Shakespeare trifft Tünnes und Schäl

Zeichnung einer Zeitung
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Studierende der Medienkulturwissenschaften haben in einem Seminar selbst eine App zum Thema Shakespeare entwickelt.

Pünktlich zum neuen Semester erwartet die meisten Studierenden erst mal ein dicker Papierstapel mit Texten, die es zu lesen gilt. Vor allem in den Geisteswissenschaften sind die Seminarthemen oft praxisfern und viel zu leselastig.

Dass das nicht unbedingt so sein muss, bewiesen Masterstudierende des Instituts für Medienkultur und Theater in ihrem Projekt. Im Rahmen eines Seminars entwickelten sie die App „Will in Town“. Diese schickt die SpielerInnen auf eine virtuelle Schnitzeljagd auf die Spuren von Shakespeare durch die Kölner Altstadt.

Die AnwenderInnen müssen im Verlauf des Spiels verschiedene Aufgaben absolvieren und Fragen zu Shakespeare beantworten. Für jede gelöste Hauptaufgabe erhalten sie einen virtuellen Knochen Shakespeares, den sie am Ende zu einem vollständigen Skelett zusammensetzen. Sind sie erfolgreich, können sie mit dem Poeten seinen 450. Geburtstag feiern. Bei der Lösung kleinerer Aufgaben erhalten die SpielerInnen die typisch kölschen Kamelle, mit denen sie sich Antworthilfestellungen erkaufen können.

Die beiden urkölschen Kultfiguren Tünnes und Schäl begleiten die SpielerInnen, stellen Fragen und geben Ratschläge. Das „Shakespeare Universum“ mit all seinen Figuren und Geschichten trifft hier auf die traditionsreiche kölsche Sagenwelt und beide vereinen sich auf der realen Spielfläche der Kölner Altstadt.

Auch als Shakespeare-Neuling macht die Rallye auf jeden Fall großen Spaß. „Man muss nicht den Hamlet gelesen haben, um das Spiel gewinnen zu können“, sagt Gerrit Weber, einer der studentischen Programmierer. „Es ist auch so ein großartiges Spielvergnügen“. Ein Besuch in der Shakespeare-Ausstellung „A Party for Will“ im Kölner Museum für angewandte Kunst (MAKK) könne jedoch hilfreich sein, da einige der Exponate und Kunstwerke auch im Spiel aufgegriffen wurden, so Weber. Dadurch erlangen die SpielerInnen bereits vorab ein größeres Shakespeare-Wissen. Außerdem finden sie die „starre Kunst“ an den Museumswänden anschließend auch in der virtuellen Welt des Spielens wieder.

Den Impuls für dieses Seminar gab Peter W. Marx, Professor am Institut für Medienkultur und Theater. Das Projekt war von Anfang an auf zwei Semester angelegt. Was am Ende tatsächlich heraus kommen sollte, war zunächst aber noch sehr vage. Der Grundgedanke war es, die App begleitend zu der von ihm organisierten Shakespeare-Ausstellung im MAKK zu programmieren. Die 22 Studierenden trafen sich dann zu wöchentlichen Treffen und entwickelten eigenständig ein Konzept. Eine Gruppe beschäftigte sich mit der Narration, während eine zweite das Layout entwarf. Als drittes Team kamen die ProgrammiererInnen hinzu. Unterstützt wurden die Studierenden von Marx, seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Sascha Förster, sowie Professor Beil, alle vom Institut für Medienkultur und Theater. Für die technische, medieninformatische Seite erhielten die SeminarteilnehmerInnen Hilfe von Manfred Thaller, Professor für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung. „Letztendlich haben die Studierenden aber eigentlich alles komplett selber gestemmt“, erklärt Weber. Das Rechenzentrum der Universität stellte den Server, dann konnten die Studierenden mit der praktischen Arbeit beginnen. Es war einiges an eigenem Lesen und Tüfteln von Nöten, denn für die Informatikstudierenden war eine App- Programmierung völliges Neuland, so Weber. Abgesehen von den Zeichnungen, die aus Federico Alvarez’s Feder stammen, Doktorand am Institut für Medienkultur, haben die ProjektteilnehmerInnen alle Arbeiten eigenständig durchgeführt.

Für die Studierenden natürlich auch von großem Interesse: die Anrechnung. Der Kurs lässt sich im Master regulär als Hauptseminar mit 7 Credit Points werten. Doch hat sich der große Aufwand tatsächlich gelohnt? „Ja, definitiv“, sagt Weber. „Wenn man es in CP umrechnet sicherlich nicht, weil wir gerade von der technischen Seite sehr viel mehr Energie, Zeit und Aufwand hinein gesteckt haben als die CP letztlich repräsentieren.“ Jedoch sei dieses Projekt natürlich etwas, das man in den Lebenslauf schreiben könne. “ Außerdem ist es eine besondere Erfahrung gewesen und vor allem ein Teamprojekt, was man über ein Jahr getragen hat.“

„Will in Town“ ist ein lebendiges, praktisches Projekt mit Eigendynamik. An solch einem Seminar zeigt sich, dass Lernen an der Uni nicht nur „Texte lesen“ bedeuten muss. Auch wenn es gerade für die ProgrammiererInnen nicht ganz ohne theoretische Wissensanreicherung durch Texte funktionierte, eine selbsterstellte und selbst programmierte App ist definitiv eine Hausarbeit der besonderen Art.

Zusätzlich ist die App einer der anschaulichsten Beweise für die Verknüpfung der universitären Fächern Medienwissenschaften und Informatik beziehungsweise Management im BA- Verbundstudiengang. Sie aber auch beispielhaft eine Kollaboration zwischen Universität, der theaterwissenschaftlichen Sammlung auf Schloss Wahn, (welche den Großteil der Exponate für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat) und dem Kölner Museum für angewandte Kunst.

Von Franziska Kopp

Die Ausstellung “ A Party for Will“ wird bis zum 27.Juli verlängert. Der Eintrittspreis liegt bei 6,50 Euro, ermäßigt 5 Euro. Außerdem ist ein Rahmenprogramm mit teils kostenlosen Führungen angeschlossenDie App steht seit März 2014 kostenfrei für Apple und Android Smartphones zum Download bereit.

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Beitrag erstellt am: 13.07.2014 um 17:29 Uhr
Letzte Änderung am: 02.12.2019 um 19:08 Uhr