Was schreibt uns die Zukunft?

Vorhang auf für Generation Z.

Applaus brandet durch die Backsteinhallen der Balloni Event Location. Gerade ist der Sieger des Offspring-Award gekürt worden – durch Publikumsentscheid. Drei Texte sind an diesem Herbstabend vorgestellt worden. Alle besonders, alle einzigartig geschrieben – und alle von einem Mitglied der Generation Z verfasst. Denn der Offspring-Award ist ein Preis für Nachwuchsliterat*innen im Alter von 15 bis 25 Jahren.

Lächelnd, ein bisschen unsicher, aber auch sichtlich erleichtert, stehen die drei Jungschriftsteller*innen auf der Bühne. Jetzt ist erstmal Händeschütteln angesagt. Glückwünsche werden ausgetauscht, nicht nur an den ersten Platz. Wie die Moderation es ausdrückt: Wer es geschafft habe, bei der LitCologne Sonderedition dabei zu sein, zähle sowieso schon zu den Gewinnern.

Erreicht haben das die drei jungen Leute mit ihrer Schreibfertigkeit und ihren Ideen zur Zukunft. „Utopia vs. Dystopia“ hieß der Leitgedanke des Wettbewerbs, bei dem unter 40 Teilnehmenden diese drei hervorgestochen sind.

Wie blickt Generation Z in die Zukunft?

Zumeist negativ, betont Benjamin Quaderer. Der preisgekrönte Autor (Für immer die Alpen) ist nicht nur als Glücksfee auf der Bühne – denn die Reihenfolge der vorzustellenden Texte wird ausgelost – sondern auch als Teil des Preises: Dem ersten Platz winkt ein Mentorship-Programm mit ihm rund ums Thema Schreiben. Da versteht es sich von selbst, dass Benjamin Quaderer die eingereichten Texte auch gelesen hat. Die Masse an Szenarien mit Umweltkatastrophen habe ihn überrascht – er habe zwar welche erwartet, aber eben nicht so viele.

Passend, dass dann auch gleich die erste Erzählung in einer ausgedörrten, trockenen Welt spielt, in der die Menschheit nur noch mithilfe einer speziellen Kochsalzlösung, „Saliquor“ genannt, dahinvegetiert. In I am become Liquid beschreibt Svenja Dudek ein erschreckendes Zukunftsbild und hält auch mit Schockmomenten nicht zurück. Gleichzeitig lässt sie ihren Hauptcharakter ruhig und nüchtern über sein Leben reflektieren – was das Ganze wesentlich eindrücklicher macht als eine theatralische Zurschaustellung der Zustände. Auch das gelegentliche Gläserklirren aus dem Publikum tut dem keinen Abbruch.

Gelesen hat den Beitrag Nellie Thalbach – und auch die anderen beiden liest sie mit sprudelnder Begeisterung. Selbst, wenn es ein so kryptischer Text ist wie das Gedicht von Anastasia Averkova. moment – aufnahmen speichern bis zum nächsten update begreift die Welt als ablaufendes und sich entwickelndes Computerprogramm. In kurzen Aussagen und Satzfetzen beschreibt und kritisiert sie unsere Gesellschaft, setzt Kontraste und zieht Vergleiche. Dadurch entsteht eine sehr vielfältige Arbeit, deren einzelne Facetten beim einmaligen Hören nicht vollends erfasst werden können.

Ganz anders der Abschlusstext, der durch seine einfache Sprache hervorsticht, die durch die unschuldige, ja beinahe kindliche Lesart Nellie Thalbachs noch zusätzlich betont wird. In Felix Sterns Zukunft verbietet ein übermächtiger „Kommandör“ der übrigen Bevölkerung das Reden. Es sei denn, die Menschen besitzen „Sprachlose“ – Lose zum Sprechen. Spräche mit Freundn behandelt Worte nicht bloß, es entfremdet sie auch: Und lässt uns so über sie nachsinnen, über ihre Bedeutung, über ihre Kraft. Eine Silbe, zwei Silben, drei – je mehr es werden, desto mehr verschärft sich die Situation für die Hauptfigur. Bis hin zur Eskalation.

Das Publikum hat entschieden

Ein eher unwahrscheinliches Szenario, das aber dennoch beim Publikum gut ankommt. Das Klatschen möchte nicht aufhören – und auch die Wahlzettel, die die Zuschauer*innen auf ihren Sitzen finden konnten, zeichnen ein deutliches Bild: Felix Stern kann überzeugen – und wird so mit dem Offspring-Award gekürt. Den darf Kurt von Storch, Stifter und Initiator des Wettbewerbs, gemeinsam mit der Moderatorin Najima El Moussaoui überreichen: Eine gerahmte Urkunde, mehr symbolischer Natur, denn der eigentliche „Preis“ schüttelt gerade dem Sieger die Hand. Doch auch die anderen Kandidatinnen und Teilnehmer*innen der Ausschreibung gehen nicht leer aus: Sie erwartet ein Schreib-Workshop am nächsten Samstag.

In seiner Abschlussansprache betont von Storch noch einmal, wie erfreulich er die Vielfalt der vorgestellten Texte finde. Dem dürften die Zuschauer*innen zustimmen – und die Geschichte ebenfalls: Denn nur weil über die Zukunft geschrieben wird, ist sie noch lange nicht festgeschrieben.

Alle Texte findet man unten auf der Seite der Lit.Cologne Sonderedition:
https://www.litcologne.de/de/programm/sonderedition/lit-comingofage-utopia-vs-dystopia-wie-blickt-die-generation-z-in-die-zukunft-offspring-award-2021-ein-schreibwettbewerb-fuer-nachwuchsliterat-innen

Von Friederieke Butzheinen

Beitrag erstellt am: 18.11.2021 um 09:00 Uhr
Letzte Änderung am: 26.11.2021 um 05:01 Uhr